Gewerbe

Ahldorf sagt: Es reicht!

Horb will endlich näher ran an die Autobahn. Aber ein Gewerbegebiet in Ahldorf wäre ein schwerer Fehler – es würde die Tür öffnen für eine Besiedelung bis hin zur A 81.

29.11.2017

Von Johannes Klomfaß

Blick nach Westen, in Richtung Autobahnzubringer. Der Fichtenwald im Hintergrund gehört bereits zu Nordstetten, in der Senke dazwischen verläuft die B32. Wald und Flur, wie sie hier zu sehen sind, müssten dem Gewerbegebiet weichen. Der Wald entlang der Straße würde gerodet, an dieser Stelle soll das Gebiet an die B32 und an die Kreisstraße nach Ahldorf angeschlossen werden. Geplant ist offenbar, wie auf der gegenüberliegenden Seite der Bundesstraße, ein zweites Abbiege-Ohr, um ein kreuzungsfreies Auf- und Abfahren auf die B32 zu ermöglichen. Bilder: Kuball

Blick nach Westen, in Richtung Autobahnzubringer. Der Fichtenwald im Hintergrund gehört bereits zu Nordstetten, in der Senke dazwischen verläuft die B 32. Wald und Flur, wie sie hier zu sehen sind, müssten dem Gewerbegebiet weichen. Der Wald entlang der Straße würde gerodet, an dieser Stelle soll das Gebiet an die B 32 und an die Kreisstraße nach Ahldorf angeschlossen werden. Geplant ist offenbar, wie auf der gegenüberliegenden Seite der Bundesstraße, ein zweites Abbiege-Ohr, um ein kreuzungsfreies Auf- und Abfahren auf die B 32 zu ermöglichen. Bilder: Kuball

Jetzt also Ahldorf. Auf Mühringer Gemarkung kommt die Stadt nicht voran. Jetzt muss Ahldorf dran glauben: an das Heilsversprechen eines Gewerbegebiets. Ahldorf braucht und will kein Gewerbegebiet. Die Stadt weiß das und tut ganz harmlos. Angeblich klopft man routinemäßig mal an. Weil man sowieso unablässig Ausschau hält nach geeignetem Bauland. Tatsächlich ist die Stadt seit 40 Jahren scharf auf das Ackerland entlang der Autobahn. Vorläufig will sie entlang von B 32 und der Landesstraße 459 rund 25 Hektar Wald abholzen und Felder planieren. Die Spanne bis zur Autobahn darf, auch wenn Horb dementiert, getrost als potentielle Erweiterungsfläche gelten.

Horb druckt sich ran, wie man im Schwäbischen sagt. Horb will an die A 81, weil Horb mithalten will mit Empfingen und Ergenzingen. Weil jeder Oberbürgermeister einmal etwas vorweisen muss! Weil Horb sich sichtbar machen will am Rand der Piste: mit Paketdepots, so groß, dass Passagierflugzeuge drin parken könnten. Mit dem Zentrallager des Discounters Norma. Horb würde gerne so gesichtslos und verwechselbar sein wie alle die anderen.

Der Widerstand wächst

Aber es wird nicht passieren. Der Widerstand ist da und er wächst. Horb kann nichts weiter bieten als Geld. Horb hätte alle Vorteile, Ahldorf, das kein Gewerbegebiet braucht, hätte alle Nachteile. Darum wird die Stadt scheitern. Ein zweites Mal nach 1998, als auf Mühringer Gemarkung ein Autohof gebaut werden sollte, um so das Mühringer Gewerbegebiet per Stichstraße an den Zubringer anzuschließen. Aber dazu später mehr.

In Ahldorf kann die Stadt nicht gewinnen, weil zwei Komponenten zusammenkommen. Ahldorf als klassisches Bauerndorf ist sozusagen aus Tradition ein Widerstandsnest. Die Bauern haben sich von der Obrigkeit noch selten etwas sagen lassen. Hinzu kommen nun die sogenannten Neubürger, Zugezogene von nah und fern, die Ahldorf als Oase von hoher Wohnqualität für sich entdeckt haben: kein Durchgangsverkehr und keine Industrie; gute Luft, viel Platz, freie Sicht und Wald mit 300 Jahre alten Eichen plus mythischem Keltengrab als Dreingabe. Ein Städter nimmt auch den Autobahnlärm hin.

Wenn Horb den Ahldorfern in einer Bürgerversammlung mit dem Standard-Argument von Horbs Wirtschaftsschwäche und einem negativen Pendlersaldo kommt, wird einer aufstehen und sagen: Lieber Herr Rosenberger, ich kann’s nicht mehr hören! Warum hat Horb denn einen negativen Pendlersaldo? Weil die Leute, die in Stuttgart und Sindelfingen arbeiten, dort nicht wohnen wollen!

Anders gesagt: Ahldorf will keine Sonntagsspaziergänge ins Gewerbegebiet! Ahldorf will keine Aussicht-Verschmutzung! Keine in die Flur geklotzten Lagerhallen, keinen Lkw-Lieferverkehr, auch nicht ortsdurchfahrtsfrei. Die Gemarkung Ahldorf misst 600 Hektar, auf 50 Hektar stehen Häuser. Beinahe genau so viel Fläche – 42 Hektar – ist bislang für den Straßenbau draufgegangen. Auch in Dommelsberg und Dettensee, Mühringen und Nordstetten leben die Menschen mit manchem Nachteil, den eine Autobahn mit sich bringt: Verkehr, Lärm, Abwasser. In Ahldorf jedoch schneidet die Autobahn quer in die Markung. Der Brunnenwald ist nicht mehr intakt, seit für den Autobahnzubringer B 32 eine Schneise hineingeschlagen wurde. Ahldorf will vom Planungsbüro nicht beschwichtigt werden: Keine Sorge, ein Streifen Wald bleibt ja als Sichtschutz stehen! Die Ahldorfer ahnen: Den Waldstreifen nimmt der nächste Herbststurm. Ahldorf will keine Beschwichtigungen. Ahldorf will kein Gewerbegebiet. Ahldorf hat genug!

