Leichtathletik

Die eigene Grenze überwinden

Der Europameister fährt nicht zur WM: Arthur Abele hat ein anderes Ziel. Der Ulmer Zehnkämpfer richtet seinen Fokus auf Olympia 2020.

14.09.2019

Von Nadine Vogt

Arthur Abele und Leichtathletik-Trainer Wolfgang Beck beim Stabhochsprung-Meeting am Ulmer Münster. Foto: Lars Schwerdtfeger

Arthur Abele und Leichtathletik-Trainer Wolfgang Beck beim Stabhochsprung-Meeting am Ulmer Münster. Foto: Lars Schwerdtfeger

Wenn er in Ulm unterwegs ist, wird er nur ab und an erkannt. Durch die Fußgängerzone bummelt dann kein Europameister, sondern ein junger, sportlicher Typ. Dabei ist Arthur Abele ein König der Athleten. Ein Zehnkämpfer, dessen persönliche Bestleistung bei 8605 Punkten liegt. In und abseits der Leichtathletik-Szene schätzt man ihn. Den 33-Jährigen, der von der Ostalb kommt und für den SSV Ulm 1846 startet.

Auf dem Münsterplatz ist an diesem Nachmittag viel los, beim Stabhochsprung-Meeting mit internationalen Spitzensportler. Arthur Abele steht etwas abseits, gibt Kindern und Jugendlichen Autogramme. „Wer ist denn euer Trainer?“, fragt er zwei Nachwuchs-Mehrkämpfer von der TSG Schnaitheim. Der weiße Schriftzug auf ihren roten Trainingsjacken verrät, von wo sie kommen. Ein lockeres Gespräch, zum Abschied wünscht er den beiden viel Erfolg. Arthur Abele ist an diesem Tag nicht in der Rolle des Athleten, er ist Zuschauer und Experte, ein Sportsfreund. Der sich Zeit nimmt für seine Fans – und viel lacht.

Abeles persönlicher „Tag x“

Vor einem Jahr wurde er in Berlin Europameister. Es war seit langem die erste Medaille im Zehnkampf, ein Triumph im Olympiastadion, vor heimischem Publikum. Die Hauptstadt war danach zugepflastert. Abeles Gesicht war auf großen Plakaten zu sehen, auf den Titelseiten der Zeitungen war das Foto des jubelnden „King Arthur“ abgebildet. Mit selbstgebastelter Krone auf dem Kopf, Deutschlandflagge in den Händen. „Ich habe mich wie ein Promi gefühlt“, sagt Abele. Die Menschenmassen waren da, sobald er aus dem Taxi gestiegen ist. Der Hype um seine Person – und seine Geschichte waren riesig. „Ich glaube, die Leute haben gemerkt: Dem kann man das ganz gut gönnen“, sagt er. Tränen sind geflossen – der Moment des Sieges authentisch und der Ausnahmeathlet sehr nahbar.

In seiner Karriere hatte Arthur Abele immer wieder mit Rückschlägen zu kämpfen. Ein Achillessehnenriss, Hüft- und Knieprobleme, mehrere Bänderrisse, ein Ermüdungsbruch. „Ich habe es einfach nicht geschafft, zum Höhepunkt performen zu können“, sagt er. Bis zum 8. August 2018, seinem persönlichen „Tag x“.

Der ist nun über ein Jahr her. „Nach Berlin wurden bei mir physisch, aber vor allem psychisch viele Kräfte freigesetzt“, sagt der Sportsoldat, der sich selbst als bodenständigen Typ bezeichnet. Aufgewachsen ist Arthur Abele auf der Ostalb, in Hofen, einem 2000 Einwohner großen Ortsteil von Aalen. Handball, Tischtennis, Geräteturnen, Fußball – als Kind hat er viele Sportarten ausprobiert. „Ich war einfach nicht kaputt zu kriegen“, erinnert er sich. Sein Vater nahm ihn mit zum Leichtathletik-Training im Nachbarort. Der TSV Hüttlingen war sein erster Verein. Neben dem Spaß am Sport stellten sich schnell die Erfolge ein. Als Kind habe er damit wenig anfangen können, sagt Abele. Als Jugendlicher sei ihm bewusst geworden, wie gut er unterwegs ist – und wohin es noch gehen kann. „Etwa zu dieser Zeit begann ich von Olympia zu träumen.“

Seit vier Wochen ist Arthur Abele in der Vorbereitung auf die kommenden olympischen Spiele in Tokio. Die Ende September anstehende Weltmeisterschaft in Katar hat er abgesagt. Nach einem guten Trainingswinter zog er sich im Frühjahr beim Weitsprung eine Kapselverletzung im Fuß zu. Das Ödem im Sprunggelenk verschleppte er – wieder ein Rückschlag. „Vier bis fünf Wochen vor Ratingen, haben wir gemerkt, dass es nicht reicht“, sagt Abele. Der für seinen großen Traum kein Risiko mehr eingeht.

Seinen Fokus kann der Ulmer Zehnkämpfer nun komplett auf Olympia richten. Durch die wegfallende WM-Belastung hat er mehr Zeit für die Vorbereitung. Dass dieses Jahr aus sportlicher Sicht eher unspektakulär ablief, kann Abele aber gut verschmerzen. Vergangene Woche hat er seine Susann geheiratet: „Das ist für die Ewigkeit, der Sport ist vergänglich.“

Dennoch, für Tokio 2020 hat er sich noch einmal viel vorgenommen. Großes Potenzial sieht der 33-Jährige in den Wurfdisziplinen. „Da wird man im Alter immer besser“, sagt er und lacht, „während im Sprint nicht mehr viel passieren wird.“ Bei 10,67 Sekunden liegt seine Bestzeit über 100 Meter.

Abele ist einer, der genau weiß was er will. Der sich immer wieder motiviert. Willensstärke zeigt, wie bei seinem EM-Auftritt. Nach seiner Motivation gefragt, muss er nicht lange überlegen. Die eigenen Grenzen auszuloten und immer wieder zu überwinden – das sei sein Anreiz. Und wenn das mit der Medaille bei Olympia klappt, sagt er: „Dann kann ich auch aufhören.“

Mit 8431 Punkten zum Europameister-Titel

Der Jubel war riesig: Abele wurde 2018 in Berlin Europameister. ?Foto: Tobias Schwarz/afp

Der Jubel war riesig: Abele wurde 2018 in Berlin Europameister. ?Foto: Tobias Schwarz/afp

Erfolge Der Europameistertitel 2018 war für Zehnkämpfer Arthur Abele, der in Mutlangen (Ostalbkreis) geboren ist und für den SSV Ulm 1846 startet, sein bisher größter Erfolg. Mit 8431 Punkten holte er sich in Berlin den Titel. Zehnkampf Dazu gehören der 100 und 400 m Sprint, der 1500 m Lauf, Weitsprung, Kugelstoßen, Hochsprung, Stabhochsprung, Diskus, Speerwurf und 110 Meter Hürden.

WM Vom 27. September bis 6. Oktober findet die Leichtathletik-WM in Doha (Katar) statt. ?dine

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14.09.2019, 06:00 Uhr
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zuletzt aktualisiert: 14.09.2019, 06:00 Uhr

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