Eine Stunde in einer guten Beziehung

Der Arbeitskreis „Begleitung stressbelasteter Kinder im Landkreis Freudenstadt“ möchte Kinder in schwierigen Lebensumständen dabei unterstützen, ihre Resilienz zu stärken. Deshalb startete er im Februar dieses Jahres in einer Gemeinschaftsunterkunft in Waldachtal mit einem ersten Kurs „Begleitetes Sandspiel“. Zehn Ehrenamtliche wirken mit, Verstärkung ist erwünscht.

Das Erfahren wertschätzender und stabiler Beziehungen ist eine zentrale Voraussetzung für die Fähigkeit, herausfordernde Lebenssituationen bewältigen zu können, heißt es in der Pressemitteilung. Diese Erkenntnis liegt dem Projekt „Stressbewältigung durch begleitetes Sandspiel“ zugrunde. Jürgen Widmaier, Monika Kimmerle und Regina Kugler lernten es bei einer Veranstaltung mit dem Calwer Arzt für Psychotherapeutische Medizin und Psychoanalyse Dr. Rolf Johnen kennen.

Ehrenamtliche Helferinnen und Helfer werden in der Methode des begleiteten Sandspiels geschult, um, angeleitet durch professionelles psychotherapeutisches Fachpersonal, Kinder in schwierigen Lebenssituationen zu unterstützen. Die Kinder – und auch die Ehrenamtlichen – erleben beim Sandspiel eine Stunde positiver Beziehung, in der sie Aufmerksamkeit und Anteilnahme erfahren. Die preisgekrönte Initiative „Seite an Seite“ des Calwer Vereins Stadt Land Kultur führt das Projekt seit mehreren Jahren erfolgreich im Landkreis Calw durch.

Die Idee überzeugte Kugler, Kimmerle und Widmaier so sehr, dass sie den Arbeitskreis „Begleitung stressbelasteter Kinder im Landkreis Freudenstadt“ gründeten, um das Projekt nach Freudenstadt zu bringen. „Viele Kinder erleben schwierige und traumatisierende Situationen, mit denen sie nicht fertig werden“, erläutert Widmaier. „Diesen Kindern möchte ich Zeit und Aufmerksamkeit schenken. Damit sie Erlebtes spielerisch verarbeiten und besser damit umgehen können.“ Kugler fügt hinzu: „Mir ist es ein Anliegen, Kindern, die Schweres erlebt haben, Liebe, Annahme und Wertschätzung zu geben, und das Wissen, dass sie nicht alleine sind.“ Kimmerle meint, „Kinder sind dem Krieg, der Ungerechtigkeit, dem Hunger und anderen Nöten meist hilflos ausgeliefert und tragen in so jungen Jahren oft tiefe körperliche und seelische Wunden.“ Das zu sehen schmerze. Beim begleiteten Sandspiel könne ohne Worte eine positive Veränderung erreicht oder angestoßen werden. „Das ist nicht nur ein Hoffnungszeichen für die Kinder, sondern auch für mich.“

Für die fachliche Begleitung des Arbeitskreises wurde Prof. Ulrich Giesekus gewonnen. Der Psychologe, Coach und Professor für Psychologie und Counseling an der Internationalen Hoch-schule Liebenzell lernte das begleitete Sandspiel durch eine Studentin kennen: „Sie war nicht nur begeistert und bewegt von der eigenen Erfahrung als Betreuerin, sondern hatte auch die Forschung hinter dem Projekt gründlich verfolgt.“ Da es nicht verboten sei, dass Professoren von ihren Studierenden lernen, wollte er dieses Projekt genauer kritisch prüfen und verstehen. „Ich bin von dem Konzept beeindruckt und mir wurde klar, dass wir das auch in Freudenstadt nutzen können“, sagt Giesekus. Die professionelle fachliche Begleitung des Teams übernimmt er ehrenamtlich.

Die Corona-Pandemie bremste die Initiative zunächst aus, doch vergangenen Herbst wurde die Idee mit Unterstützung der Ansprechstelle „Ehrenamt in der Integrationsarbeit“, in der Caritas Schwarzwald-Gäu, Diakonische Bezirksstelle Freudenstadt und die Integrationsbeauftragten des Landkreises vereint sind, sowie der Katholischen Erwachsenenbildung Kreis Freudenstadt wieder aufgegriffen. Der Arbeitskreis but Ende vergangenen Jahres eine Informationsveranstaltung und eine Schulung mit Arzt Johnen an, bei denen Grundwissen über Stressbelastungen und Traumata bei Kindern vermittelt und die Methode des „Begleiteten Sandspiels“ vorgestellt und eingeübt wurde.

Auf diese Weise fand sich eine Gruppe von Ehrenamtlichen, die sich in das Projekt einbringt. Seit Februar 2023 läuft der erste Sandspielkurs in einer Gemeinschaftsunterkunft für Geflüchtete in Waldachtal für eine Gruppe von zehn Kindern im Alter zwischen sechs und zwölf Jahren.