Heute Abend freilich, bei der nichtöffentlichen Versammlung, dürfte die Stadt Horb in Person von Bürgermeister Ralph Zimmermann den Ahldorfern servil um den Bart gehen: Schaut her, die A 81 und B 32 sind nun einmal da! Also nehmen wir doch gemeinsam dieses Geschenk zum Nutzen aller an! Wir vergolden eure Äcker und eure Waldparzellen! Hunderttausend Euro sind schon drin! Nehmt das Geld und gebt Ruhe!

Den einen oder anderen dürfte der Bürgermeister damit womöglich ins Grübeln bringen. Bevor er sich umstimmen lässt, sollte jeder einzelne Grundstückseigentümer die Planskizze der Stadt studieren, um zu begreifen, welche Ausmaße das 25 Hektar große Gebiet hat, das Horb sich holen will. Und jeder Eigentümer sollte sich klar machen, dass die erste planierte Gewerbegebietsparzelle lediglich das Einfallstor ist für die Komplettbesiedelung der Fläche bis an die Autobahn heran.

OB glaubt, er kommt damit durch

Aber hat die Stadt vielleicht Recht? Ist das Gelände seit dem Bau von Autobahn und Zubringer nicht zerschnitten und entwertet? Seit 40 Jahren Bauerwartungsland, wie es früher einmal euphemistisch hieß? Handelt es sich bei den Äckern nicht um jene Monokulturen, die Ökologen verdammen, wenn sie das Insektensterben beklagen?

Mit solcher Rhetorik wird Politik gemacht. Oberbürgermeister Peter Rosenberger sagt im „Schwarzwälder Boten“: „Unser Nutzwald ist nicht so hochwertig wie der im tiefsten Schwarzwald. Es geht um Arbeitsplätze und um unsere Zukunftssicherung!“ Den Widerstand in Ahldorf tut Rosenberger mit den Worten ab: „Das ist das übliche Floriansprinzip. Wir brauchen ein Gewerbegebiet, aber bitte nicht vor der eigenen Haustür. Ich rechne bereits mit einer Bürgerinitiative.“ Ein solch beinahe schon gelangweilt-lässiges Abwiegeln zeigt zweierlei: Der OB glaubt, er spreche auch hier selbstverständlich für die Mehrheit. Und er glaubt, damit kommt er durch. Beides darf bezweifelt werden.

Der Automatismus funktioniert nicht mehr. Aber der Stadt Horb fällt nichts anderes ein als eine Rhetorik des „Weiter so!“ Wir wollen endlich auch die tollen Lagerhallen in Autobahnnähe haben, so wie alle anderen! Der OB predigt Arbeitsplätze und den Anteil an der Einkommenssteuer: „Davon leben wir!“

Wie hohl letztlich solche Rhetorik ist, das hat sich schon vor 20 Jahren gezeigt. Am 17. Februar 1998 kam es im Gemeinderat Horb zu einer denkwürdigen Sitzung. 1998, damals war Helmut Kohl noch Kanzler; Angela Merkel war 43 Jahre alt und Umweltministerin. Der junge Michael Theurer, im dritten Jahr im Amt, hatte im Vorfeld der Sitzung eine seiner Jung-OB-Ideen hinausgeballert: Horb könnte doch an der A 81 mit einem schicken Autobahn-Halt, einem Autohof, auf sich aufmerksam machen! In der Schweiz, im Kanton Graubünden, steht an der Autobahn 13, in Maienfeld, die Raststätte Heidiland, eine dauerhafte Marketing-Einrichtung, in der die Region für Bündner Fleisch, Bündner Nusstorte und für sich als Urlaubs- und Erholungsort wirbt. Wie dieses Heidiland, so Theurers Idee, könnte ein Autohof Tor und Buchungsstelle für den Ferienlandkreis Freudenstadt sein und natürlich ein Marketingcoup für Horb.

Die Bauern beruhigte Theurer damals: „Wir wollen den Landwirten, die beim Bau der Autobahn viel Fläche verloren haben, nicht noch mehr Land wegnehmen.“ Sein Vorgänger, Oberbürgermeister Dr. Hörner, hatte ursprünglich 50 Hektar Ackerfläche kassieren und planieren wollen. Die drei Aussiedlerhöfe auf Ahldorfer Gemarkung wären damit am Ende gewesen. Der junge emphatische Theurer gab sich als gütiger Stadtvater und versuchte es auf die sanfte Tour: „Wir wollen den Mühringern und Ahldorfern etwas von der A 81 zurückgeben, etwa Arbeitsplätze.“ Kommentar der SÜDWEST PRESSE: „In Ahldorf und Mühringen denken sie: Es würde reichen, wenn er uns in Ruhe ließe. Die Autobahn macht schon genug Krach.“

Im Gewann Hau gibt es mehrere Meter tiefe Dolinen, auch sie würden aufgefüllt und überbaut. Dolinen sind Lebensraum und Zufluchtsort für Pflanzen und Tierarten, die besondere ökologische Anforderungen stellen.

Im Gewann Hau gibt es mehrere Meter tiefe Dolinen, auch sie würden aufgefüllt und überbaut. Dolinen sind Lebensraum und Zufluchtsort für Pflanzen und Tierarten, die besondere ökologische Anforderungen stellen.

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Erstellt:
29.11.2017, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 4min 29sec
zuletzt aktualisiert: 29.11.2017, 01:00 Uhr

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