Im Behörden-Dschungel

Albrecht Dietz und seine Frau Beatrix helfen jungen Syrern in Horb und Ihlingen

Noch vor wenig mehr als einem halben Jahr war ehrenamtliche Flüchtlingsarbeit für Albrecht Dietz und seine inzwischen mit ihm verheiratete Beatrix kein Thema, mit dem sie sich intensiv beschäftigt hatten. Mittlerweile sind die beiden echte Insider – und wissen neben vielem, was funktioniert, auch von einigen Problemen aus der Praxis.

05.03.2016

Von Gerd Braun

Eingeschworene Truppe auf dem Sofa der Zweier-WG (von links): Albrecht Dietz, Flüchtling Yazan, Beatrix Dietz-Eberhardt und Mitbewohner Tabush. Bild: Kuball

Eingeschworene Truppe auf dem Sofa der Zweier-WG (von links): Albrecht Dietz, Flüchtling Yazan, Beatrix Dietz-Eberhardt und Mitbewohner Tabush. Bild: Kuball

Ihlingen. Tagtäglich schaut das Ehepaar Dietz inzwischen nicht mehr bei der einst mit 25 Flüchtlingen belegten Unterkunft in der Ihlinger Straße in Horb vorbei. „Wir helfen, wenn wir gefragt werden“, sagen die beiden, „aber ein solches Engagement dauerhaft zu leisten, raubt einfach zu viel Energie.“ Geschlaucht vom intensiven Einsatz in Horb, haben Albrecht Dietz und seine Frau neue Prioritäten gesetzt.

Im elterlichen Haus von Beatrix Dietz-Eberhardt leben inzwischen zwei Syrer, beide anerkannte Flüchtlinge, in der Anschlussunterbringung. Um sie kümmern sie sich. Dass diese Zweier-WG in Ihlingen für sie ein Glücksfall ist, wissen Yazan, 30 Jahre alt, und sein 18-jähriger Mitbewohner Mohamad, den alle nur Tabush nennen. Sie seien überaus kooperativ, versichert Albrecht Dietz, sie gäben sich Mühe bei der Mülltrennung und allem, was das Leben nach deutscher Wohnkultur mit sich bringt. Klar ist dabei aber auch: Was Dietz und seine Frau sagen, das hat Gültigkeit.

Als den beiden aus Syrien geflohenen jungen Männer ihre Anerkennung und damit dreijährige Aufenthaltsgewissheit in Deutschland zugesprochen wurde, sei die Euphorie zunächst groß gewesen; „darauf folgte aber dann zermürbende Arbeit“, sagt Albrecht Dietz – um eines vorneweg zu nehmen: „Was mich am meisten ärgert, ist, dass es zwischen den einzelnen Behörden und Institutionen keinerlei Vernetzung gibt.“ Die immer ähnlichen und andererseits wiederum jeweils spezifischen Formulare müssten demnach unzählige Male ausgefüllt werden. Was, wenn alles reibungslos klappen würde, noch erträglich wäre, wird zum ärgerlichen Hin und Her, falls mal ein Formular fehlt…

Dass ein Flüchtling dies ohne Hilfe eines Betreuers schaffen kann, halten die beiden Ihlinger für ausgeschlossen. Einmal, erinnert sich Beatrix Dietz-Eberhardt, sei Yazan in einer Woche vier Mal im Jobcenter der Arbeitsagentur vorstellig geworden, um immer wieder mit neuen Hausaufgaben, aber auch neuer Unsicherheit zurückzukehren. Dabei ist der 30-Jährige, versichert Albrecht Dietz, fachlich ausgebildeter Ingenieur mit Berufserfahrung. Aber um in Deutschland für die Zeit seines Aufenthaltes berufliche Perspektiven entwickeln zu können – da reden die Dietzens nicht lange drumherum – bedarf es, der deutschen Sprache mächtig zu sein. Und so arbeiten die beiden eifrig an ihren Deutschkenntnissen. Ein weiteres, spezielles Thema, mit dem sich das Ehepaar als Helfer herumschlagen musste, war der Umstand, dass Tabush in der Zeit, da er das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte, auch nicht geschäftsfähig war. Damit ergaben sich enorme Probleme, beispielsweise ein Bankkonto zu eröffnen. Ist er in dem Alter noch schulpflichtig oder nicht? Muss er eine Berufsvorbereitungsklasse besuchen oder doch einen Integrationskurs? Selbst die Heimleitung habe hier etliche Fragen nicht klar beantworten können.

Die Grundhaltung von Albrecht Dietz bezüglich der weiteren Zukunft der beiden Syrer ist eine geradlinige: Für immer in Deutschland zu bleiben, könne im Sinne Syriens keine Lösung sein. „Ich sage ihm das immer wieder: Wenn der Krieg in Syrien vorbei ist, müssen sie wieder zurück. Sie werden dort gebraucht, um das Land wieder aufzubauen.“

Doch bis dahin ist es wohl noch eine Weile hin, und bis dahin müssen sich alle miteinander mit Schwierigkeiten herumschlagen, die man nicht unbedingt erwarten würde. Einmal habe ein Busfahrer Yazan nicht mitgenommen, obwohl dieser eine gültige Fahrkarte hatte. „So eine Abweisung ist echt übel“, sagt dazu Beatrix Dietz-Eberhardt.

Überhaupt: Die Sensibilitäten der Flüchtlinge sei generell ein heikles Thema. „Sie spüren die Stimmung und merken, dass es derzeit für sie stetig bergab geht“, sagt Realschullehrer Dietz. Nach den Anschlägen von Paris oder den Silvester-Vorfällen in Köln habe man in der Unterkunft in der Ihlinger Straße sofort die Nervosität gespürt.

Die Situation ist also für alle Seiten schwierig. Die Flüchtlinge leben in der Unsicherheit, die Leute, die ehrenamtlich helfen, müssen sich mit allerhand Problemen – vom Ausweispapier bis hin zum Arzttermin – herumschlagen. Und unterdessen droht die Stimmung im Lande zu kippen.

Die Großwetterlage zu diesem Thema im Land habe die beiden, versichern die beiden 49-Jährigen, aber nie groß interessiert – immerhin seien hier die Menschen, die auf Hilfe angewiesen seien. „Wir haben natürlich auch sehr viele positive Erfahrungen gemacht“, sagt die Pharmazeutisch-Technische Assistentin, und vor allem die Menschen selbst gäben einem sehr viel für den Einsatz zurück. Dennoch befürchten sie und ihr Mann, dass das große Engagement der Ehrenamtlichen auf Dauer so womöglich nicht zu leisten sein könnte. Und noch etwas gibt Albrecht Dietz zu denken: „Ich glaube nicht, dass das in anderen, vor allem großen Städten so läuft. Wie die das hinkriegen sollen, ist mit ein Rätsel.“

Ach so: Wie die beiden Ihlinger zur Flüchtlingsarbeit gekommen sind? Ganz einfach: Beim Fest „Unsere Stadt feiert“ im September hatten sie in Horb eher zufällig Yazan, Tabush und andere junge Syrer kennengelernt – und damit war das Eis auch schon gebrochen.

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Erstellt:
05.03.2016, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 27sec
zuletzt aktualisiert: 05.03.2016, 01:00 Uhr

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