Baisingen Eutingen · Raumplanung

Die Straßen-Anbindung gibt es schon

Auf dem alten „Flugfeld“ direkt neben dem DHL-Paketzentrum wollen Rottenburg und Eutingen ein „interkommunales Gewerbegebiet“ entwickeln. Schon hat sich ein „Aktionsbündnis“ gegründet.

13.08.2020

Von Michael Hahn

Der Blick von der B28-Ausfahrt im Süden auf das Eutinger „Flugfeld“: Der eigentliche Landeplatz vorne wird womöglich unbebaut bleiben. Doch hinter dem Gebüsch könnten Fabrikhallen oder Lagerhäuser entstehen. Ganz hinten ragen die DHL-Büros heraus. Bilder: Michael Hahn

Der Blick von der B 28-Ausfahrt im Süden auf das Eutinger „Flugfeld“: Der eigentliche Landeplatz vorne wird womöglich unbebaut bleiben. Doch hinter dem Gebüsch könnten Fabrikhallen oder Lagerhäuser entstehen. Ganz hinten ragen die DHL-Büros heraus. Bilder: Michael Hahn

Die Aussicht ist fantastisch. Vom neu aufgeschütteten riesigen Erdwall neben dem Eutinger DHL-Frachtzentrum hat man einen weiten Blick über die Hochebene des Oberen Gäu. Im Norden und Osten grüßen die Kirchtürme von Baisingen und Ergenzingen, am Südhorizont erstreckt sich der gesamte Albtrauf von Hohenneuffen bis zum Klippeneck.

Aber es ist nicht das spektakuläre Rundum-Panorama, das in den Rathäusern von Rottenburg und Eutingen Begehrlichkeiten weckt. Sondern die gute Verkehrsanbindung an die B 28 (früher: B 14). Auch der Eutinger (Güter-) Bahnhof ist nicht weit.

Direkt an der Bundesstraße wollen die Stadt Rottenburg und die Gemeinde Eutingen etwa 60 Hektar für ein „Interkommunales Gewerbegebiet“ reservieren lassen. Die Grundstücke gehören bereits den beiden Kommunen. Sie gelten bisher als „Vorranggebiete“ für Grünflächen und Landwirtschaft – dürfen also nicht bebaut werden.

Das Areal ist derzeit an zwei Flugsportvereine und an örtliche Landwirte verpachtet. Daran wird sich in den kommenden (mindestens) fünf Jahren auch nichts ändern. Aber die beiden Kommunen haben jetzt die notwendigen Plan-Änderungen eingefädelt – damit die 60 Hektar in vielleicht zehn Jahren auch tatsächlich bebaut werden können.

Einspruchsfrist bis 18. September

In diesen Wochen liegt der Ball beim Regionalverband Neckar-Alb in Mössingen. Seit Ende Juli und noch bis zum 18. September läuft dort die „Öffentlichkeitsbeteiligung im Rahmen der 5. Änderung des Regionalplans Neckar-Alb 2013“. Die Unterlagen, fast 200 Seiten, liegen bei der Regionalverbands-Geschäftsstelle und im Tübinger Landratsamt zur Einsicht aus. Allerdings beziehen sich nur vier Seiten auf das Baisinger Flugfeld. Sie stehen auch im Internet unter www.rvna.de.

Auf Wunsch der Stadt Rottenburg schlägt der Regionalverband vor, die 40 Hektar „Vorrang“-Gebiet auf Rottenburger Gemarkung in ein „Vorbehalts“-Gebiet umzuwandeln. Das würde bedeuten: Die absolute Bau-Sperre wäre aufgehoben. Gleichzeitig werden bei Ergenzingen zwei andere Flächen naturschutzmäßig aufgewertet und dürfen damit nicht mehr bebaut werden – sozusagen im Tausch gegen das „Flugfeld“. Gegen diese Planänderungen kann nun jede/r Interessierte Einwände erheben – bis zum 18. September.

Auch für die 20 Hektar auf Eutinger Gemarkung ist die Plan-Änderung angestoßen. Allerdings ist der dort zuständige Regionalverband Nordschwarzwald (mit Sitz in Pforzheim) noch nicht so weit. Sein Regionalplan ist schon mehr als 15 Jahre alt und soll nun ohnehin komplett „fortgeschrieben“ werden. Das braucht mehr Zeit.

Nordschwarzwald-Verbandsdirektor Matthias Proske rechnet damit, dass dort die Öffentlichkeitsbeteiligung erst im kommenden Frühjahr beginnen wird. Auch auf Eutinger Gemarkung wird es darum gehen, ob das absolute Bauverbot aufgehoben wird („Vorbehalt“ statt „Vorrang“ für Grünflächen). Bürgermeister Armin Jöchle will seinem Gemeinderat im September den aktuellen Sachstand vorstellen. Das Gremium könnte dann eine Stellungnahme an den benachbarten Regionalverband abgeben.

