Fasnetseröffnung

Graf für Landleben XXL gekürt

Neue Gesichter und bewährte Kräfte weckten beim Saisonauftakt im Steinhaus die Aussicht auf eine lange und unterhaltsame Fasnet.

19.11.2018

Von Hans-Michael Greiß

Sie garantieren ihren närrischen Untertanen Fröhlichkeit bis zum Aschermittwoch: (von links) Hofmarschall Daniel Wagner, Page Lisa Bok, Graf Rudolf Christoph Straub, Gräfin Ita Manuela Straub, Zunftmeister Eckard Bukenberger, Page Emma Rosenberger.

Sie garantieren ihren närrischen Untertanen Fröhlichkeit bis zum Aschermittwoch: (von links) Hofmarschall Daniel Wagner, Page Lisa Bok, Graf Rudolf Christoph Straub, Gräfin Ita Manuela Straub, Zunftmeister Eckard Bukenberger, Page Emma Rosenberger.

Noch harren die Masken in den Kratten und die schrillen Musikinstrumente im stillen Kämmerlein, darum ging es am Samstag bei der Horber Fasnetseröffnung zivilisiert zu. Zaghaft wagten sich ein paar Luftschlangen auf die Tische. Die Speisekarte versprach Deftiges zum Durchhalten bis zum Aschermittwoch am 6.März 2019. Bereits eine gute Stunde vor Beginn war das Theaterparkett komplett besetzt, die Seitenränge mit eingeschränkter Bühnensicht füllten sich mit T-Shirt-Trägern, die erkennen ließen, Narrenzunftgruppenweise feiern zu wollen. Eckard „Ecki“ Bukenberger beschwor das Miteinander in der Narrenzunft, die nicht nur in der fünften Jahreszeit sondern das ganze Jahr über lebe.

Die jungen Stoibrecher Sarah Kienzle, Isabel Noll, Patrick Reichel, Colin Schmid, Jana und Marius Schneiderhan sowie Steven Wehrstein fassten ihre Nordstetter Dorfgeschichten in eine ländliche Idylle, in der sich eine Frau nicht scheiden lässt, weil sie ihrem Alten die paar glücklichen Jahre nicht gönnt. Eine andere erhoffte, ihren Hans Dieter bei der Eselsversteigerung in Dätsai loszuwerden.

Eher den Turmschurken als den drei Stäpfleshopsern Bernd Göttler, Danilo Iacono und Jürgen Reinhardt hätte man den Kunstgenuss eines Klavierterzetts der besonderen Art zugetraut. Für ihre Virtuosität ließen sie buchstäblich die Hosen herunter, um die musikalische Tierwelt eines im Schwanensee ertrinkenden Pink Panther mit wippenden Bewegungen ihres edelsten Körperteils zu Gehör zu bringen. Auf intime Weise entlockten sie der Klavierattrappe sogar ein arbeitsteiliges Glissando.

Gelöschte Mails hervorgeholt

Futuristisch silberglitzernd hielt die Digitalisierung 4.0 mit den Clouds Mega und Giga alias Alexander „Locke“ Guth und Stefan „Foxi“ Fox in Horb Einzug. Bei ausgeschalteter Firewall hatten sie einen anonymen Leserbrief von Stadtrat Walz entdeckt, der mit flotter Vokuhila Frisur eine Frau wie Pegida suche, um eine Reichsbürgerfamilie zu gründen. Ungelöscht fand sich auch der unterdrückte Redeentwurf zum Spatenstich der Brücke wieder: Dem OB ging es tierisch auf den Sack, die selbstgefälligen, übergewichtigen und sich selbst beweihräuchernden Politamateure begrüßen zu müssen. In der zweiten Fassung war nur noch von verdienten Mitkämpfern und Möglichmachern des Jahrhundertbauwerkes zu lesen. In einer „scho ordentlichen ein Megabyte großen Datei“ befand sich eine Liste der Grafenpaare. Die der abgelehnten umfasste fünf Gigabyte. Die Brauchtumsliste ließ erkennen, welch ernste Sache doch die Fasnet mit Verboten von Turnschuhen, Hexenwagen, Sägmehl, Stroh schmeißen oder geklauten Schuhbändeln sei.

