Es bleibt bei Appellen

Fragen und Antworten zur Homeoffice-Pflicht

Um die Corona-Infektionen in den Griff zu bekommen, wird über die Pflicht diskutiert, zu Hause zu arbeiten. Doch so einfach ist das nicht.

16.01.2021

Von Dieter Keller & Dorthee Torebko

Homeoffice. Archivbild: dpa

Homeoffice. Archivbild: dpa

Berlin. Gehen Sie nicht ins Büro, wenn Sie nicht zwingend müssen!“ Mit einem nachdrücklichen Appell forderte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier am Freitag die Arbeitnehmer zur Arbeit im Homeoffice auf. Und an die Adresse der Arbeitgeber richtete er die Mahnung: „Ermöglichen Sie das Arbeiten von zu Hause!“

Dass Steinmeier dabei von Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger und dem DGB-Vorsitzenden Reiner Hoffmann eingerahmt war, machte deutlich, wie kritisch die Lage ist. „Wir müssen auch die Kontakte – wo irgend möglich – am Arbeitsplatz reduzieren“, mahnte das Staatsoberhaupt angesichts der hohen Corona-Zahlen und einer drohenden Verschärfung der Lage durch Mutationen. Der gemeinsame Auftritt machte allerdings auch klar: Selbst wenn die Forderungen nach einer Homeoffice-Pflicht lauter werden, wird es sie so schnell nicht geben.

Wie viele arbeiten derzeit im Homeoffice? Das weiß keiner so genau. Klar ist nur: Es sind aktuell deutlich weniger als in der ersten Corona-Welle. Dafür sprechen schon die volleren Busse und Bahnen. Das Statistische Bundesamt hat nur Zahlen für 2019, also vor der Pandemie. Damals arbeiteten 12,9 Prozent aller Erwerbstätigen zu Hause, davon nicht einmal jeder zweite täglich oder mindestens die Hälfte der Arbeitszeit. Oft zitiert wird eine Studie der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung. Nach einer Befragung von Erwerbspersonen gingen im April 2020 rund 27 Prozent der Beschäftigten ausschließlich oder überwiegend zu Hause ihrer Arbeit nach. Im November, zu Beginn der zweiten Welle, waren es 14 Prozent. Nach eine Umfrage des Digitalverbands Bitkom saß im Oktober und November jeder Vierte dauerhaft im Homeoffice.

Gibt es anderswo Vorbilder für eine Homeoffice-Pflicht? In Frankreich gibt es sie seit Mitte Oktober für alle, denen es möglich ist, zu Hause zu arbeiten. Das soll vor allem überfüllte Busse und Bahnen im Berufsverkehr verhindern. Belgien, das kurz darauf folgte, schickt unangekündigt Kontrolleure und droht mit Bußgeldern von bis zu 48.000 Euro. Die Schweiz führt nach Medienberichten am Montag eine Homeoffice-Pflicht ein.

Wie ist die Rechtslage in Deutschland? Es gibt keine Rechtsgrundlage für eine Homeoffice-Pflicht, sind sich Arbeitsrechtler weitgehend einig. Nur die Grünen im Bundestag meinen, dies sei auf Basis des Arbeitsschutzgesetzes möglich. Arbeitnehmer haben keinen Rechtsanspruch auf Arbeit im Homeoffice. Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) ist mit seinem Plan für mindestens zwei Tage pro Monat am Nein der Union gescheitert. Umgekehrt kann auch der Arbeitgeber nicht so einfach einseitig anordnen, dass die Mitarbeiter zu Hause arbeiten. Heil äußert sich vorsichtig: „Wo es möglich ist, muss Homeoffice gemacht werden.“ Das sei „eine klare Ansage von Bund und Ländern an die Wirtschaft“. Das Wort Rechtsanspruch nahm er aber nicht in den Mund.

Geht der öffentliche Dienst wenigstens mit gutem Beispiel voran? Eher nein. Zwar ergab eine Umfrage in der ersten Corona-Phase, dass rund die Hälfte der Beschäftigten der öffentlichen Verwaltung hauptsächlich im Homeoffice arbeitete, wobei es auf kommunaler Ebene besonders wenige waren. Aber viele konnten nicht viel mehr als Däumchen drehen, weil die nötige Ausstattung, Programme und der sichere Zugang zu den Netzen fehlten. Zudem erwarten immer noch viele Vorgesetzte, dass ihre Mitarbeiter vor Ort sind.

Als ein mögliches Risiko gilt der Weg zur Arbeit. Wie viele Menschen nutzen Busse und Bahnen? Die Fahrgastzahlen liegen laut dem Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) bei 30 bis 40 Prozent des Vorjahresniveaus und sind damit derzeit etwas höher als beim ersten Lockdown im Frühjahr. Der Verband erklärt das mit mehreren Faktoren. Erstens würden im Winter weniger Menschen Rad fahren. Zweitens würden viele Abonnenten dem ÖPNV die Treue halten. Drittens können viele Fahrgäste aus den Dienstleistungs- und Produktionsbetrieben nicht von daheim arbeiten. Anders als im Frühjahr, als Firmen ihren Betrieb einstellten, würde die Produktion nun nicht stillstehen. Bei der Deutschen Bahn sind die Fernzüge im Schnitt zu 20 Prozent ausgelastet. Derzeit fährt sie im Fernverkehr 85 Prozent ihres ursprünglichen Angebots.

Wie sicher sind Busse und Bahnen? Bisherige Studien ergaben kein erhöhtes Infektionsrisiko im Öffentlichen Nahverkehr, solange auf ausreichend Abstand geachtet wird, Masken getragen werden und es ausreichende Lüftung gibt. Nach einer Untersuchung des Robert-Koch-Instituts steckten sich im Vergleich zu privaten Zusammenkünften nur vereinzelt Fahrgäste im ÖPNV an. Allerdings konnte nur für gut ein Viertel der Fälle die Ansteckungsquelle eindeutig ermittelt werden. Auch in einer Studie in London ließen sich bisher keine Spuren des Virus nachweisen. Die Deutsche Bahn untersucht zusammen mit der Charité das Risiko ihrer Mitarbeiter des Unternehmens. Bisher ergab sich nur eine geringe Infektionsgefahr.

Fragen und Antworten zur Homeoffice-Pflicht

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Erstellt:
16.01.2021, 06:00 Uhr
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zuletzt aktualisiert: 16.01.2021, 06:00 Uhr

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