Empfingen · Wahl

Achim Walter ist der neue Stimmenkönig

Plus bei abgegebenen Stimmen und Briefwählern bringt Helfer ins Schwitzen, das Ergebnis steht spät fest. Gemeinderat wächst um einen Ausgleichssitz.

28.05.2019

Von Frank Wewoda

Das hatte er sich anders vorgestellt: Um 2 Uhr erst machte Theo Walz, Leiter des Gemeindewahlausschusses, in der Nacht auf Montag das Licht im Empfinger Rathaus aus. Eine Stunde zuvor hatte er die Ergebnisse der Gemeinderatswahl erstmals auf seinem Bildschirm beisammen, mindestens eineinhalb Stunden später als gedacht.

4000 Stimmen mehr zu zählen

Die Gründe liegen auf der Hand aus seiner Sicht: Viel mehr zu zählen als vor fünf Jahren gab es für die Helfer in den drei Wahllokalen und bei der Auszählung der per Briefwahl angekommenen Stimmzettel: Die Zahl der abgegebenen, gültigen Stimmen wuchs von rund 21 000 vor fünf Jahren auf knapp über 25 000 auf 1915 Stimmzetteln am Sonntag. Theo Walz: „Die anvisierte Zeitvorgabe war so nicht zu schaffen.“

Das lag unter anderem an einer höheren Wahlbeteiligung, die am Sonntag auf 61,91 Prozent um knapp acht Prozentpunkte gegenüber 2014 wuchs. Der Anteil der Briefwähler hat sich im Vergleich zu 2014 praktisch verdoppelt, informiert Walz, der darin einen bundesweiten Trend auch in Empfingen angekommen sieht. Am Ende gab es noch ein Empfinger Novum: Einen Stuhl mehr braucht es an den Ratstischen in Zukunft, denn wegen eines Ausgleichssitzes vergrößert sich das Gremium um einen Mandatsträger. Das hängt zusammen mit der unechten Teilortswahl, bei der dem Wahlbezirk Wiesenstetten/Dommelsberg unabhängig von der Stimmenzahl der Bewerber aus dem Wohnbezirk Empfingen zwei Sitze zustehen. Bei der UBL erzielten zwei Kandidaten so hohe vierstellige Stimmenzahlen, dass die beiden garantierten Sitze für den Teilort bereits mit diesen Räten belegt sind. Im Verhältnis der Gesamtstimmenzahl steht der „WIR“-Liste daher nach dem Wahlrecht ein Ausgleichssitz zu.

Auf eine Geduldsprobe stellte die lange Auszählung am Sonntag die Kandidaten der Unabhängigen Bürgerliste und „WIR“, die an gegenüberliegenden Tischen in der Pizzeria Da Devis auf die Resultate warteten. Auch der Bürgermeister gesellte sich unter die aktuell noch amtierenden und künftigen Gemeinderäte.

Statement: Xaver Kleindienst

Xaver Kleindienst von der Unabhängigen Bürgerliste (UBL) sagt: „Das war eine sehr lange Wahlnacht, manche haben vorzeitig aufgegeben und sind dann heim.“ Am Ende war er mit dem Erreichten für seine Liste zufrieden. „Die Erwartung ist, dass man zumindest sein Ergebnis bestätigt“, so Kleindienst. Mit einem Zuwachs an Sitzen habe er nicht gerechnet, so sei er froh, die Zahl an Sitzen für die UBL gehalten zu haben. Gute Leute hätten sie für die eigene Liste gefunden nach den Abgängen der bisherigen Gemeinderäte Kerstin Hönle, Helena Deuringer und Michael Gfrörer.

Neu in den Gemeinderat eingezogen für die Unabhängige Bürgerliste sind nun Markus Saier, 28 Jahre alter Betriebswirt, Silke Hellstern, 40-jährige Laboratoriumsassistentin und der Mediziner Dr. Stefan Walz mit beachtlichen 1144 Stimmen. Damit liegt er noch vor dem langjährigen, wiedergewählten UBL-Gemeinderat Elmar Schmitt, der auf 1024 Stimmen kam und damit gerade noch ein vierstelliges Ergebnis erzielte. Deutlicher im vierstelligen Bereich liegen Xaver Kleindienst (1643), Andreas Seifer (1276) und Achim Walter. Der Revierförster setzte sich in der Wählergunst unerwartet sogar an die Spitze aller Gewählten als neuer Stimmenkönig des Empfinger Gemeinderats und löste damit Xaver Kleindienst ab. „Ich gönne es ihm“, meinte Kleindienst. Der konnte nach drei Amtsperioden als stimmenstärkster Gemeinderat den Verlust des inoffiziellen Titels gut verschmerzen, zumal die Stimmen in der eigenen Liste blieben.

