Gedenken

Familientreffen am Stolperstein in Horb-Rexingen

An Hedwig Levi erinnert seit vergangenen Sonntag ein Stolperstein im Rexinger Osterhaldeweg. Ihre Enkelin war eigens aus den USA angereist.

31.10.2022

Von Hans-Michael Greiß

Der 29. Stolperstein in Rexingen wurde am Sonntag zum Gedenken an Hedwig Levi vor dem Haus Osterhaldeweg 7 verlegt. Enkelin Hazel Keimowitz war mit Töchtern und Schwiegersohn eigens aus Amerika gekommen. Die Nachkommen der Familien Levi und Kahn feierten dazu ein großes Familientreffen.

Am Ort der Wurzeln in Rexingen trafen sich die Nachkommen der Familien Levi und Kahn. Bilder: Hans-Michael Greiß

Am Ort der Wurzeln in Rexingen trafen sich die Nachkommen der Familien Levi und Kahn. Bilder: Hans-Michael Greiß

Andrea Dettling war vollauf beschäftigt, neue Geburtstage und Hochzeiten nachzutragen, um die umfangreiche Datenbank mit den Namen zu erweitern. Die aus Tübingen, Stuttgart, Kaiserslautern oder Frankfurt angereisten Verwandten berichteten von den Zugängen ihrer lebendig wachsenden Familien, die sie auf die Wurzeln in Rexingen und Baisingen zurückführen. Ursula Röhm hatte als kleines Kind die Nazizeit in der Geißgasse, jetzt Osterhaldeweg, überlebt und nahm ebenfalls an dem Treffen teil.

„Wir gehören zu dieser Gesellschaft, die uns ausgrenzen wollte, darauf sind wir wahnsinnig stolz“, bekannte ein Familienvater. Sein Vater sei nach der Vertreibung aus Bolivien nach Frankfurt zurückgekehrt, „der Samen von Kahn wird weiter ausgesät“. Seine Kinder betrachten sich ganz selbstverständlich als deutsche Juden, die mit Freude freitags den Schabbat begrüßten und in der Synagoge Gemeinschaft erlebten. Was am Besuch einer Schule in freier Trägerschaft Besonderes sein solle, hatte sie nie beschäftigt, erst recht nicht, warum herausragende Persönlichkeiten als jüdisch bezeichnet würden. Dr. Fredy Kahn aus Tübingen erklärte dies mit jüdischem Bildungsverständnis. Kinder religiös praktizierender Juden beherrschten bereits im Alter von drei Jahren das Alphabet. Jeder neu gelernte Buchstabe werde mit einem Zuckerle belohnt, so schmecke der Bildungsdrang süß und verschaffe einen nie im Leben einzuholenden Wissensvorsprung. Das mache große Künstler und Wissenschaftler aus, die ganz einfach früher als andere gelernt hätten, zu lernen und in jüdischen Schulen auf einem soliden Fundament aufbauen könnten.

Ausreise in die USA gelang

Barbara Staudacher und Heinz Högerle lasen und übersetzten zusammen mit Andrea Dettling aus der Lebensgeschichte von Hedwig Levi, die am 18. Januar 1941 ihrer aussichtslosen Situation ein Ende setzte. Ihrer Tochter Irene war 1939 die Ausreise in die USA gelungen, in ihrem Gepäck eine der beiden Tora-Rollen der geschändeten Rexinger Synagoge. Die werde heute in Burlington, Vermont aufbewahrt, führte Hazel Keimowitz in ihrer mit vielen Erinnerungen angereicherten Würdigung ihrer Familie an.

Dieser Stolperstein könne dank einer Spende der Stuttgarter Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes und der Naturfreunde verlegt werden, wofür sich Werner Gunkel maßgeblich eingesetzt habe, betonte Staudacher, die auch Herbert Pavlicek für das bewegende Saxophonspiel dankte. Hans-Josef Straub hatte in seiner umfangreichen Sammlung vier von Hedwig Levi handgeschriebene Postkarten gefunden, von denen er Hazel Keimowitz zwei zum Geschenk machte.

Hazel Keimowitz erhielt von Hans-Josef Straub zwei Postkarten ihrer Großmutter Hedwig Levi.

Hazel Keimowitz erhielt von Hans-Josef Straub zwei Postkarten ihrer Großmutter Hedwig Levi.

Die Bitte gern erfüllt

Den Stolperstein zementierten Davorka Pavic und ihr Sohn Simon vor ihrem Haus ein; die Bitte des Synagogenvereins haben sie gerne erfüllt. Dieses Haus mit seiner Geschichte sei heute das Heim ihrer Familie in einer ganz besonderen Lage. Auf ihre kroatische Art hätte ihr Mann Ilija einen Weinstock auf der Terrasse gepflanzt, an dem Trauben reiften wie sonst nirgends in der Gegend.

Mit einer Rose zierte Hazel Keimowitz den Stolperstein für ihre Großmutter.

Mit einer Rose zierte Hazel Keimowitz den Stolperstein für ihre Großmutter.

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Erstellt:
31.10.2022, 15:41 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 31sec
zuletzt aktualisiert: 31.10.2022, 15:41 Uhr

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