Justiz

Gold fehlt tonnenweise

Im Betrugsprozess gegen zwei Mitarbeiter des Goldhändlers PIM schildert die Staatsanwaltschaft 130 Fälle von Anlegern, die ihr Vermögen, ihr Erbe oder ihre Altersversorgung verloren haben.

09.12.2020

Von dpa

Verhüllt: einer der Angeklagten beim Auftakt zum PIM-Prozess. Hinten links der Vorsitzende Richter Felix Diefenbacher. Foto: Arne Dedert/dpa

Verhüllt: einer der Angeklagten beim Auftakt zum PIM-Prozess. Hinten links der Vorsitzende Richter Felix Diefenbacher. Foto: Arne Dedert/dpa

Im Vertrauen auf die Sicherheit haben Anleger immer mehr Geld für den Goldkauf überwiesen. Im September 2019 kommt für viele die Ernüchterung. Der Goldhändler PIM im hessischen Heusenstamm wird durchsucht und meldet kurz darauf Insolvenz. Seit Dienstag müssen sich der 49 Jahre alte Geschäftsführer von PIM und der 52?Jahre alte Chef der früheren Vertriebsfirma des Goldhändlers vor dem Landgericht Darmstadt verantworten. Die Anklage lautet auf schweren Betrug.

Die beiden Angeklagten nehmen die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft am ersten Verhandlungstag ohne großen Emotionen hin. Äußern wollten sich beide dazu zunächst auch nicht.

Laut der Anklage hat das Unternehmen von 2016 bis September 2019 mit Kunden Lieferverträge einschließlich Bonusversprechen über hunderte Kilogramm Gold abgeschlossen, diese aber nicht erfüllt. Zinsen sollen nach einer Art Schneeballsystem von Geld ausgezahlt worden sein, das neu neu angeworbene Kunden investiert hatten.

In dem Verfahren geht es auch um Verträge für den Kauf von rund drei Tonnen Gold. Das ist den Vorwürfen zufolge in diesem Umfang wohl nie in irgendwelchen Tresoren gelagert gewesen.

Die Staatsanwaltschaft schilderte zum Prozessauftakt stundenlang die Verluste einzelner Anleger. 130 Einzelfälle sind dokumentiert.

Mittel aus Haus- oder Unternehmensverkäufen, aufgelöste Bausparverträge oder Lebensversicherungen, ganze Erbschaften – futsch. Rentner, Unternehmer, mit besonderen Verträgen auch Kinder sollen so Investitionen verloren haben. Bei einem Unternehmer und seinen beiden Kindern habe sich die immer weiter aufgestockte Anlage schließlich auf mehr als 2,2 Millionen Euro beziffert.

„Jeder kann das Gold streicheln“

Auch Mitarbeiter der Firma selbst sollen unter den Geschädigten sein. Eine Angestellte und Anlegerin will die Angeklagten wegen Gerede über mangelnde Goldmengen angesprochen haben. Als Antwort hat sie nach Angaben der Staatsanwältin Lucia Wülfing erhalten: „Jeder könne für 30 Euro sein Gold besuchen, sehen und streicheln.“ Die Mitarbeiterin habe ihr gesamtes Vermögen bei PIM investiert.

Viele hätten ihr Geld mit dem Versprechen auf die insolvenzsichere Goldeinlage investiert, sagte die Staatsanwältin. Jetzt stehe einigen finanziell das Wasser bis zum Hals.

Altersvorsorge verloren, Angst vor wirtschaftlicher Not, Rente verschieben, das sind der Anklage zufolge Schicksale in dem Fall. Über einen Geschädigten sagte Staatsanwalt Tobias Stewen: „Durch den ermittelten Vermögensverlust steht er nach eigenen Angaben vor dem Ruin.“

Die Anwältin des jüngeren Angeklagten, Stefanie Schott, hält den ganzen Komplex für nicht zu Ende ermittelt. Erst Anfang November habe das Gericht erstmals einen Sachverständigen damit beauftragt zu klären, inwieweit ein und welcher Schaden vorliege. Das sei aber eigentlich schon eine Voraussetzung für eine Anklageerhebung gewesen.

Diese Aufklärung hätte schon im Ermittlungsverfahren erfolgen müssen, sagte die Anwältin. Ihr Mandant sitzt seit mehr als einem Jahr, seit Anfang September 2019, in Untersuchungshaft. Ihm wird in den Verfahren auch falsche Buchführung und Geldwäsche vorgeworfen. Der mitangeklagte 52-Jährige ist auf freiem Fuß.

Der Prozess wird am Donnerstag mit einer Zeugenvernehmung fortgesetzt.

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Erstellt:
09.12.2020, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 26sec
zuletzt aktualisiert: 09.12.2020, 06:00 Uhr

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