Freudenstadt · Wahlkampf

Einseitiger Dialog

Führende Vertreter der AfD zeichneten in Freudenstadt ein dunkles Bild von Deutschland. Etwa 50 Demonstranten hielten dagegen.

12.10.2020

Von Benjamin Breitmaier

Der „Bürgerdialog“ war bei der AfD-Veranstaltung in Freudenstadt recht kurz: Dr. Alice Weidel (rechts) im Freudenstädter Kurhaus, flankiert von Markus Frohnmaier (links) und Martin Hess (Mitte).Bilder: Benjamin Breitmaier

Der „Bürgerdialog“ war bei der AfD-Veranstaltung in Freudenstadt recht kurz: Dr. Alice Weidel (rechts) im Freudenstädter Kurhaus, flankiert von Markus Frohnmaier (links) und Martin Hess (Mitte).Bilder: Benjamin Breitmaier

Draußen stehen die Demonstranten, junge Menschen aus Freudenstadt und der weiteren Umgebung. „Nazis nerven mehr als Wespen“ steht auf Plakaten, „Rassisten sind keine Alternative“. Die überwiegend jungen Protestler stehen wegen ihnen draußen in der Kälte: Dr. Alice Weidel, Fraktionsvorsitzende der AfD im Bundestag, ihr Sprecher Markus Frohnmaier, Bundestagsabgeordneter aus Weil der Stadt und Martin Hess, stellvertretender innenpolitischer Sprecher.

„Buh“ rufen die Demonstranten, wenn sich ein Gast der Eingangstür nähert. Es werden an diesem Abend etwa 100 Zuhörer durch den Eingang des ehrwürdigen Freudenstädter Kursaals gehen.

Unter den Protestierenden sind auch einige bekannte Gesichter: Dorothee Diehm von der IG-Metall oder Viviana Weschenmoser, die neue SPD-Landtagskandidatin. Weschenmoser hat gemeinsam mit der IG Metall-Sekretärin Margit Schmitt die Demonstration angemeldet.

„Es ist unfassbar, dass diese Menschen im Bundestag sitzen“, sagt eine junge Frau. „Wir sind hier, um Widerstand zu leisten, um klar zu zeigen, dass es Menschen gibt, die dagegen sind.“

Weidel und ihre Kollegen kommen in einer schwierigen Zeit für die AfD nach Freudenstadt. In aktuellen Umfragen liegt die Partei gerade noch bei etwa 10 Prozent. Der Verfassungsschutz bescheinigt dem ausgewiesen rechtsextremen „Flügel“ trotz Auflösung einen wachsenden Einfluss – er macht mehr als ein Drittel der Mitglieder aus. Die Partei ist gebeutelt von internen Machtkämpfe, befeuert zuletzt durch die Aussagen des früheren Pressesprechers der Bundestagsfraktion, Christian Lüth. In einem Gespräch mit einer Youtuberin sprach er davon Migranten „vergasen“ oder „erschießen“ zu wollen.

Im Freudenstädter Kursaal ist davon nichts zu spüren. Wenn man den Aussagen der Sprecher hier Glauben schenkt, könnte es aktuell für die AfD nicht besser laufen. Weidel freue sich auf die kommenden Wahlen. Für die Auswirkungen der Pandemie seien einzig und allein die Regierenden verantwortlich, und islamistischer Terror und Linksextremismus seien die wichtigsten sicherheitspolitischen Probleme dieses Landes.

Zur Erinnerung: Allein seit 1990 gibt es laut Amadeu Antonio Stiftung bis zu 208 Todesopfer durch rechtsextreme Gewalt (linksmotiviert: 4). Nach der NSU-Mordserie wurde das Land gebeutelt durch die Anschläge in Hanau, Halle, durch den Mord an Lübcke. Die Berichte über rechtsextreme Netzwerke in Bundeswehr und Polizeibehörden mehren sich seit Wochen.

Aufhorchen ließ ein Satz von Weidels Sprecher Markus Frohnmaier, welcher bekannt wurde durch Zitate wie: „Wenn wir kommen, dann wird aufgeräumt, dann wird ausgemistet.“ Es sind Aussagen wie diese, die Erinnerungen an dunkle Zeiten wecken.

Einen ähnlichen Schlag hat eine Geschichte, die er nach Weidels Rede erzählt. Dort berichtet Frohnmaier von einem angeblichen Dialog mit einem Polizisten, in dem davon die Rede war, ob man trotz einer Gruppe linker Demonstranten mit dem Auto weiterfahren könne. Der Polizist habe zu ihm gesagt, „und auf die Frontscheibe geklopft und auf die Fensterscheibe: ,Also, wenn Sie die nicht mehr brauchen, dann los geht’s!‘“

Bemerkenswert war die Geschichte auch deswegen, weil der nachfolgende Redner nach eigener Aussage 27 Jahre als Polizist tätig gewesen ist. Martin Hess grenzt sich von Taten wie in Hanau, Halle oder dem Mord an Lübcke ab. Die AfD stehe gegen Extremismus jeglicher Art, meint er. Interessant ist die Aussage deshalb, da das Bundesamt für Verfassungsschutz mehr als ein Drittel der Mitglieder der Partei dem rechtsextremen Spektrum zuordnet.

Zum eigentlichen „Bürgerdialog“ – mit dem Begriff war die Veranstaltung überschrieben – kam es nur kurz. Fragen zum UN-Migrationspakt oder die Praxis in deutschen Konsulaten im Ausland wurden beantwortet, nachdem die Redner mehr als eineinhalb Stunden am Mikrofon standen.

Info: In einer früheren Version dieses Artikels war im drittletzten Absatz eine andere Formulierung gewählt, die aufgrund anderer Deutung des AfD-Abgeordneten Markus Frohnmaier geändert wurde.

Etwa 50 vorwiegend junge Demonstranten äußerten ihren Widerstand gegen die AfD.

Etwa 50 vorwiegend junge Demonstranten äußerten ihren Widerstand gegen die AfD.

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Erstellt:
12.10.2020, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 51sec
zuletzt aktualisiert: 12.10.2020, 01:00 Uhr

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