Tonbach · Großbrand

Ermittlungen beginnen erst morgen

Mit dem nächtlichen Feuer im Stammhaus der „Traube Tonbach“ ist das Herzstück dieses alteingesessenen Familienbetriebs zerstört. Es entstand Millionenschaden. Keine Verletzten.

06.01.2020

Von Siegfried Schmidt

Durch den nächtlichen Feuerschein wird offenbar. Die „Traube“, in Holzständerbauweise errichtet, steht im Vollbrand. Bild: Tom Anger, FFW Freudenstadt

Durch den nächtlichen Feuerschein wird offenbar. Die „Traube“, in Holzständerbauweise errichtet, steht im Vollbrand. Bild: Tom Anger, FFW Freudenstadt

Das berühmte und für sein herausragendes kulinarisches Niveau international bekannte Drei-Sterne-Lokal „Schwarzwaldstube“ in Baiersbronn, in dem Deutschlands Spitzenkoch Harald Wohlfahrt über 40 Jahre allerfeinste Kochkunst zelebrierte, ging bei dem Großbrand ebenso unter, wie die weiteren Gourmet-Restaurants „Köhlerstube“ und „Bauernstube“. Auch die Hotelleitungs-Etage, die sich im 1. Geschoss des 230(!) Jahre alten Fachwerkhauses befand, wurde vernichtet.

Ein großes Glück im Unglück – das wurde von allen Seiten, und auch gerade von der Inhaberfamilie betont –, dass keine verletzten Personen oder Gäste zu beklagen sind. In dem alten Restaurant-Gebäude hat sich während der Nacht niemand aufgehalten. Der gegenüber, hangaufwärts gelegene 5-Sterne-Hotelkomplex war nicht vom Brand betroffen. Auch der dem „Traube“-Traditionshaus seitlich angelagerte moderne Erweiterungsbau „Haus Kohlwald“ hat die Brandnacht, soweit es am Sonntagmorgen einzuschätzen war, unbeschadet überstanden. Allerdings mussten 63 Gäste evakuiert werden. Die Brandabschnitts-Sperre dort hat offenbar tadellos funktioniert. Doch der Verlust des Traditionsgebäudes mit seiner 230-jährigen Gastlokal-Geschichte – einer der ältesten und erfolgreichsten weit und breit im Schwarzwald – wiegt schwer und ist überaus bitter. Allenthalben Bestürzung und Trauer herrschten denn auch rund um die Brandstätte, als die Feuerwehren aus fast sämtlichen Teilorten Baiersbronns, aber auch aus der Nachbarschaft wie Freudenstadt, am Morgen mit den Nachlöscharbeiten der immer noch aufflackernden Brandherde und Glutnester beschäftigt waren.

Heiner Finkbeiner, der Seniorchef, der seine „Traube“ an die Weltspitze geführt hat, stand in der Auffahrt vor dem Hoteleingang und blickte dennoch stark und gefasst hinunter auf sein rußschwarzes, verkohltes Familienerbe, aus dem eine dicke Wolke grauweißen Rauches emporstieg. Noch beim Anblick der brennenden Trümmerstätte für die hohe Gastlichkeit und Gastkultur war wie zum Trotz, wie zur Gegenwehr der Entschluss geboren, gleich mit den Wiederaufbauplanungen zu beginnen. Seine unverbrüchlich feste Absicht bekräftigte Finkbeiner noch mit den Worten: „Ich bin Unternehmer, kein Unterlasser!“ Auf der Facebook-Seite der Traube teilt die Familie mit: „Im Moment ist es unfassbar und ein großes Unglück, doch wir werden es als Chance betrachten.“

Bis zu 150 Einsatzkräfte vor Ort

Erklärungen, wie das Zerstörungsfeuer entstehen und auch so rasch um sich greifen konnte, suchte der Hotelier angesichts dieses niederschmetternden Ausmaßes spontan keine: „Schicksal, es passiert“, sagte Heiner Finkbeiner mit einem Anflug von Fatalismus in der Stimme. Auch sein Sohn Matthias, wie Bruder Sebastian Mitgeschäftsführer des „Traube“-Hotelunternehmens, richtete seine Gedanken schon aus in Richtung eines Neuaufbaus mit „traditionellen Elementen und nach traditionellen Maßstäben“.

Um 3.20 Uhr hatte die Brandmeldeanlage aus dem Küchenbereich des Gebäudes, wie es heißt, Feueralarm an die Freudenstädter Leitstelle gemeldet. 10 Minuten später rückten die Baiersbronner Feuerwehr und die Teilortwehren ins Tonbachtal aus. Der den Einsatz leitende Kommandant Martin Frey schilderte der SÜDWEST PRESSE vor Ort, dass beim Eintreffen der Löschzüge Flammen aus dem Dach der „Traube“ schlugen und aus dem Haupteingang starker Rauch quoll. Von drei Seiten nahmen die Feuerwehrleute, deren Stärke auf bis zu 150 Kräfte anwuchs, das Feuer mit Tanklöschwasser in Angriff. Zum nahen Tonbach in der Talsohle wurden Schlauchleitungen ausgerollt, die dann bei Volllast rund 4000 Liter Wasser in der Minute in die Strahlrohre förderten.

