Honau

Blumenkohlsinter in der Tiefe: Die Olgahöhle birgt viele Geschichte

Vor 145 Jahren hat Johann Ziegler die unterirdischen Gänge entdeckt – und mit einer Erpressung für deren Erhaltung gesorgt.

17.06.2019

Von Thomas de Marco

In der Entdeckerhalle der Olgahöhle: Frank Schüler (links) und Walter Saur, die das unterirdische Gangsystem betreuen.Bild: Horst Haas

In der Entdeckerhalle der Olgahöhle: Frank Schüler (links) und Walter Saur, die das unterirdische Gangsystem betreuen.Bild: Horst Haas

Es ist der 24. Oktober 1874, als Johann Ziegler mit einem Gehilfen im Honauer Tuffsteinbruch arbeitet und beim Einschlagen einer Bohrnadel ein sonderbar hohles Geräusch hört. Die Männer schaffen einige Steine beiseite – und schauen plötzlich in ein schwarzes tiefes Loch. Eine Bohnenstange reicht nicht bis auf den Boden hinunter, erst eine Baugerüststange stößt in einer Tiefe von sechs bis sieben Metern auf Grund. Mit einer Leiter steigt Ziegler hinunter – und steht in einer Höhle mit Tropfsteinen.

Vor 145 Jahren hat Ziegler diese Höhle entdeckt – und mit einer Energie, die an Besessenheit grenzt, hat er sie innerhalb weniger Monate für Besucherinnen und Besucher begehbar gemacht. „Es ist unglaublich, was der Mann an Arbeit und Zeit investiert hat“, sagt Walter Saur, 73, der wenige hundert Meter von der Olgahöhle entfernt wohnt und diese im Auftrag des Schwäbischen Albvereins betreut. Bis vor zwei Jahren war Saur Vorsitzender der Honauer Ortsgruppe des Albvereins, die heute rund 160 Mitglieder zählt.

Kampf um den Erhalt der Höhle

Ziegler musste sich seinerzeit zunächst gegen den Steinbruchbesitzer, seinen Stiefvater Johann Gottlieb Strohbach, durchsetzen. Der wollte den Steinbruch weiter abbauen, um Geld zu verdienen. Das hätte die Höhle freilich zerstört. Deshalb drohte Ziegler damit, sich für 12 Jahre zum Militärdienst zu verpflichten. Um dessen Arbeitskraft nicht zu verlieren, willigte Strohbach dann ein, die Höhle zu erhalten.

Ziegler arbeitet nun jede freie Minute, in den Nachtstunden und an Sonntagen in der Höhle, um Sand auszuräumen und die Gänge begehbar zu machen. Und er bittet sogar die württembergische Königin Olga, die Echazhöhle nach ihr benennen zu dürfen – schließlich hatte er in deren Regiment zuvor gedient. Sie willigt ein, aber ob sie jemals diese Höhle auch besucht hat, ist nicht überliefert. Am 6. Mai 1875 ist es soweit: Die Olgahöhle wird für die Allgemeinheit geöffnet und mit Kerzenschein beleuchtet.

Die Höhle unterscheidet sich in Entstehung und Erscheinungsform deutlich von den Höhlen auf der Alb. Denn diese sind durch saures Wasser, das den Kalkstein löst, in Jahrmillionen entstanden. Das kalklösende Wasser drang entlang von Ritzen und Fugen ins Gesteinpaket ein und vertiefte diese zu Hohlräumen und Höhlengänge. In denen arbeiteten dann andere Erosionskräfte mit – vor allem das fließende Wasser mit eingeschwemmtem Sand.

Am Wasserfall fällt der Kalk aus

Eine Tuffsteinhöhle wie die Olgahöhle ist dagegen mit dem Gestein gewachsen. Im oberen Echaztal schoss das Wasser vor 7000 bis 10 000 Jahren nach der letzten Eiszeit als Wasserfall über eine Kante harten Gesteins – so wie heute der Uracher Wasserfall. „Dabei hat sich das Wasser entspannt und dadurch Kohlendioxid verloren. Deshalb fällte der Kalk aus und lagerte sich oben an der Kante ab“, erklärt Frank Schüler, 58, Mechaniker-Meister und Hobbyhöhlenforscher. Unten wiederum setzten sich ebenfalls Kalk und der mittransportierte Schotter ab.

Im Lauf der Jahrhunderte sind die Ablagerungen oben und unten immer größer geworden, bis das neugebildete Tuffgestein zusammengewachsen ist und eine Höhle gebildet hat. War diese Höhle geschlossen, setzte sich der Ablagerungsprozess weiter vorne fort und bildete den nächsten der beiden bekannten Höhlengänge.

