Buñuel im Labyrinth der Schildkröten

Buñuel im Labyrinth der Schildkröten

Erzählt mit der Handschrift einer Graphic Novel von einem außergewöhnlichen Filmprojekt des Surrealisten Luis Buñuel.

24.12.2019

Von Madeleine Wegner

Feierte in Tübingen beim Cine Español 2019 bereits Premiere:

Mit dem surrealistischen Skandalfilm und Meisterwerk „Ein andalusischer Hund“ feierte Luis Buñuel gemeinsam mit Salvador Dalí 1929 Erfolge. Doch „Das goldene Zeitalter“ im darauffolgenden Jahr sorgte mit seiner expliziten Kritik an der christlichen Moral und an der bürgerlichen Gesellschaft für Empörung. So bekam Buñuel Schwierigkeiten, einen dritten Film zu finanzieren.

„Wenn ich gewinne, zahle ich dir deinen Film“, sagt Ramón Acín eines feuchtfröhlichen Abends zu seinem Freund Buñuel und wedelt mit dem Los der Weihnachtslotterie. „Das wäre richtig surreal“, erwidert Buñuel. Es wird richtig surreal. Acín hält sein Wort und finanziert dem Regisseur ein – wie es zunächst scheint – eher kleines Dokumentarfilm-Projekt in Las Hurdes, einer abgelegenen Bergregion im Westen Spaniens.

Mit Kameramann Eli Lotar dreht Buñuel dort seinen Film „Las Hurdes – Land ohne Brot“. Er zeigt die unglaubliche Armut der Menschen, die in dieser kargen Bergwelt leben. An diesem verlassenen Ende der Welt scheint es nur Kinder, Kleinwüchsige, Kranke und Alte zu geben, die nicht viel vom Leben erwarten können.

Das Filmteam, das wie Fremde mit Auto und Kamera als Boten der Moderne in diese Welt hereinbricht, hilft dennoch nach, wenn die Bilder für Buñuels Geschmack immer noch extrem genug sind: Wenn die Ziegen zufällig nicht im richtigen Moment vom Felsen abstürzen wollen, wenn noch eine Nahaufnahme von einem kopflos zappelnden Federvieh benötigt wird, oder ein Esel von Bienen zu Tode gestochen werden soll.

Was für einen Film hat Buñuel nur im Sinn? Einen Dokumentarfilm? Einen Reisebericht? Das Tagebuch einer ethnografischen Expedition? Pure Fiktion? In den Augen der Regierung, die den Film schnell verbieten ließ, hat er die Armut jener spanischen Bevölkerung zu explizit und ihre Situation zu ausweglos gezeigt.

Salvador Simós Animationsfilm „Buñuel en el laberinto de las tortugas“ (Buñuel im Labyrinth der Schildkröten) ist für den europäischen Filmpreis in der entsprechenden Kategorie nominiert. Simó hat für seinen Film die gleichnamige Graphic Novel des Cartoonisten Fermín Solís benutzt. Hinzu kommen Originalaufnahmen aus Buñuels Film.

So entsteht mit Hilfe klarer Linien und gedeckter Farben eine (Zeit-)Reise, die Wirklichkeit, Fiktion und Traum verschwimmen lässt – ganz Sinne Buñuels also.

Erzählt ein Stück Zeit- und Kulturgeschichte mit der Handschrift einer Graphic Novel.

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Erstellt:
24.12.2019, 01:18 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 11sec
zuletzt aktualisiert: 24.12.2019, 01:18 Uhr

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