Horb · Feuerwehr

„Der Piepser ist ständig aktiv“

Markus Megerles Zeit als Horber Stadtkommandant ist vorbei. Im Interview lässt er seine Zeit hier Revue passieren.

17.08.2019

Von Dagmar Stepper

Markus Megerle übt seinen Beruf mit Leidenschaft aus. Für ihn ist er 60 Stunden in der Woche im Einsatz, für ihn hat er sämtliche Hobbys an den Nagel gehängt.Bilr: Karl-Heinz Kuball

Markus Megerle übt seinen Beruf mit Leidenschaft aus. Für ihn ist er 60 Stunden in der Woche im Einsatz, für ihn hat er sämtliche Hobbys an den Nagel gehängt.Bilr: Karl-Heinz Kuball

Markus Megerle (47) war der erste hauptamtliche Stadtkommandant von Horb. Zehn Jahre nach seinem Antritt hier wechselt er nun zum 1. September nach Villingen-Schwenningen. Im Interview spricht er über seine Horber Zeit, die Herausforderungen seines neuen Jobs und über sein Leben als Feuerwehrmann.

SÜDWEST PRESSE: Wann haben Sie zum ersten Mal in Ihrem Leben 112 gewählt?

Markus Megerle: Die Notrufnummer musste ich bisher nur dienstlich wählen, privat zum Glück noch nie.

Haben sie als Kind Grisu der Drache geguckt?

Klar, Grisu kennt jeder. Aber deshalb bin ich nicht Feuerwehrmann geworden. Ich bin über das Technische Hilfswerk zu meinem Beruf gekommen. Als Jugendlicher war ich dort engagiert und es hat mir unendlich viel Spaß gemacht.

Zehn Jahre waren Sie in Horb: Es gab zu Beginn große Umstrukturierungen, Sie waren der erste hauptamtliche Stadtkommandant. Gab es Widerstände, Herausforderungen?

Es waren wirklich große Herausforderungen. Es gab 17 Feuerwehrabteilungen, jede auf ihren Stadtteil fokussiert. Das Wir-Gefühl hat ein wenig gefehlt. Es hat eine Unmenge an Zeit gebraucht, alle Feuerwehrangehörige vom neuen Feuerwehrbedarfsplan zu überzeugen. Es gab Befürchtungen, dass einer Abteilung was weggenommen werden soll oder Fragen, warum bekommen die das jetzt vor uns? Ich war häufig abends und an den Wochenenden bei den Abteilungen draußen und meistens allein. Ich bin eingestellt worden und dann hieß es: Jetzt guck mal, wie du zurechtkommst. Aber es hat alles geklappt.

Was hat Sie damals gereizt an dem Posten in Horb?

Die Schnittstelle zwischen Haupt- und Ehrenamt. Ich war davor bei der Bundeswehr als Berufsfeuerwehrmann angestellt und war parallel bei der Freiwilligen Feuerwehr, auch wenn es mehr Arbeit bedeutete. 2009 habe ich mich dann in Horb beworben und bin genommen worden. So konnte ich nicht nur meinen Beruf, sondern auch mein Hobby einbringen. Und ich wurde nicht enttäuscht, ganz im Gegenteil. Es gab immer Kameradschaft und Gespräche auf Augenhöhe. Klar wurde viel diskutiert, aber immer sachlich. Ich konnte vermitteln, dass es nicht meine Willkür als Kommandant ist, sondern warum die Veränderungen sinnvoll sind. Ich bin mit dem System gut gefahren, alle sind aufgesprungen. Wir haben als erstes einen Feuerwehrbedarfsplan aufgestellt. Daher wusste jede Abteilung, was sie in den nächsten fünf Jahren erwartet, wer als nächstes mit dem Feuerwehrgebäude oder Fahrzeug dran ist. Das hat viel Ruhe reingebracht und tiefe Freundschaften sind entstanden.

Drei große Projekte fallen in Ihrer Zeit hier in Horb: der Neubau des Feuerwehrmagazins und die Zusammenlegung der Feuerwehren Dießener Tal und Talheim. Was hat Sie mehr Kraft gekostet?

Schwer zu sagen: Das 4,5-Millionen teuere Feuerwehrzentrum war langwierig, bei den Zusammenlegungen hieß es: Wir machen das nur, wenn du uns begleitest. Aber es sind nicht unbedingt die Großprojekte, die einen die meiste Zeit kosten, sondern die kleineren Sachen, die permanent auf einem hohen Level laufen.

Wie viele Brände haben Sie in Ihrer Horber Zeit erlebt? Was war Ihr schlimmster Einsatz?

Die Horber Feuerwehr hat zwischen 250 und 300 Einsätze pro Jahr, davon zirka 40 Brände. In Erinnerung bleibt mir aber das Jahr 2012: Da hatten wir eine Serie von Großbränden. Personell und materiell war das schwierig zu stemmen.