Statement: Achim Walter

Achim Walter erfuhr von seinem exzellenten Abschneiden erst durch eine E-Mail des Bürgermeisters nach dem Aufstehen am Montagmorgen. „Mein Wecker hat um 6 Uhr heute Morgen geklingelt – um 0.45 Uhr bin ich deshalb aus dem Da Devis heim.“

Inhaltlich hatte Achim Walter etwas andere Positionen vertreten als die Listenkollegen. „Vielleicht stimmen die Leute teils mit mir überein“, so Walter. „Dass immer die Wirtschaft den Vorzug kriegt vor der Natur“, stört den Revierförster. „Ein immer größerer Flächenverbrauch und neue Industriegebiete werden Widerstände unter den Bürgern hervorrufen“, ist sich Walter sicher. Zu Verzicht gebe es daher aus einer Sicht keine Alternative. Beim Interkommunalen Gewerbegebiet stimme er etwa mit dem geplanten Standort an der Autobahn und dem grundsätzlichen Vorhaben überein – allerdings ist ihm die neue Industrie- und Gewerbefläche nach derzeitigen Planungsstand eine Nummer zu groß geraten.

Die Frage, ob er sich mit diesen Positionen nicht vorstellen könnte, eine grüne Liste in Empfingen anzuführen, weist Walter entschieden zurück: „Es hat alles schon seine Richtigkeit, wie es jetzt ist. Mir würde auch eine Empfinger Liste langen“, so der Forstbeamte. So müsse er sich im Gremium Mehrheiten suchen. „Das ist nicht ganz so einfach“, räumt er ein. Dass Jüngere und eine Frau für die UBL in den Gemeinderat einziehen, kommentiert Walter mit den Worten: „Alles gut!“

Statement: Rudolf Walter

„Wir sind sehr zufrieden“, betont auch Rudolf Walter
für die „WIR“-Liste nach der Wahl. „WIR“ hat seine Zahl an Sitzen von vier auf sechs erhöht – auch dank des Ausgleichsmandats, das Joachim Gfrörer aus Wiesenstetten erhielt. „Fünf Sitze war unser Ziel“, so Walter.

Dass die „WIR“-Sitze im Gemeinderat trotz des Stimmenzuwachses weiterhin rein männlich besetzt bleiben, veranlasst Walter zur Aussage: „Wenn Frauen weiblich wählen würden, würde das Ergebnis anders aussehen.“ Die „WIR“-Liste hatte sich im Wahlkampf als aktivste der drei parteiunabhängigen Empfinger Vereinigungen hervorgetan und mehrere Wahlveranstaltungen organisiert.

Dass sich dieses Engagement im Wahlergebnis niedergeschlagen habe, möchte Walter nicht beschwören. Manche hätten dies auch als „Aktionismus“ empfunden. Dass seine Liste als erste bereits früh im Herbst vorigen Jahres ihre Kandidaten benannt habe, hätte die Kandidaten eng zusammengeschweißt. „Wir sind eine gute Mannschaft geworden, das Verhältnis sei freundschaftlich.

„Wenn wir im Gemeinderat etwas bewegen wollen, müssen wir zeigen, die etwas agilere Liste zu sein“, stellt Walter fest. Für ihn sei das Interkommunale Gewerbegebiet ein ganz wichtiges Thema auf der Tagesordnung, aber auch die Planung des Kindergartens. Walter hält es nicht für vermittelbar, immer weitere neue Baugebiete zu erschließen, vielmehr setzt er auf Nachverdichtung und dabei auf die 130 „Enkeles-Äckerle“, also erschlossene Bauplätze in privater Hand, die nicht bebaut werden.

Statement: Doris Horschig

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Achim Walter ist der
neue Stimmenkönig
Empfinger Bürger bei der Stimmabgabe im Wahllokal Musikerheim am Sonntag.

© ST

Doris Horschig-Ladenburger ging zwar früh ins Bett am Wahlabend, konnte dann aber vor Aufregung kaum schlafen, wie sie erzählt. Dass sie selbst wieder in den Gemeinderat gewählt wurde, mache sie persönlich sehr zufrieden. „Ich freue mich wahnsinnig auf die anstehenden Themen und Aufgaben wie die innerörtliche Verkehrsberuhigung und unseren neuen Kindergarten“, so Horschig-Ladenburger. Dass ihre Liste, die Bürger-Union, einen Sitz verloren habe, mache sie jedoch traurig. „Jetzt bin ich ja eine One-Woman-Show“, merkt sie an. Aber so sei die Demokratie, jedes Ergebnis gelte es da anzunehmen.

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Erstellt:
28.05.2019, 12:47 Uhr
Lesedauer: ca. 4min 22sec
zuletzt aktualisiert: 28.05.2019, 12:47 Uhr

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