Kreis Freudenstadt · Arbeitsmarkt

Einen Weg gegangen, der zu ihr passt

Die selbständige Fotografin Liza Huber ist wegen der Corona-Pandemie weiterhin auf die Unterstützung vom Jobcenter angewiesen. Doch entmutigen lässt sie sich nicht.

28.05.2020

Von Dunja Bernhard

Peter Schuster, Reinhard Geiser, Liza Huber und Martina Lehmann (von links) vor Fotos von Liza Huber. Bild: Dunja Bernhard

Peter Schuster, Reinhard Geiser, Liza Huber und Martina Lehmann (von links) vor Fotos von Liza Huber. Bild: Dunja Bernhard

Die selbständige Fotografin Liza Huber hatte es im März 2020 fast geschafft, finanziell auf eigenen Füßen zu stehen. Die Dornstetterin dachte, sie käme künftig ohne Unterstützung vom Jobcenter aus. „Frau Finkbeiner, unsere Wege trennen sich nun“, wollte sie zu ihrer Beraterin sagen.

Doch dann kam die Corona-Pandemie nach Deutschland. Der 41-jährigen Mutter von zwei Kindern brachen die Aufträge weg. Für die Schmalz GmbH in Glatten hatte sie Fotos von Maschinen gemacht, ein Anwendervideo und die Bewerberseite auf der Homepage erstellt. Der Kontakt kam über eine Ausstellung von Naturfotos zustande. Die im Unternehmen gezeigten Fotos hatten den Verantwortlichen so gut gefallen, dass sie Huber für mehrere Aufträge buchten. „Das war ein großes Projekt, mit dem ich gestartet bin“, erzählt Huber. Doch dann wurden die Messen abgesagt, die Aufträge storniert. Huber entschloss sich, ein weiteres halbes Jahr die Hilfe vom Jobcenter anzunehmen. „Da habe ich die Sicherheit gespürt“, sagt sie.

Sie stand mit nichts da

2017 wagte die Regisseurin und Dokumentarfilmerin das erste Mal den Schritt ins Jobcenter. Nach der Scheidung von ihrem Mann, mit dem sie zuvor erfolgreich in einer eigenen Film-Produktionsfirma gearbeitet hatte, stand sie „mit nichts da“. Im Jobcenter sei sie „herzlich empfangen“ worden. Doch die Vermögensverhältnisse offen zu legen und Rede und Antwort zu stehen, war ungewohnt. „Ich habe dort Unterstützung bekommen“, berichtet sie. Ihr sei auch kein Druck gemacht worden.

Das individuelle Bewerber-Coaching habe ihr vor Augen geführt, welche Qualifikationen sie hat. Sie dachte sich: „Krass, was ich schon alles gemacht habe.“ Huber schrieb etliche Bewerbung, bekam aber keinen Job. Mit zwei Studiengängen sei sie für viele Angebote überqualifiziert gewesen. Noch heute ärgert sie, dass die Frage: „Wie regeln sie das mit den Kindern?“ vor der nach der Qualifikation kam.

Zusammen mit dem Jobcenter entschied sie sich für die Selbständigkeit. Das war im April 2019. Dass es so kam, bezeichnet sie heute als Glück. „So konnte ich den Weg gehen, der zu mir passt.“

Halbjährlich hat sie eine Einkommensvorschau gemacht. Diese ist Voraussetzung für die finanzielle Hilfe von Jobcenter beim Weg in die unabhängige Selbständigkeit. „Wir unterstützen nur tragfähige Selbständigkeit“, sagt Peter Schuster, Geschäftsführer des Jobcenters Landkreis Freudenstadt. Das Vorhaben werde darauf geprüft, ob es Aussicht auf Erfolg hat.

Neben Arbeitslosengeld II und Krankenversicherung bekommen die Unternehmensgründer ein Coaching und eine betriebswirtschaftliche Begleitung. Huber erhielt auch die nötige technische Ausstattung, um als Fotografin arbeiten zu können. „Das war professionell, aber unbürokratisch“, berichtet sie.

In Zeiten wie in der Corona-Krise komme es auf Menschen wie Liza Huber an, sagt Martina Lehmann, Geschäftsführerin der Agentur für Arbeit Nagold-Pforzheim. Sie sei kreativ und habe Kampfgeist gezeigt. Es sei eine Frage der Mentalität, wer gut durch die Krise komme. „Selbständigkeit braucht Mut und den Glauben an sich selbst.“

Gelernt mit Ängsten umzugehen

Huber berichtet: Die Erfahrung, ganz unten zu sein, habe sie gelehrt, mit Ängsten umzugehen. In der schweren Zeit habe sie auch zum Glauben an Gott gefunden. Ihr Resümee über die zurückliegenden Jahre ist: Man muss vertrauen ins Leben haben. Und: Dinge, die geschehen sollen, geschehen. Sie möchte allen Frauen Mut machen, wenn es die persönliche Situation erfordert, den Schritt zu wagen und einen „Weg ohne Versorger zu gehen“.

Das Jobcenter sei mit einem Sigma behaftet. Ebenso wie ArbeitslosengeldII-Empfänger. „Meine Erfahrungen waren durchweg positiv“, sagt Huber.

Kurzarbeit für 95 000 Arbeitnehmer angemeldet

Einmalig ist, dass im Landkreis Freudenstadt Jobcenter und Agentur für Arbeit unter einem Dach zusammenarbeiten. So kamen zu dem Pressetermin in der Dornstetter Praxis Dr.Geis neben der Fotografin und dem Ersten Landesbeamten Reinhard Geiser, der Landrat Dr. Klaus Michael Rückert vertrat, mit Martina Lehmann und Peter Schuster die Geschäftsführer von der Agentur für Arbeit und dem Jobcenter.

Lehmann berichtete, dass seit Beginn der Corona-Pandemie ein Drittel der Betriebe im Landkreis Kurzarbeit angemeldet hat. Betroffen sind über 21000 Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen. Das entspricht einer Steigerung von 37400 Prozent zum Vorjahr. „Eine unvorstellbare Situation.“

In der gesamten Region Nordschwarzwald sind 95000 Menschen von Kurzarbeit betroffen. Im März und April 2019 waren es gut 1200 Arbeitnehmer/innen.

Wenn Unternehmen Kurzarbeit anzeigen, bedeutet das nicht automatisch, dass auch so viele Beschäftigte in Kurzarbeit gehen. In der letzten Krise seien es 60 Prozent der angemeldeten Arbeitnehmer gewesen, berichtet Lehmann. Dieses Mal rechnet sie mit 80 Prozent.

Die Hälfte der Kurzarbeitsanträge ist bereits bewilligt. Kurzarbeit bedeute, die Unternehmen haben die Situation im Griff, so Lehmann. Denn die Alternative sind Entlassungen.

Die Arbeitslosigkeit im Landkreis ist gegenüber dem Vorjahr um 38 Prozent gestiegen. Die Quote liegt dennoch nur bei 3,7 Prozent.

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Erstellt:
28.05.2020, 17:59 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 23sec
zuletzt aktualisiert: 28.05.2020, 17:59 Uhr

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