Bedford-Strohm hielt ein Plädoyer für die Menschlichkeit

In seiner Weltethos-Rede appellierte Heinrich Bedford-Strohm an die menschliche Verantwortung

Werden bald Roboter den Job des Pfarrers übernehmen? Beim Medienkongress in München lernte der 13. Weltethosredner, der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm, kürzlich einen Segens-Roboter kennen.

21.10.2018

Von Christiane Hoyer

Als 13. Weltethosredner sprach Heinrich Bedford-Strohm im Uni-Festsaal über die Herausforderungen der Digitalisierung.Bilder: Rippmann

Als 13. Weltethosredner sprach Heinrich Bedford-Strohm im Uni-Festsaal über die Herausforderungen der Digitalisierung.Bilder: Rippmann

Dieser war mit vielen Bibellosungen programmiert, konnte zahlreiche Dialekte sprechen und faszinierte den 58-Jährigen, berichtete er im Dialog mit Eberhard Stilz, dem Präsidenten der Stiftung Weltethos, am Sonntagabend nach seiner 50-minütigen Rede. Dass die Stimme von einem Roboter kam, machte ihm nichts aus. „Die Worte machten mich froh. Die Frage ist doch: Welche Macht geben wir dem Roboter, und: kann er Verantwortung übernehmen wie ein Mensch?“

In seiner Rede beleuchtete der Theologie-Professor vor zirka 700 Zuhörern die Frage: Ist die Digitalisierung als ethische Herausforderung eher Verheißung oder Verhängnis? Die Universität Tübingen, die die Künstliche Intelligenz erforsche, sei zum Nachdenken über diese Frage bestens geeignet, so der Redner. Er berichtete von seinem ersten Computer, als er Anfang der 1990er Jahre seine Dissertation schrieb und davon, dass er zu den 2,23 Milliarden monatlichen Nutzern von Facebook gehöre.

Was bringt die Digitalisierung mit sich? Zunächst den „Verlust von Privatheit“, so Bedford-Strohm. Er selber ist davon überzeugt, dass seine Ehefrau ihn am besten kennt. Aber laut Facebook-Studie schätze der Algorithmus von Facebook die Menschen besser ein als deren Freunde und Partner. Digitale Überwachungstechnik in China und anderen autokratisch regierten Ländern, auch Kameraüberwachungen im öffentlichen Raum, kritisiert Bedford-Strohm als „massive Beschädigung der Privatheit, die die Menschenwürde verletzt“.

Ehrengast Prof. Hans Küng.

Ehrengast Prof. Hans Küng.

Algorithmen veränderten die Medienlandschaft. Jeder Mensch sei sein eigener Journalist und verbreite mit einem Click Nachrichten, Fake News destabilisierten westliche Demokratien. Hass- und Falschbotschaften würden sechsmal so oft angeklickt wie Botschaften, die der Wahrheit und Humanität verpflichtet sind. Hinzu komme die „kommerzielle Logik der Algorithmen: Es geht einzig um Clicks und Verweildauer und um verkaufte Anzeigen“, so Bedford-Strohm. Er konstatiert: „Es ist ein bemerkenswertes Ergebnis der bisherigen Digitalisierung, dass die Gesetzmäßigkeiten eines neuen öffentlichen Raums, in dem Menschen täglich viel Lebenszeit verbringen, keiner durchgängigen demokratischen Kontrolle unterliegt.“

Ist also die Menschlichkeit angesichts der rasanten digitalen Entwicklungsmöglichkeiten in Gefahr? Den ethischen Wert eines menschendienlichen technologischen Fortschritts stellt Bedford-Strohm nicht in Frage. Wohl aber die digitale Reproduktion von Menschen. „Ist sie noch vereinbar mit der christlichen Überzeugung, dass wir Menschen zum Bilde Gottes geschaffen sind und nicht zum Bilde eines Anderen Menschen?“, fragt der Theologe. Wie würde Bedford-Strohm reagieren, wenn ein Roboter auf ihn zukäme und darum bittet: „Herr Pfarrer, können Sie mich taufen?“

Was macht den Menschen aus? Und wo sind die Grenzen zur künstlichen Intelligenz? Als Theologe beantwortet Bedford-Strohm diese Frage biblisch. Er interpretiert die Vertreibung Adam und Evas aus dem Paradies als Akt, in dem Gott den beiden die Grenze setzt. Als Menschen, so seine Schlussfolgerung, können und sollen wir wohl Grenzen überwinden; eine aber bleibt: Das Ewige bleibt Gott allein vorbehalten.“

Im Dialog mit Stilz kam Bedford-Strohm noch einmal auf diese Grundsatzfrage zu sprechen: „Was ist der Mensch in einer globalen Digitalisierung“ und welche Aufgaben lassen sich daraus ableiten? „Wir sind da noch ganz am Anfang“, stellt Bedford-Strohm fest. Er habe eigentlich gehofft, dass die USA ihm Antworten geben könnte. Doch auf seiner Reise dort habe er feststellen müssen: „Die USA sind auch nicht viel weiter.“ Applaus bekam Bedford-Strohm für seine Forderung: „Wir brauchen eine Globalisierung der Humanität!“ An der einstigen Debatte übers Klonen von Menschen könne man sehen, dass Organisationen wie die UNO durchaus etwas bewirken könnten. Die Zivilgesellschaft müsse sich in der digitalen Branche „gutwillige Bündnispartner suchen“.

Ansonsten gilt für Bedford-Strohm „das Narrativ der Hoffnung in der christlichen Tradition, dass das Leben und die Liebe siegen“.

Heinrich Bedford-Strohm: Biografische Daten

Heinrich Bedford-Strohm ist seit dem 11. November 2014 Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Seit April 2011 ist er Landesbischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern. Der 58-Jährige kommt aus einem Pfarrhaus. Er wuchs bei Memmingen und in Coburg auf. Seine Studienzeit verbrachte er in Erlangen, Heidelberg und Berkley (1981-1988). Bei Wolfgang Huber, dem späteren EKD-Ratsvorsitzenden, war er Assistent in Heidelberg am Lehrstuhl für Systematische Theologie und Sozialethik (1989-1992). Er promovierte über das Thema: „Vorrang für die Armen. Auf dem Weg zu einer theologischen Theorie der Gerechtigkeit“. 1985 heiratete er die Psychotherapeutin Deborah Bedford aus Boston. Das Ehepaar hat drei Söhne. Bedford-Strohm war Pfarrer an der Morizkirche in Coburg (1997-1999, 2001-2004); 2004: Ruf an die Uni Bamberg.

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Erstellt:
21.10.2018, 23:25 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 12sec
zuletzt aktualisiert: 21.10.2018, 23:25 Uhr

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