Corona

Der Bund zieht die Notbremse

Das neue Infektionsschutzgesetz soll betroffene Landkreise und Städte künftig gleichbehandeln. Geimpfte sollen zudem Freiheiten zurückbekommen.

14.04.2021

Von GUIDO BOHSEM, DIETER KELLER, STEFAN KEGEL

Bjoern Wylezich/shutterstock.com Foto: Montage Reichelt / Fotos: Firn, © Bjoern Wylezich/shutterstock.com

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Berlin. Ein Jahr lang prägten die regelmäßigen Treffen der Ministerpräsidenten der Bundesländer mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) die Corona-Politik. Das ist in dieser Form vorbei. Die Bundesregierung will künftig ab einer Inzidenz von 100 festlegen, wann welche Maßnahmen gegen die Pandemie greifen. Nach der Änderung des Infektionsschutzgesetzes im Bundeskabinett muss nun der Bundestag darüber entscheiden.

Was kommt?

Im überarbeiteten Infektionsschutzgesetz wird festgelegt, dass in einem Landkreis oder einer kreisfreien Stadt ab einer drei Tage anhaltenden Quote von mehr als 100 Corona-Infizierten pro 100?000 Einwohner eine einheitliche Notbremse greift. Es treten automatisch Beschränkungen in Kraft. Kontakte sind nur noch mit einer haushaltsfremden Person und deren Kindern unter 15?Jahren erlaubt. Ausnahmen gibt es für Ehepartner, Sorgeberechtigte und für Trauerfeiern. Hinzu kommt eine Ausgangssperre zwischen 21 und 5?Uhr, ebenfalls mit Ausnahmen. Läden und Restaurants müssen schließen, ebenso Freizeiteinrichtungen und Sportstätten – mit Ausnahme des Berufs- und Leistungssports. In öffentlichen Räumen muss eine FFP2-Maske getragen werden, bei öffentlichen Verkehrsmitteln soll eine Halbierung der Passagierzahl angestrebt werden. Schulen sollen ab einer Inzidenz von 200 geschlossen werden.

Wer muss zustimmen?

Nach dem Grundgesetz beschließt der Bundestag die Gesetze, nur in wenigen Ausnahmefällen müssen die Länder zustimmen. Das gilt auch für die nun vom Kabinett beschlossene Änderung des Infektionsschutzgesetzes. Sie wird zwar vom Bundesrat mitberaten, die Länderkammer kann die Neuerung aber letztlich nicht aufhalten. Sollten die Länder der Regelung nicht zustimmen, müsste der Bundestag einfach nur nochmal dafür stimmen, und das Gesetz wäre beschlossen.

Darüber hinaus gibt das neue Infektionsschutzgesetz der Bundesregierung die Möglichkeit, über Rechtsverordnungen weitere Verbote zu erlassen, falls die Inzidenz über 100 steigt. Aber auch Erleichterungen oder Ausnahmen sollen so möglich werden, etwa für Personen, bei denen von einer Immunisierung gegen das Coronavirus auszugehen ist oder die ein negatives Testergebnis vorlegen können. Diese Verordnungen können aber nur mit ausdrücklicher Zustimmung des Bundesrats in Kraft treten.

Sind auch Freiheiten geplant?

Trotz aller Anlaufprobleme in der Impfkampagne – aktuell sind 6,2?Prozent der Bundesbürger zweimal gegen Corona geimpft und deshalb vollständig geschützt. Und da das Robert Koch-Institut (RKI) nach Auswertung neuester wissenschaftlicher Erkenntnisse erklärt hat, dass „spätestens zum Zeitpunkt ab dem 15. Tag nach Gabe der zweiten Impfdosis“ komplett Geimpfte das Virus nicht mehr übertragen können, will Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) ihnen bald wieder mehr Freiheiten gewähren. In einem Schreiben an seine Länderkollegen bittet er Länder und Kommunen um entsprechende neue Regeln, damit Lockerungen, die bisher nur Getesteten vorbehalten waren, nun auch für Geimpfte ohne Test gelten, etwa in Einzelhandel und Kultur. Bei Einreisen aus dem Ausland sollen für komplett Geimpfte keine Tests mehr nötig sein – und auch keine Quarantäne. Ausnahme: Einreisen aus Gebieten mit besonders gefährlichen Mutationen wie Brasilien und Südafrika.

Kommt eine Testpflicht?

Ja, für Unternehmen. Und zwar unabhängig davon, was beim Infektionsschutzgesetz passiert. Dafür ändert Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) die Arbeitsschutzverordnung. Es reicht die Zustimmung des Kabinetts. Zum politischen Streitpunkt wurde dies nur, weil die SPD ihr Ja zum Infektionsschutzgesetz mit der Testpflicht verknüpfte.

Nächste Woche soll die Änderung in Kraft treten, zusammen mit einer Verlängerung der Homeoffice-Pflicht bis Ende Juni. Alle Arbeitgeber müssen jedem Mitarbeiter einen Schnell- oder Selbsttest pro Woche anbieten, es sei denn, er oder sie arbeitet ausschließlich im Homeoffice. Das gilt auch für den öffentlichen Dienst. In besonders gefährdeten Bereichen oder Gemeinschaftsunterkünften müssen zwei pro Woche zur Verfügung gestellt werden. Die Mitarbeiter sind nicht verpflichtet, dies zu nutzen oder das Ergebnis dem Arbeitgeber mitzuteilen. Die Kosten pro Beschäftigtem von maximal 130?Euro bis Juni muss der Arbeitgeber tragen, es sei denn, er bezieht die Überbrückungshilfe III.

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Erstellt:
14.04.2021, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 53sec
zuletzt aktualisiert: 14.04.2021, 06:00 Uhr

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