Nicht unbeschwert, aber besser als befürchtet

Kommentar: Carsten Muth über die Olympischen Spiele in Tokio.

In Tokio hat die zweite Halbzeit begonnen. Neun von sechzehn Wettbewerbstagen sind vorüber bei den Olympischen Spielen, die in der Tat so anders sind als alle Spiele zuvor.

02.08.2021

Von Carsten Muth

Ulm / Tokio. Athleten, Trainer und Betreuer, auch Journalisten und Berichterstatter, können sich abseits der Wettkampfstätten nur eingeschränkt bewegen. Die Tribünen in den Arenen und Hallen? Sind weitgehend leer, die Hygienebestimmungen äußerst streng. Alles das drückt logischerweise auf die Stimmung. Auf die vielen bunten Geschichten, die das Mega-Ereignis sonst am Fließband liefert, müssen die Sport-Fans diesmal ebenso verzichten wie auf die persönlichen Begegnungen mit Menschen aus aller Welt. Zudem hat Corona einige Sportler wie den positiv getesteten deutschen Radrennfahrer Simon Geschke ausgebremst – und in die unfreiwillige Quarantäne geschickt. Das vermaledeite Virus bestimmt die Sommerspiele in Fernost. Unbeschwert sind diese Tage in Tokio nicht.

Umso erstaunlicher, dass die Spiele angesichts dieser Bedingungen nicht zu einem spröden sportlichen Verwaltungsakt verkommen sind. Im Gegenteil: Das Zuschauen macht Spaß, die Wettkämpfe sind mitreißend, die sportlichen Leistungen bemerkenswert. Wo für die Show drumherum wenig Platz ist, findet der Sport zu sich zurück. Die Athletinnen und Athleten jedenfalls, so viel kann man jetzt bereits sagen, machen das Beste draus. Nach quälenden Monaten der Ungewissheit, dem Verharren im Wartestand, dürfen sie sich endlich beweisen – und das Publikum an den TV-Bildschirmen staunen lassen.

Beispiele gefällig? US-Schwimmstar Caeleb Dressel hat sage und schreibe fünf Goldmedaillen geholt und wird mit US-Schwimm-Legende Michael Phelps verglichen. Die Österreicherin Anna Kiesenhofer verblüfft mit ihrem Sensationserfolg nicht nur die Radsportwelt. Und die erst 13-jährige Japanerin Momiji Nishiya avanciert zur ersten Skateboard-Olympiasiegerin der Geschichte.

Ja, selbst diese aseptisch anmutenden Spiele bieten den Sportlern dieser Welt die größtmögliche Bühne. Schön, dass das deutsche Team – sieht man von den unglaublichen rassistischen Entgleisungen von Radsport-Direktor Patrick Moster ab – diese für sich zu nutzen weiß. Die sympathischen wie erfolgreichen Kanuten, Wasserspringer, Bogenschützinnen und Judoka betreiben beste Werbung in eigener Sache. Tischtennis-Ass Dimitrij Ovtcharov gewinnt nicht nur Bronze, sondern liefert sich im Halbfinale gegen den chinesischen Topstar Ma Long ein episches Duell, das noch lange in Erinnerung bleiben wird. Und selbst das häufig so unnahbar wirkende Tennis-Ass Alexander Zverev spielt sich in die Herzen der Fans, haut alles rein, zeigt sich auf der Höhe seiner Schaffenskraft, wirft mit einem Parforceritt sondergleichen Novak Djokovic raus und machte dann zwei Tage später den ersten deutschen Olympiasieg im Herren-Einzel perfekt.

Alles in allem haben die ersten neun Tage in Tokio durchaus Lust auf mehr gemacht. Am Ende werden die Spiele in Japans Hauptstadt nicht als die besten aller Zeiten in Erinnerung bleiben. Besser als befürchtet sind sie aber allemal.

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Erstellt:
02.08.2021, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 19sec
zuletzt aktualisiert: 02.08.2021, 06:00 Uhr

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