Wie aber kann so ein Wasserfall ein Höhlensystem über eine Breite von knapp 60 Metern ausbilden? „Bei Hochwasser hat die Echaz mehrfach ihr Flussbett verlagert und dadurch ist auch die Höhle in die Breite gewachsen“, sagt Schüler, der Vorsitzende der Höhlenforschungsgruppe Pfullingen.

Tropfsteine sind abgebrochen

Eine Besonderheit der Olgahöhle sind die halbrunden Ablagerungen und Formen des Tuffs, die als „Blumenkohlsinter“ bezeichnet werden: Algen und Moose, die am Rand der Echaz gewachsen sind, wurden innerhalb weniger Monate von ausgefälltem Kalk umhüllt und sind dadurch versteinert. Dieser Prozess kann auch heute noch beim Uracher oder beim Gütersteiner Wasserfall beobachtet werden. Außerdem sind in der Olgahöhle durch Wasser, das in Klüften eindrang, Tropfsteine entstanden. Doch diese sind in früheren Zeiten fast komplett von Menschen abgebrochen worden.

Zu den Meisterleistung von Entdecker Ziegler zählt auch, dass er Schutt und Sand in einer Mächtigkeit von gut zwei Metern aus den Höhlengängen herausgeschafft hat. Denn als er die Höhle fand, war nur ein kleiner Teil unter der Decke frei. Erst durch den Abbau dieser Sedimente wurde die Höhle begehbar.

Kartoffellager nach dem Krieg

Im Zweiten Weltkrieg wurde die Olgahöhle als Luftschutzbunker genutzt. Nach Kriegsende dienten die gut zehn Meter unter der Erdoberfläche gelegenen Gänge zwei Jahre lang als zentrales Kartoffellager für Reutlingen. Danach erhielt die Höhle höchstens noch Besuch von Kindern und Jugendlichen. Bis 1968, als die Evangelisch-Methodistische Kirche das gesamte Anwesen samt Höhle aufkaufte und ein Seniorenheim im Haus über der Höhle einrichtete. Zwei Jahre später übernahm die Honauer Ortsgruppe des Schwäbischen Albvereins die Olgahöhle, erneuerte die Lichtanlage und eröffnete 1971 die unterirdische Welt wieder für Publikum.

Von 2013 bis 2015 baute der Albverein mit der Pfullinger Höhlenforschungsgruppe das historische Eingangsgebäude über der von Ziegler angelegten ersten Zugangstreppe wieder auf. Dabei orientierten sich die Verantwortlichen an alten Postkarten, auf denen das in den 1970er-Jahren abgerissene kleine Gebäude abgebildet ist. Verwendet wurde für den Nachbau selbstverständlich Honauer Tuffstein.

Weil dieses kleine Haus aber dicht beim Seniorenheim steht, dürfen Besucherinnen und Besucher nur beim Olgahöhlenfest diesen Eingang benutzen (siehe Info-Box). Ansonsten geht es auf den zweiten Treppen, die Ziegler 1891 errichtet hat, abwärts in die Honauer Unterwelt, die der 1930 verstorbene Entdecker für die Nachwelt erhalten hat.

An Fronleichnam steigt das 35. Olgahöhlenfest

Seit Mitte der 1980er-Jahre lädt die Honauer Ortsgruppe des Schwäbischen Albvereins Gäste zum Olgahöhlenfest ein. Zunächst wurde etwa 20 Jahre lang an Himmelfahrt rund um die Höhle gefeiert, danach wurde Fronleichnam als Termin gewählt. Denn an Himmelfahrt war die Konkurrenz von Festen in der näheren Umgebung einfach zu groß. Am Donnerstag, 20. Juni, ist es wieder soweit: Von 11 bis 17 Uhr werden durchgehend Führungen durch die Höhle angeboten. Auch wenn das Interesse groß ist, halten sich die Wartezeiten in Grenzen. Denn fünf Führer sind an Fronleichnam im Einsatz. In der Nähe des Eingangs ist ein Festzelt aufgebaut. Nach dem Olgahöhlenfest an Fronleichnam kann die Höhle in diesem Jahr noch bis zum 6. Oktober an jedem ersten Sonntag im Monat sowie am 8. September beim Tag des offenen Denkmals regulär besichtigt werden. Außerdem sind in Honau auch Sonderführungen für Gruppen unter der Mail-Adresse saur.walter@t-online.de zu buchen.

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Erstellt:
17.06.2019, 01:00 Uhr
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zuletzt aktualisiert: 17.06.2019, 01:00 Uhr

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