Empfingen · Brauchtum

Ein Schultes im Stroh – und am Boden

SÜDWEST PRESSE-Autor Luis Schneiderhan erlebte hautnah, wie sich einige Empfinger für den Fasnetsumzug in Strohungetüme verwandeln – Bürgermeister Ferdinand Truffner ließ sich erstmals einen Bären aufbinden.

25.02.2020

Von Luis Schneiderhan

Ein Schultes im Stroh – und am Boden

Mit lautem Gebrüll gehen die zwei Kreaturen aufeinander los. Ihre riesigen Pranken schlagen aufeinander ein. Immer wieder plustern sie sich auf und rennen mit ihren massiven Oberkörpern gegeneinander. Es kann nur einen Sieger geben. Durch einen letzten Schlag seines Kontrahenten verliert der Bär das Gleichgewicht und fällt zu Boden. Mit Siegesgebrüll lässt sich der Andere auf ihn fallen. Das Publikum? Amüsiert sich prächtig. Am Sonntag um 9 Uhr stehe ich auf der Matte. Meine Mission: Bürgermeister Ferdinand Truffner bei der Verwandlung zum Bären beobachten.

Tatort: Tanzplatz in Empfingen, vor einer alten Scheune. Da steppt der Bär: Mehr als 20 Helfer sind vor Ort und sorgen für gute Stimmung. Begrüßt werde ich von einem lächelnden Bürgermeister, der schon bis zu den Knien mit Stroh eingebunden ist. Auf Nachfrage sagt er mir, es gehe ihm noch gut, das Stroh sei „angenehm warm“.

Hinter ihm liegt die Scheune, in der das Stroh lagert. Helfer nehmen und drehen es zu langen Schlangen. Mit Bindegarn und spezieller Knotentechnik wird jemandem dann der Bär aufgebunden. Franz Hellstern, der Hauptorganisator, ist schon seit 43 Jahren dabei, zusammen mit Werner Baiker, der heute aber leider krank ist. Hellstern weiß noch, wie es damals war. Bis zu 17 Strohbären hat man da eingebunden. Nicht am Sonntag, sondern am Rosenmontag und Fasnetsdienstag sei man da mitgelaufen. Das Stroh ist Erbsenstroh, eine besondere Sorte und nicht so glatt wie andere, damit es besser haftet und auch abfedert. Schließlich laufen die Bären nicht nur, sondern liefern sich Kämpfe oder wälzen sich auch gerne auf dem Boden. Eine weitere Besonderheit: Die Zunft baut das Stroh selbst an. Im Frühjahr holt Hellstern die Samen und gibt sie an die Bauern, im Sommer wird es geerntet, auf Holzgestellen getrocknet und in der Scheune gelagert. Das Trockengewicht eines Bären kann bis zu 35 Kilogramm betragen.

Warum tut man sich das an, frage ich Bürgermeister Truffner: „I han a bleede gosch g’hett.“ Er hatte keine Lust mehr auf sein altes Kostüm und hat bei den Osterbachmännle nachgefragt. Da ging´s aber nicht. Der Strohbär war als einziges übrig. „Dann mach ich halt des, hab ich dann gesagt.“ Und er hat sein Wort gehalten. Mittlerweile ist er bis zum Hals mit Stroh bedeckt. Seine Arme sind auf große Stöcke gestützt.

Bereuen tut er es nicht, sagt er zumindest tapfer. Seine Treiberin Julia Mattenschlager, also die, die ihn während des Umzugs an der Leine halten darf, freut sich über die Aufgabe: „Das ist schick, weil sonst ist er eigentlich mein Chef“, sagt sie. Sie arbeitet im Kindergarten in Empfingen. Da sich Truffner allerdings nicht mehr so gut bewegen kann, versorgt sie ihn liebevoll mit Bier und kratzt ihn auch an der Nase, wenn es sein muss. Das mit dem Biertrinken und dem Toilettengang ist für Truffner übrigens kein Problem: „Ich bin Musiker, ich bin des gewöhnt.“ Ein anderer Bär rät da eher zu Schnaps, weil der eher in den Kopf steigt und nicht so die Blase füllt. Und wenn man vom Teufel spricht – da kommt ein Korb voller Selbstgebranntem, der tüchtig an alle ausgeteilt wird.

Dienst ist Dienst,


Schnaps ist Schnaps

Ich bin im Dienst und greife daher lieber zum Strohbärentee – kein Witz – den gibt es wirklich. Ein kleiner Gag, zusammen mit einem Teehersteller aus der Region erdacht, sagt Hellstern, der mir eine Packung schenkt. Der Bürgermeister hat nun eine schwarze Haube aufbekommen. Bis der Kopf draufkommt, wartet man allerdings noch bis kurz vor dem Umzug. Doch dann passiert es: Man kann gar nicht schnell genug schauen, da liegt Truffner am Boden. Unternehmer und Gemeinderat Uwe Gfrörer sitzt auf ihm und hat mächtig Spaß, genauso wie die anderen Helfer.
Ein Schultes im Stroh – und am Boden
Ein Schultes im Stroh – und am Boden
Ein Schultes im Stroh – und am Boden

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Erstellt:
25.02.2020, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 59sec
zuletzt aktualisiert: 25.02.2020, 01:00 Uhr

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