Der Nabu ist nebenan

Die insgesamt 60 Hektar sind praktisch topfeben. Deswegen war hier früher ein Militärflugplatz mit Tanklager. Dessen Fläche wird heute landwirtschaftlich genutzt (vor allem Getreide und Mais). Auf etwa fünf Hektar betreibt der Eutinger Nabu ein Naturschutzzentrum mit Info-Häuschen, Vogel-Biotopen und Ziegenweide.

Die heutige Landebahn (eine kurz gemähte Rasenfläche) liegt etwas weiter südlich als die alte Militär-Landebahn. Die heutige Landebahn würde voraussichtlich als solche erhalten bleiben, erklärt der Rottenburger Baubürgermeister Thomas Weigel. Nur der nördliche Bereich würde als Gewerbegebiet erschlossen.

Direkt nebenan befindet sich seit 25 Jahren ein Frachtzentrum der DHL. Früher stand es als weithin sichtbarer (und nachts grell beleuchteter) Koloss frei in der Landschaft. Mittlerweile ist das Frachtzentrum hinter dichten Baumreihen im Westen und Süden und hinter dem neuen Erdwall im Osten kaum noch zu sehen. Derzeit erweitert die DHL das Gelände um etwa zwei Hektar. Das soll das Rangieren der LKWs erleichtern und die Infrastruktur für die Fahrer verbessern.

Anschluss ans Frachtzentrum

Das Frachtzentrum bildet eine auch Art Anker, an den ein Gewerbegebiet Flugfeld andocken könnte. Denn neue Gewerbegebiete auf der Grünen Wiese sind nicht erwünscht. Um die Zersiedelung der Landschaft zu verringern, schreibt die Regionalplanung die „Anbindung“ an eine bestehende Bebauung vor.

Eine solche Anbindung wäre auch weiter südlich möglich. Auf der anderen Seite der B 28/B 14 befindet sich bereits das Eutinger Gewerbegebiet „Hummelberg“ am dortigen Bahnhof. Allerdings liegt es an einem Abhang. Das habe die Vermarktung der Gewerbe-Bauplätze doch ziemlich erschwert, sagt Bürgermeister Jöchle.

Auf Rottenburger Seite allerdings fehlt eine derartige Andock-Möglichkeit. Das Flugfeld-Areal grenzt im Osten an die L 360 (Eutingen-Baisingen) und im Norden an den Sandegraben („Göttelfinger Tal“) – da ist weit und breit keine Bebauung, sondern nur Landwirtschaft. Um eine bauliche „Anbindung“ des Gewerbegebiets herzustellen, ist Rottenburg daher auf eine „interkommunale“ Zusammenarbeit mit Eutingen angewiesen.

Fingerzeig vom Regionalverband?

Noch gar nicht besprochen, sagen die Bürgermeister Weigel (Rottenburg) und Jöchle (Eutingen) übereinstimmend, ist die Form, in der diese Zusammenarbeit einmal ablaufen soll. Denkbar sei sowohl, dass jede Kommune ihren eigenen Teil plant und bewirtschaftet, als auch die Gründung eines Zweckverbands, der dann die weitere Planung, die Erschließung und die Vermarktung für beide Kommunen gemeinsam tätigen würde.

Sobald die zwei Regionalversammlungen die Plan-Änderungen beschlossen haben (und sogar noch vor der förmlichen Genehmigung durch das Landes-Wirtschaftsministerium), können die kommunalen Bauverwaltungen weiter machen. Sie müssen die örtlichen Flächennutzungspläne entsprechend überarbeiten und Bebauungspläne aufstellen. Dazu sind eine Vielzahl von neuen Gutachten erforderlich, unter anderem zur Umweltverträglichkeit. Das wird einen Haufen Geld kosten.

Der Eutinger Bürgermeister erhofft sich daher auch eine Art Fingerzeig vom Regionalverband. Bei der jetzt anstehenden Anhörung der Fachbehörden „wird man raushören, ob es irgendwelche K.O.-Kriterien gibt“, sagt Jöchle.

Rottenburger Strategie

Die Stadt Rottenburg hat ihren Teil des Flugfeldes schon vor vielen Jahren gekauft – für ein mögliches Gewerbegebiet. Nach den heutigen Bodenrichtwerten sind die 40 Hektar landwirtschaftliches Gebiet dort gut 1,2 Millionen Euro wert. Bei einem Gewerbegebiet würde sich der Wert vervielfachen.

Seither hat man die Verkehrsanbindung systematisch verbessert, sagt Baubürgermeister Weigel. Die B 28/B 14 führt mittlerweile außen um Ergenzingen herum, eine neue Querspange führt nach Mötzingen/Nagold hinüber. „Das waren alles Maßnahmen, um die Erschließungsqualität für den Standort Flugfeld herzustellen“, sagt Weigel. Insofern werde mit der jetzt anstehenden Regionalplan-Änderung nur die bisherige Beschlusslage der Gremien nachvollzogen.

