Empfingen · Logistik

Empfinger Trucker-Europatreffen

Mehr als 2500 Parkplätze für Brummis fehlen an Bundesstraßen und Autobahnen allein in Baden-Württemberg. Auch auf dem Rastplatz der Empfinger Tankstelle an der A81 zeigt sich der Mangel an einem Sonntag.

10.09.2019

Von Frank Wewoda

Belegte Parkbuchten sind der übliche Anblick an der Empfinger Tankstelle, die offiziell für 17 Brummis ausgelegt ist – an diesem Sonntag sind es 21. Bilder: Karl-Heinz Kuball

Belegte Parkbuchten sind der übliche Anblick an der Empfinger Tankstelle, die offiziell für 17 Brummis ausgelegt ist – an diesem Sonntag sind es 21. Bilder: Karl-Heinz Kuball

An der Empfinger Shell-Tankstelle sind an diesem Sonntagmittag Anfang September alle ausgewiesenen 17 Parkplätze besetzt – dazu aber noch weitere vier Brummis abgestellt. Sie parken auf Buchten, die eigentlich für Pkws markiert sind oder haben sich andere Plätze gesucht: Ein Brummi mit Rottweiler Kennzeichen ist vogelwild entlang des Gebüschs abgestellt.

Auf den Kennzeichen prangen die Länderkürzel „PL“, „LV“, „CZ“, „LT“ und „RO“ – die Brummis sind also zugelassen in Polen, Lettland, Tschechien, Litauen und Rumänien. Ein ganz besonderes Europatreffen der Trucker findet hier laufend, insbesondere an Sonntagen statt. Es herrscht eine Atmosphäre wie auf dem Campingplatz. Zwei russische Fahrer haben Klappstühle und ein Tischchen aufgestellt, schneiden sich Scheiben von einem roten Kringel getrockneter Wurst ab. „Sprechen Sie Deutsch? English?“ Beide schütteln energisch den Kopf.

Bartosz aus Krakau ist da deutlich gesprächiger, der polnische Brummifahrer spricht Englisch. Die Parkplatz-Situation sei hier an der A81 eher entspannt, findet Bartosz. Schlimmer sei es an der A5 und der A6 im Norden Baden-Württembergs.

Brummi-Fahrer müssen in Süddeutschland regelmäßig wild entlang der Fahrbahn parken, weil die offiziell ausgewiesenen Autobahnrastplätze überfüllt sind. Das hat schon zu schweren Unfällen geführt, zuletzt auf der A5 bei Karlsruhe. Doch die Verkehrsflut auf den Straßen, ausgelöst auch durch den immer weiter anwachsenden Onlinehandel, für den Lastwagen mit bestellten Waren aller Art kreuz und quer durch die Republik geschickt werden, wächst stetig.

Andrea Marongiu vom Verband Spedition und Logistik Baden-Württemberg in Stuttgart sagt: „Unsere Gesellschaft will mit Gütern versorgt werden, dazu brauchen wir die Lkws, dazu brauchen wir die Fahrer – und die müssen ihre Pausen machen.“

Bartosz verbringt genau 30 Stunden vorgeschriebene Ruhezeit in Empfingen, für die er 10 Euro an der Kasse in der Tankstelle bezahlt hat, wie er erzählt. Dafür hat ihm der Tankstellenbetreiber ein Gebühren-Ticket ausgestellt über zehn Euro, das er hinter die Windschutzscheibe im Führerhäuschen geklemmt hat. Zwei weitere Bons hat er über 3,50 Euro – dafür gibt es in der Empfinger Shell je ein Schnitzel. Günstiger ist das als beim Burger-Fastfood nebenan – oder macht zumindest satter. Ein Bad für die Lkw-Fahrer, in denen sich Bartosz fern der Heimat duschen kann, steht ebenfalls bereit. Das Bett ist sein Truck. Er bittet die Gäste von der Zeitung gastfreundlich ins Innere.

Der Pole fährt einen Tieflader für Schwertransporte, die Ladefläche ist derzeit leer. Die Fracht wird in „Bolzano – Bozen“ aufgeladen, so lautet die nächste Etappe seiner Tour.

Seine Freundin und ihr gemeinsames Kind warten in Krakau im für 150000 Euro neu gekauften, kreditfinanzierten Häuschen auf ihn. Drei Wochen ist er auf Achse, dann eine Woche lang zur Erholung in Krakau. Hart sei das Leben auf der Straße, die Familie vermisse er sehr. Auch wegen dem „bad salary“, eines schlechten Gehalts, wechsle er nun von seiner polnischen zu einer deutschen Spedition – ein Drittel mehr an Gehalt verdient er dort, die er gut gebrauchen kann. Ein Freund hat es ihm kürzlich vorgemacht, der in Münster bei einer Spedition angestellt sei.

Über der Campingidylle zwischen tonnenschweren Brummis ist ein Brummen zu hören. Es dringt aus einem Lkw, liegt wie ein Grundgeräusch über allem. Vor allem dieser Lärm ist es neben dem Rangieren, der bei ungünstiger Windrichtung den Nachbarn in der Wohnsiedlung Reichenhalden auf die Nerven geht. Wilfried Emkes, ein Anwohner, berichtet: „Kühllaster sind nach wie vor das größte Problem.“ Es könne nicht sein, dass diese ihr Kühlaggregat, das oft mit Diesel betrieben wird, tage- und nächtelang laufen lassen. Gegen den normalen Lkw-Verkehr habe er gar nichts, das An- und Abfahren sei schnell vorbei. Doch bei einem nervtötenden Dauerton ist es schon etwas ganz anderes. „Im Sommer, wenn es warm ist, mach ich kein Fenster auf“, meint Emkes. Das Ordnungsamt in Empfingen winke ab, es sei nicht zuständig. Mit der Polizei in Horb sei er im Gespräch, zu einer Anzeige habe er sich aber noch nicht durchgerungen. 1987 ist Emkes nach Empfingen in die Siedlung Reichenhalden gezogen – damals habe es noch gar keine Tankstelle gegeben. Ursprünglich hätte die dort entstehen sollen, wo jetzt der Park-and-Ride-Platz ist, direkt gegenüber der Autobahn-Auffahrt außerhalb von Empfingen. Der dauerhafte Strom von Lastwagen von dort wird wohl nie mehr abreißen – es sei denn, die Tankstelle wird doch irgendwann noch verlegt, etwa ins Interkommunale Gewerbegebiet. Bis dahin wird gesamteuropäische Camping-Idylle zwischen Brummis die Regel bleiben.

Empfinger Trucker-Europatreffen
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Erstellt:
10.09.2019, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 18sec
zuletzt aktualisiert: 10.09.2019, 01:00 Uhr

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