Abschied vom Hofmarschall

Schon einmal als Geist bei den Clouds auf der Bühne blieb Thomas „Metze“ Kreidler gleich dort, denn Zunftmeister Bukenberger verkündete das Motto des Eröffnungsballs „Provinz statt Metropole – Horber Landleben XXL“ und dann den tatsächlichen Abschied Kreidlers als Hofmarschall, der zuvor in einer Mail bei der Digitalisierung 4.0 angekündigt wurde. 1995 stellte Kreidler mit seiner Frau Sabine das Grafenpaar, 23Jahre proklamierte er seine Nachfolger. 50 Stunden habe er gereimten Unsinn ins Mikrofon gesprochen. Mit dem „Stoibrecher durch und durch“ Daniel Wagner habe er genau den richtigen Nachfolger ausgewählt, denn „das Amt kriegt nicht jeder von mir“.

Bukenberger war überzeugt, den „Metze“ aus der Fasnet nicht mehr los zu werden. Als Gruppensprecher der Kropfer werde er weiterhin ganz vorne stehen, dazu nehme er ihn in die edle Reihe der Narrenräte auf und ernenne ihn zum Obernarren. Als sichtbares und sentimentale Zeichen der Ehre reichte er ihm den etwas abgewetzten Ratshut, dessen eingeprägte Initialen „RH“ nicht eindeutig klärten, ob Helmut Reihing oder Rolf Hahn vor ihm der Träger gewesen ist. Eine geschnitzte Hofmarschall-Figur soll Kreidler stets zurück erinnern.

Ungewöhnliches Grafenpaar

Von der Brandmeldung, das Grafenpaar stehe ante portas, überrumpelt, warf sich der unvorbereitete neue Hofmarschall Daniel Wagner den gelben Mantel über und wandte ein: Die Hoheiten stehen erst nach 22 Uhr auf dem Programm. Tatsächlich blieb das strengste Geheimnis der Stadt weiterhin strengstens gehütet. Zunächst nahmen Oberbürgermeister Peter Rosenberger und Bürgermeister Ralph Zimmermann als Gräfin und Graf die Huldigungen des närrischen Volkes entgegen. Die Gebrüder Blattschuss hatten die Vorlage für ihren Song geliefert. Waren in den Vorjahren Rosenbergers Solo-Arien grauslich begeisternd, so steigerte sich sein erstes Duett (oder Duell?) mit Zimmermann zum taktverschiebenden Guggenmusik-Verschnitt. In altüberlieferter Horber Tradition hatten sie wieder viel mehr Silben in die Zeilen gepackt, als das Versmaß erlaubte, was im Zusammenklang Irritationen hervorrief und Lukas Niedernhofer mit seiner Gitarre in arge Begleitschwierigkeiten brachte. Doch der Jubel des tobenden Publikums war ihnen sicher.

Titten-Tina suchte Grafen

Die Turmschurken nahmen die Datingshows in Fernsehen aufs Korn. Die heiratswütige rothaarige Landwirtin Titten-Tina suchte ihren Grafen Rudolf für die nächste Saison. Denn „wenn’s Dächle rostet, wird’s im Keller feucht“. Weder ein Rosenberger noch ein Bukenberger kam für sie in Frage, Die fünf Junggesellen, der Nordstetter Dorfprolet Dieter und der stotternde Detlev aus Dettlingen, erwiesen sich ebenfalls als Pleiten. Da bevorzugte sie einen richtigen Mann: einen Schurken.

Dann hatte Hofmarschall Daniel Wagner, nun korrekt gewandet, seine feierliche Premiere, das echte Grafenpaar zu begrüßen. Die Falle der Kandidatensuche war auch in diesem Jahr bei keinem Maskenträger zugeschnappt. Überraschungsschreie begrüßten Christoph und Manuela Straub, hereingeführt von den neuen Pagen Lisa Bok und Emma Rosenberger. Die Wahl ehre nicht nur die Stadtkapelle mit deren Chef Christoph Straub, sagte Wagner. Der neue Graf sei der ideale Repräsentant des Landwirtschafts-Mottos.

Graf Rudolf reklamierte für sein Adelsgepränge Zeitnot. Ob „d’r Munding“ einen Arbeitsdienst für seinen Straubhof einteilen könne und wer die Eier aus dem Nest hole, fragte er voller Sorge. Nach seiner Proklamation ließ das Paar ein scheinbar endloses Defilee gratulierender Freunde mit herzlichen Umarmungen und Küsschen über sich ergehen. Nach zwei Stunden Stillsitzen konnten die Feierwütigen dann endlich die Bar stürmen.

Graf für Landleben XXL gekürt
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Erstellt:
19.11.2018, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 52sec
zuletzt aktualisiert: 19.11.2018, 01:00 Uhr

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