Waren Sie mal in Lebensgefahr?

Wissentlich nicht, aber es ist natürlich gefährlich. Bei einem Wohnhausbrand muss nur mal was einstürzen, bei einem Verkehrsunfall was dumm laufen. Und auch wenn man sich nicht selbst in Gefahr bringt, ist eine seelische Belastung dabei. Bei einem Großbrand ist man für 100 Leute verantwortlich. Wenn ich jemanden unter Atemschutz in ein brennendes Haus schicke, kann dem Feuerwehrkamerad etwas passieren. Daher geht die Arbeit im Vorfeld los: mit Vorbereitungen, Kursen oder auch, indem man Einheiten mischt. Das schafft für die Feuerwehr Sicherheit und auch für mich.

Was war Ihr skurrilster Einsatz?

Skurril ist vielleicht das falsche Wort: Klar, eine Katze vom Baum holen, ist ein Klassiker. Aber meistens springen die eh vom Baum runter, wenn die Feuerwehr kommt, auch wenn sie vorher sieben Tage oben saßen. Aber es sind nicht unbedingt die Großbrände mit 100 Mann Einsatz, sondern die kleinen Dinge, die mehr in Erinnerung bleiben. Wie das in den Gulli gefallene Spielzeug, das wir für ein Kind herausholen, die Freude darüber. Oder nach einem Wohnungsbrand der Dank hinterher.

Haben Sie auch manchmal Angst bei Ihren Einsätzen?

Angst? Eher Respekt. Wir fahren ja nicht zum Kaffeekränzchen, sondern zu einem Einsatz. Aber ohne Respekt wird man leichtsinnig.

Ist die Feuerwehr in Horb gut aufgestellt?

Horb ist gut aufgestellt, da muss man inzwischen weit fahren, um so was zu finden. Inzwischen haben wir auch ein einheitliches Auftreten: Gleiche Bekleidung, gleiche Fahrzeuge, das schafft Einigkeit.

Wie schwierig ist es, einen Nachfolger für Markus Megerle zu finden? Wie ist der Markt bei Feuerwehrleistungskräften gerade?

Die Nachfolgesuche ist schwierig, es werden momentan händeringend hauptamtliche Kräfte gesucht, weil etliche Kommunen von der Freiwilligkeit auf das Hauptamt umstellen.

Es ist ja bestimmt kein gewöhnlicher Job: Ständig in Rufbereitschaft, konfrontiert mit menschlichem Leid, hoher Einsatz …

Man hat eine 60-Stunden-Woche, sonst kriegt man das nicht in den Griff. Vor allem auch am Wochenende ist man viel im Einsatz. Der Piepser ist ständig aktiv, man wacht nachts häufig auf, auch wenn man nicht selbst raus muss. Aber die Freiwilligen erwarten das auch vom hauptamtlichen Kommandanten, sie leisten das ja alles neben ihrem Beruf. Ich habe meine sämtlichen Hobbys an den Nagel gehängt: Wandern, Bergsteigen, Gleitschirmfliegen, Tourenski, das mache ich alles nicht mehr.

Nun zu Villingen-Schwenningen: Was reizt Sie an Ihrer neuen Aufgabe?

Ich habe mir die Bewerbung lange überlegt, aber es sind schon andere Perspektiven. In Villingen-Schwenningen bin ich als Stadtkommandant auch Amtsleiter, ich habe nur den Oberbürgermeister über mir. Das kann man freier und schneller agieren, anders mit Finanzmitteln umgehen. In Horb ist das nicht so.

Was genau ist da Ihr Job?

Villingen-Schwenningen hat bei 85000 Einwohnern zehn Feuerwehrabteilungen mit 650 Ehrenamtlichen. Die Feuerwehr fährt das Dreifache an Einsätzen wie Horb. Hinzu kommt der Zivilschutz-Bereich mit Notfall- und Evakuierungsplänen für die Bevölkerung bei Unwetter, Stromausfällen und dergleichen. Es ist auf jeden Fall ein großes Aufgabenspektrum.

Sie bleiben aber in Horb-Talheim wohnen …

Ja, das war meine Bedingung und die meiner Freundin. Als Fachbereichsleiter muss ich auch nicht zu jedem Einsatz. Klar, bei größeren Vorfällen bin ich aber natürlich vor Ort.

Noch eine letzte Frage: Sind Sie am Grill der bevorzugte Grillmeister, oder haben die anderen eher Angst, dass Sie gleich löschen?

Bin schon eher der Grillmeister, aber natürlich auf Sicherheit bedacht. Bei Sonnenwendfeiern hab ich aber schon gesagt: Ich gehe jetzt, sonst muss ich einschreiten.

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Erstellt:
17.08.2019, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 4min 24sec
zuletzt aktualisiert: 17.08.2019, 01:00 Uhr

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