Sehr lange kämpften die Einsatzkräfte mit dem Brand und dessen Folgen. Bild: Siegfried Schmidt

Sehr lange kämpften die Einsatzkräfte mit dem Brand und dessen Folgen. Bild: Siegfried Schmidt

Trotz der Feuerbekämpfung von den ausgefahrenen Leitern aus konnte nicht verhindert werden, dass das Feuer im Holzfachwerkhaus kurze Zeit später „durchzündete“ (Kommandant Frey) und sich ins gesamte, aufgrund der zahlreichen Erweiterungen und Anbauten rund 60 Meter tiefe Bauwerk ausbreitete. Schon die ersten Radionachrichten am frühen Sonntagmorgen meldeten, unter Berufung auf die Feuerwehr-Einsatzkräfte, dass das Traube-Stammlokal wohl komplett niederbrennen werde und auf eine Rettung der Substanz keine Aussicht bestehe.

Über die Brandursache herrschte gestern und vorgestern noch Unklarheit. Auch Vermutungen wurden verständlicherweise keine geäußert. Denn das ausgebrannte Haus konnte auch am Montag noch nicht betreten werden. Der Statik-Sachverständige hat ein Betretungsverbot ausgesprochen. Das Holzständer-Gebäude war jedoch laut Kommandant Frey erst vor einem halben Jahr im Rahmen einer Brandverhütungsschau durchgemustert worden. Und die Brandmeldeanlage hat ja auch funktioniert.

Auch wenn er zwischenzeitlich schon länger ausgeschieden und getrennt ist von seinem Gourmetlokal „Schwarzwaldstube“ und sein Nachfolger Torsten Michel dort residiert, für Kochlegende Harald Wohlfahrt bedeuteten die Küche, das Lokal, das ganze verwinkelte Gebäude „seine“ Wirkungsstätte, sein Lebenswerk. „Ich habe 41 Jahre hier gearbeitet und mein Leben verbracht“, sagte Wohlfahrt, der mit seiner Frau und mit tief in die Stirn gezogener Schirmkappe den Löscharbeiten zuschaute und nach Fassung rang. „Ich habe diesen Ort gelebt. Wieviel Ideen da drin stecken! Meine Geschichte mit der Schwarzwaldstube hat heute ein Ende gefunden.“

Doch Wohlfahrt, der die Brandschutzvorkehrungen in dem Altbau mustergültig nennt und berichtet, man sei da immer „hinterher gewesen“, dachte im Augenblick der Niedergeschlagenheit ob des Verlusts auch an erste Lichtstreifen: „Es ist ein Drama, aber kein Weltuntergang. Man muss nach vorne blicken!“ Ein großes Glück sei doch, dass die „Traube“ mehrgeteilt und vielbeinig aufgestellt sei – und oben im Hotel eine voll autarke Küche mit Topteams existiere, die den Restaurantbetrieb weiterführten.

Bürgermeister verspricht Unterstützung

Auch Wohlfahrts Nachfolger, Küchenchef Torsten Michel blickt, wie die Nachrichtenagentur dpa meldet, zwar aufgewühlt, aber mit Zuversicht in die Zukunft: „So tragisch der ideelle und materielle Verlust durch das Feuer sind – am Ende ist es nur ein Gebäude.“

Baiersbronns Bürgermeister Michael Ruf, der ebenso wie die Feuerwehren als einer der ersten zum brennenden „Traube“-Stammlokal geeilt war, nannte am Morgen nach der Brandnacht das Ganze eine schwere Zäsur in der Erfolgsgeschichte des Hauses Traube Tonbach.

Die Zerstörung dieses Erbstücks sei ohne Frage auch eine „sehr emotionale Geschichte“. Doch Ruf gab sich überzeugt, dass die Familie und die Mitarbeiter des großen Hotelbetriebs diesen Einschnitt meistern werden. Von Gemeindeseite aus werde alles getan, um Familie und Hotelbetrieb beim Wiederaufbau nach Kräften positiv zu begleiten, versprach der Bürgermeister. Bei seinem Gespräch mit den Finkbeiners hat Ruf gespürt, wie eifrig bereits schon „die Ärmel hochgekrempelt werden“.

Den Feuerwehren im Einsatz sprach der Baiersbronner Bürgermeister noch seine große Hochachtung aus. Die Einsatzkräfte seien ruhig und besonnen und mit großer Schlagkraft vorgegangen. Gute Ausrüstung und routiniertes Handeln sowie hohe Professionalität hätten die Feuerwehren bei diesem Großbrand unter Beweis gestellt.

Wie berichtet wird, waren die Feuerwehrwachen bis gestern Mittag unablässig an der Brandstelle. Noch in der Frühe hatten sich Brandnester entzündet, waren Flammen hochgeflackert. Auch wegen des nicht zu betretenden Gebäudes ist es laut Feuerwehrangaben schwierig, in sämtliche Bereiche mit Löscheinsätzen vorzudringen. Die Polizei rechnet damit, dass erst zum heutigen Tag die Ermittlungsarbeiten hinsichtlich der Brandursache aufgenommen werden können.

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Erstellt:
06.01.2020, 16:50 Uhr
Lesedauer: ca. 4min 21sec
zuletzt aktualisiert: 06.01.2020, 16:50 Uhr

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