Empfingen · Nachruf

Er kam als Flüchtling und fand in Empfingen eine Heimat

Dietrich Gerhardt ist im Alter von 79 Jahren am Dienstag gestorben.

20.02.2020

Von Emil Henger

Er kam als Flüchtling und fand
in Empfingen eine Heimat

Der bekannte Empfinger Architekt, Dietrich Gerhardt, starb am vergangenen Dienstag in seinem Empfinger Zuhause in der Weillindestraße.

Geboren wurde er am 10. September 1940 in Königsberg als Sohn von Otto und Dora Gerhardt. Sein Vater war Berufsoffizier und fiel 1944 im Zweiten Weltkrieg. In diesem Jahr wurde Dietrich Gerhardts Bruder Otto geboren. Die Familie flüchtete am 16. März 1945 von Ostpreußen in den Westen. Die Mutter war Krankenschwester und war auf dem Kriegsschiff „Deutschland“ dienstverpflichtet.

In Kopenhagen existierte ein großes Lager mit rund 10 000 Flüchtlingen. Die Mutter Dora betreute dort zwei Jahre lang die Kranken. Im Frühsommer 1947 kamen Dietrich, Otto und Dora Gerhardt sowie Großmutter Minna Riemann in Empfingen an.

Man fühlte sich fremd und verlassen, so erinnerte sich Dietrich Gerhardt beim SÜDWEST PRESSE-Gespräch zu seinem 70. Geburtstag. Flüchtlinge waren nicht gerade gerne gesehen. Doch ihnen kam Mitgefühl entgegen. Der damalige Bürgermeister Rudolf Hipp vermittelte den Heimatlosen ein Dach über dem Kopf. Ein altes Häuschen im Kehlhof bei Philipine Rebmann. Nach ein paar Monaten kam der Umzug in den alten Schafstall, den Wohnteil der Zehntscheuer. Also in das Gebäude, in dem heute die Musikschule, das Dorfschmiedemuseum und das Hubert-Deuringer-Archiv zu finden sind.

Dort wohnten die Gerhardts zusammen mit den Familien Perk und Glück. Sie waren froh, endlich ein Dach über dem Kopf zu haben. Im Alter von sieben Jahren wurde Dietrich Gerhardt eingeschult.
Er besuchte die Oberschulen in Sulz und in Horb, wo er 1960
sein Abitur machte. Nach der „Matura“ begann Gerhardt in Horb bei der Firma Gebrüder Marquardt eine Maurerlehre. Von 1962 bis 1965 studierte er Architektur in Stuttgart.

Am 10. August 1968 heiratete er Ilse Sturm, die Tochter des Sägewerkbesitzers Georg Sturm aus Glatt. Das Ehepaar nahm dann Uwe als Sohn an, er ist in Nürnberg verheiratet, Vater und selbstständiger Werbetechniker.

Referatsleiter in Horb

Nach seiner ersten Staatsprüfung machte Dietrich Gerhardt als Architekt fünf Jahre lang Praktika bei renommierten Architekten und Stadtplanern in Stuttgart und München. Den zweiten Studienteil absolvierte er ab 1970 an der Universität München, 1972 schloss er ihn sehr erfolgreich mit der zweiten Staatsprüfung ab. Seine erste Arbeitsstelle hatte Dietrich Gerhardt bei der Stadt Horb als Leiter des Referats Hochbau. Dort war er hauptsächlich für die Planung und den Unterhalt aller städtischen Gebäude und Anlagen zuständig.

1989 bot sich Gerhardt die Chance, als Architekt in einem völlig anderen Arbeitsfeld agieren zu können und sich beruflich weiterzuentwickeln. Er wechselte zur Oberfinanzdirektion Karlsruhe, Dienststelle war das staatliche Hochbauamt Baden-Baden. Dort war er mit der Konversion militärischer Anlagen beauftragt. Gerhardt begutachtete die Objekte, vermittelte zwischen den ehemaligen Alliierten und hatte die Interessen des Staates zu vertreten. Zuständig war er darüber hinaus für die Bewertung und Prüfung aller baulichen Projekte, die mit Bundesmitteln gebaut und gefördert wurden.

Gerhardts Mutter hatte übrigens in Empfingen eine kleine Gärtnerei, die dann später ihr Sohn Otto übernommen hat. Heute ist Ottos Sohn Alexander Chef im „Blumenhaus Gerhardt“. Im Jahr 2003 ging Dietrich Gerhardt mit 63 Jahren in Pension. Er hatte immer betont, dass er seiner Frau viel zu verdanken hat. Sie sei ein großer Glücksfall für ihn gewesen. Schon seit längerer Zeit war Dietrich Gerhardt nicht bei bester Gesundheit.

Nach einem Aufenthalt im Krankenhaus Freudenstadt verstarb er am Dienstag in seinem Heim in der Weillindestraße.

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Erstellt:
20.02.2020, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 44sec
zuletzt aktualisiert: 20.02.2020, 01:00 Uhr

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