Zuletzt hatte der Rottenburger Gemeinderat im März 2018 seine „Gewerbeflächen-Strategie“ beschlossen. Auch darin war das „Flugfeld“ favorisiert, auch als Entlastung für das Gewerbegebiet Ergenzingen-Ost. Ganz oben auf der Liste stand damals jedoch der Kiebinger „Herdweg“ als neues „kernstadt-nahes“ und eher kleinteiliges Gewerbegebiet. Diese Pläne wurden jedoch durch einen Bürgerentscheid gekippt. Als „kernstadt-naher“ Ersatz ist seither das „Obere Feld“ an der B 28 nördlich von Rottenburg im Gespräch.

Auch Eutingen hat bereits einen Bürgerentscheid erlebt. 2015 kippte eine klare Mehrheit den Bau eines Verlade-Terminals am Eutinger Bahnhof (also gleich neben dem „Flugfeld“). Das Hauptargument damals war der zusätzliche LKW-Verkehr auf der Eutinger Ortsdurchfahrt. Insofern ist Bürgermeister Jöchle ein gebranntes Kind. Er will im September seinem Gemeinderat auftragen, erstmal die Stimmung in der Bevölkerung auszuloten, sagte er am Telefon.

Die Gegner wappnen sich

Auch beim „Flugfeld“ scharren die Gegner schon mit den Hufen. Mit Beteiligung des Nabu hat sich ein „Aktionsbündnis“ gegründet. Dort ist auch die Ergenzingerin Marlene Fischer aktiv. Als die SÜDWEST PRESSE anruft, trifft sich die Runde gerade in Fischers Wohnzimmer, um die nächsten Aktivitäten zu besprechen.

Im Ergenzinger Ortschaftsrat bereiten Renate Holzmann und Cornelia Ziegler-Wegner (beide BfE) eine Stellungnahme für den Regionalverband vor, die sie im September gemeinsam mit der CDU/UB verabschieden wollen. Schon vor zwei Jahren hatte der Ergenzinger Ortschaftsrat Bedenken gegen eine Bebauung des „Flugfelds“ angemeldet. Unter anderem fürchtete das Gremium, dass dadurch die Frischluft-Zufuhr für Ergenzingen beeinträchtigt werden könnte. Der Baisinger Ortschaftsrat dagegen hat wiederholt für eine Bebauung des „Flugfelds“ gestimmt.

Vor einigen Tagen haben sich Holzmann und ihre Mitstreiterinnen vom Landwirt (und Rottenburger FaiR-Stadtrat) Erwin Raible über das Flugfeld führen lassen. Dabei sei es auch um eine etwaige Überschwemmungsgefahr (bei Starkregen) gegangen, wenn oberhalb von Ergenzingen weitere Flächen versiegelt werden.

Der Blick von Osten: Der Rottenburger Teil des ehemaligen Militärflugplatzes wird heute landwirtschaftlich genutzt.

Der Blick von Osten: Der Rottenburger Teil des ehemaligen Militärflugplatzes wird heute landwirtschaftlich genutzt.

Die Kreisgrenze Tübingen-Freudenstadt ist zugleich die Grenze zwischen Rottenburg und Eutingen sowie die Grenze zwischen zwei Regionen und zwei Regierungsbezirken. Sie verläuft auch mitten durch das geplante Gewerbegebiet. Das macht die Planung nicht einfacher.

Die Kreisgrenze Tübingen-Freudenstadt ist zugleich die Grenze zwischen Rottenburg und Eutingen sowie die Grenze zwischen zwei Regionen und zwei Regierungsbezirken. Sie verläuft auch mitten durch das geplante Gewerbegebiet. Das macht die Planung nicht einfacher.

Braucht man überhaupt noch neue Gewerbegebiete?

Corona-Krise, Automobil-Krise: Derzeit kann niemand vorhersagen, wie sich die hiesige Wirtschaft in den kommenden Jahren entwickeln wird – und damit auch der Flächenbedarf. Auf absehbare Zeit rechnen die Planer mit wenig neuen Ansiedlungen. Möglicherweise werden auch bereits gebaute Hallen und Bürogebäude frei, weil Firmen pleite gehen.

Andererseits könnten die jüngsten Erfahrungen mit unterbrochenen Lieferketten auch dazu führen, dass Produktionen aus dem Ausland wieder in die Region zurück geholt werden, sagt der Rottenburger Baubürgermeister Weigel. Deswegen sei die Stadt verpflichtet, vorausschauend zu planen und Gewerbeflächen vorzuhalten.

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Erstellt:
13.08.2020, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 5min 17sec
zuletzt aktualisiert: 13.08.2020, 01:00 Uhr

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