Wirtschaft

Deutschland ist nicht mehr in den Top 50

Homag-Vorstand Dr. Sergej Schwarz und die Grünen-Bundestagsabgeordnete Dr. Sandra Detzer stellten sich öffentlich den Fragen der Grünen Jugend im Kreis Freudenstadt.

09.02.2024

Von NC

Von links: Anna-Lena Asprion, Dr. Sergej Schwarz, Dr. Sandra Dezter und Thomas Schmidtlein. Privatbild

Von links: Anna-Lena Asprion, Dr. Sergej Schwarz, Dr. Sandra Dezter und Thomas Schmidtlein. Privatbild

Die Grüne Jugend im Kreis Freudenstadt hatte am Montag zu einem Diskussionsabend unter dem Motto „Wirtschaft in der Region“ eingeladen. Darüber informiert die Partei in einer Pressemitteilung. Die Bundestagsabgeordnete und wirtschaftspolitische Sprecherin der Grüne, Dr. Sandra Detzer und das Vorstandsmitglied der Homag-Gruppe Dr. Sergej Schwarz stellten sich den Fragender jungen Parteimitglieder Anna-Lena Asprion und Thomas Schmidtlein.

Zuwanderung erleichtern

Zur Frage, was Politik für die Wirtschaft tun könne, hatte Schwarz gleich ein ganzes Bündel an Vorschlägen parat. Dazu gehöre, die Überregulierung in der Bürokratie endlich zu reduzieren, die Zuwanderung von Fachkräften zu erleichtern und die Sicherung von Ressourcen. Er kenne gut ausgebildete Fachkräfte, die nicht in Deutschland arbeiten können, weil ihre Abschlüsse nicht anerkannt werden oder ihr Aufenthaltsstatus ungeklärt sei. Detzer ergänzte: „In Deutschland neigen wir dazu, alles, was hier nicht gelernt wurde, als weniger wert anzusehen – eine Haltung, die sich das Land schon lange nicht mehr leisten kann“.

Deutschland verfüge nicht über Rohstoff-Ressourcen, dafür aber über jede Menge gute und kluge Köpfe, sagte Schwarz. Anna-Lena Asprion hielt dem das omnipräsente Thema „Fachkräftemangel“ entgegen. Schwarz konterte, die Homag habe bisher keine Probleme, Ausbildungsstellen zu besetzen. „Arbeit muss spannend sein, muss Spaß und Freude machen, auch gut bezahlt sein, es muss Leidenschaft da sein“, stellt er fest. Sein Unternehmen versuche, Mitarbeitenden flexible Arbeitszeiten zu ermöglichen, die sich an die jeweilige Lebenssituation anpassen lassen. Während der Erziehung der Kinder kann die Arbeitszeit reduziert werden, müssen später Immobilienkredite abbezahlt werden, kann sie erhöht werden, bei der Pflege der Eltern dagegen wieder verringert werden.

Auch Detzer hält eine gute Ausbildung für unersetzlich: „Die betriebliche Ausbildung braucht wieder mehr Anerkennung in Deutschland, sie soll als gleichwertig zu einem Studium gelten.“ Der Ausbildungsmarkt lebe auch von Mundpropaganda, das müssen die Betriebe nutzen“, sagte sie. Sie möchte auch das Potenzial arbeitswilliger Frauen aktivieren, viele wollten gerne aus der Teilzeit zurück in Vollzeit.

Detzer bemängelte ebenfalls die hohen Hürden für zugewanderte Fachkräfte im Land, dabei habe der „war for talents“ schon lange begonnen. Und Deutschland habe dabei nicht die besten Karten. Schwarz ergänzte, Deutschland rangiere nicht einmal mehr unter den 50 beliebtesten Einwanderungsländern.

„Dexit“ würde das Land runieren

Dabei spielten auch die ausländerfeindlichen Entwicklungen im Land eine Rolle. Schwarz sagte: „Ich habe einen Migrationshintergrund. Ich bin immer freundlich und offen in diesem Land aufgenommen und behandelt worden.“ Als die schönfärberisch „Remigration“ genannten Deportationspläne der AfD bekannt wurden, habe ihn sein 12-jähriger Sohn gefragt: „Papa, wo müssen wir dann hin?“ Er selbst sei Russe, seine Frau komme aus der Ukraine – er konnte seinem Sohn keine Antwort geben. Das Publikum zeigte sich von dieser Schilderung betroffen.

„Der ‚Dexit‘ in den Fantasien von Alice Weidel würde Deutschland ruinieren“, ist Schwarz überzeugt. Detzer ergänzte: „Im Bereich des Dehoga haben 40 Prozent der Beschäftigten einen Migrationshintergrund. Die Branche würde ohne sie zusammenbrechen.“

Schmidtlein fragte nach der künftigen strategischen Ausrichtung der Homag, nachdem die Firma Weinmann ins Firmenportfolio aufgenommen wurde. Schwarz bestätigte, dass damit der Einstieg in den Bau von Holzhäusern forciert werden solle, worin die Gruppe einen starken Wachstumszweig vermutet. Detzer sieht darin Chancen, dem Mangel an bezahlbarem Wohnraum abzuhelfen.

Zu den Problemen energieintensiver Branchen erklärte Detzer, dass „Wirtschaften in planetaren Grenzen erforderlich ist“. So müsse besonders die Chemieindustrie weg von der erdölbasierten Produktion. Ein Weg, den zum Beispiel der Chemieriese BASF bereits erfolgreich gehe, indem auf Wasserstoff umgestellt werde. Homag erzeuge mit Solarmodulen einen wesentlichen Teil seiner benötigten Energie selbst, häufig könne man sogar Strom verkaufen.

Zu Schmidtleins Frage, ob „wir in Länder mit fragwürdiger Moral exportieren sollen“, sagte Schwarz: „Deutschland ist eine Exportnation, wir können nicht nur mit Demokratien arbeiten.“ Detzer verwies auf das Lieferkettengesetz der EU, „das ist so wichtig für einen fairen Wettbewerb und nachhaltiges Handeln“. Deutschland hat das Gesetz gerade, es liegt vorerst auf Eis – der FDP sei es zu bürokratisch.

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Erstellt:
09.02.2024, 14:34 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 03sec
zuletzt aktualisiert: 09.02.2024, 14:34 Uhr

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