Medizin

Der Schleuser in den Zellkern

Tübinger Forscher entschlüsseln einen wichtigen Signalweg bei Hirnerkrankungen.

20.03.2018

Von ST

Degenerative Erkrankungen des Gehirns (wie Alzheimer oder Parkinson) stellen angesichts einer alternden Bevölkerung weltweit ein wachsendes Problem dar. Wissenschaftlern des Instituts für Medizinische Genetik und Angewandte Genomik der Eberhard-Karls-Universität Tübingen ist es gelungen, bei einer speziellen erblichen Hirnerkrankung einen entscheidenden Signalweg der Krankheit zu identifizieren. Die Ergebnisse der Tübinger Forscher sind zuletzt in der renommierten Fachzeitschrift „Proceedings of the National Academy of Science U.S.A.“ (PNAS) veröffentlicht worden. Das Tübinger Institut mit über 120 Mitarbeitern ist europaweit führend auf dem Gebiet der Humangenetik.

Eine Gehirnzelle ist typischerweise in unterschiedliche zelluläre Bereiche unterteilt, unter anderem den Zellkern. Dort befindet sich einerseits das menschliche Erbgut. Andererseits bilden sich bei bestimmten Hirnerkrankungen im Zellkern charakteristische Eiweißklumpen. In Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern aus Berlin, Lübeck und Paris konnten die Tübinger Forscher nun nachweisen, dass bei der untersuchten Hirnerkrankung, einer erblichen Ataxie – also einer Störung der Bewegungskoordination –, ein krankhaft verändertes Eiweiß nur in dem Fall zur Krankheit führt, wenn es in den Kern der Zelle gelangt: Wird es nicht in den Kern gebracht, bleibt es harmlos.

In der Zelle gibt es spezifische Transporter, die das Befördern von „Fracht“ zwischen den Zellbereichen koordinieren und so auch für den „Import“ in den Zellkern verantwortlich sind. In umfangreichen Studien konnten die Tübinger Wissenschaftler genau den Transporter identifizieren, der das krankmachende Eiweiß in den Kern einschleust. Durch das gezielte Ausschalten des Transporters konnte die Ausbildung der Eiweißklumpen und das Auftreten der Erkrankung verhindert werden. Die Forscher machten sich spezielle Maus- und Fliegenmodelle zunutze.

Dr. Thorsten Schmidt vom Institut für Medizinische Genetik und Angewandte Genomik und federführender Wissenschaftler der Studie sagte: „Für unsere Arbeit stellen diese Ergebnisse einen entscheidenden Durchbruch dar“. Die Ergebnisse zeigten, „an welcher Stelle wir ansetzen können, um endlich eine Therapie der Erkrankung zu entwickeln“. Für Prof. Olaf Rieß, Ärztlicher Direktor des Instituts, bieten sie Anlass zur Hoffnung, dass sie auch in der Erforschung von weitaus häufigeren Krankheiten wie Alzheimer oder Parkinson einfließen können.

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20.03.2018, 20:00 Uhr
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zuletzt aktualisiert: 20.03.2018, 20:00 Uhr

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