IHK-Index mit „grandios gutem Wert“

Goldener Konjunkturherbst

Laut IHK-Präsident Christian Erbe ist die wirtschaftliche Lage in der Region weiterhin gut – und auch die Prognose sehr ansehnlich.

15.10.2016

Von Thomas de Marco

Wenn der Konjunkturklima-Index der Industrie- und Handelskammer (IHK) Reutlingen 100 Punkte aufweist, halten sich positive und negative Einschätzungen der Unternehmen die Waage. Das langjährige Mittel liegt bei 115 Punkten – derzeit steht die Kurve sogar bei 139 Zählern. „Ein grandios guter Wert“, sagt IHK-Konjunktur-Expertin Beatrix Andriof. Der Index, der Lage und Erwartung heimischer Firmen abbildet, stieg damit zum zweiten Mal in Serie.

364 Unternehmen haben bei der Umfrage geantwortet – eine Rücklaufquote von 35 Prozent. Über die Hälfte beurteilt die Lage als gut, nur 6 Prozent sind unzufrieden. Vor allem Bau, Gastgewerbe sowie Dienstleistungsbetriebe sind positiv gestimmt. 92 Prozent der Baufirmen bezeichnen ihre Lage als gut – 30 Prozent mehr als im Vorjahr. Nur im Einzelhandel sind die Gut-Urteile nicht in der Überzahl.

IHK rechnet mit Negativzinsen

Auch der Ausblick auf die kommenden 12 Monate falle sehr zuversichtlich aus, erklärt IHK-Präsident Christian Erbe: Über ein Drittel der Unternehmen erwarte eine weitere Verbesserung der Geschäftslage, über die Hälfte rechne mit gleichbleibend guter Entwicklung. Nur neun Prozent befürchteten eine Eintrübung. Als Gründe für die gute Stimmung nennt Erbe die starke Binnenkonjunktur, getragen von Job-Boom sowie niedriger Inflation.

Obwohl die regionale Konjunktur derzeit unverwüstlich scheine, sieht der IHK-Präsident aber auch Probleme: Zwar liefen die Exporte auf Hochtouren – bis August wurden 5,2 Milliarden Euro umgesetzt, 8 Prozent mehr als im Vorjahr. „Ob wir aber wieder einen Exportrekord einfahren und gar die acht Milliardenmarke überschreiten, bleibt abzuwarten“, warnt Erbe. Das Gros der Unternehmen äußere sich jedenfalls etwas zurückhaltend.

Die abnehmende Zuversicht erkläre sich damit, dass in Übersee viele wichtige Exportmärkte – von Brasilien bis Russland – schwächelten. Auch Chinas Konjunktur laufe nur noch mit angezogener Handbremse. Zudem werde der Brexit schnell wieder richtig stark auf die Stimmung drücken, sobald die Briten ihr Austrittsgesuch einreichen, warnt der IHK-Präsident. Vielversprechende Chancen für den Export bieten hingegen nach wie vor die USA sowie der ASEAN-Raum mit Indonesien, Malaysia, Philippinen und Singapur.

Ein Risikofeld sei die Nullzinspolitik in Folge der Eurokrise. Diese Krise stehe zwar nicht mehr im öffentlichen Fokus, die Probleme seien aber geblieben. Gerade die Banken- und Versicherungsbranche stehe vor großen Veränderungen – mit Folgen für die Region: Erbe rechnet mit Negativzinsen für Firmen und vermögende Privatkunden.

Nach rund 150 Tagen neue Landesregierung kritisiert Erbe die geheimen Nebenabsprachen: Die hätten hiesige Unternehmer verwundert und seien wenig vertrauensbildend. 300 Millionen Euro für Breitbandausbau und Digitalisierung seien indes ein richtiges Signal, vor allem für den ländlichen Raum. Zudem rät Erbe in den goldenen Konjunkturzeiten zu mehr Innovationen.

Ausbildungsverträge für 20 Flüchtlinge

7300 Flüchtlingesind 2015 laut Statistischem Landesamt in der Region aufgenommen worden, die wohl auch bleiben. „In einem Jahr wurde viel erreicht – und doch bleibt viel zu tun“, sagt IHK-Präsident Christian Erbe. Anfang September wurden 20 Lehrverträge mit Staatsangehörigen aus Afghanistan, Irak, Syrien und Gambia abgeschlossen. Diese Zahl sei noch eher klein – und doch ein Erfolg, erklärt Erbe: Denn wer eine Ausbildung beginne, müsse ordentlich Deutsch sprechen und schreiben können. Das brauche Zeit. „Wir wissen, unsere Fachkräftelücke wird mit Flüchtlingen erst mal nicht zu schließen sein. Erfahrungen zeigen, dass die meisten Flüchtlinge drei bis fünf Jahre brauchen werden, bis sie in eine Ausbildung einsteigen können“, sagt Erbe und fordert mehr Sprachkurse. Benötigt würden auch Kurse, die berufsspezifische Kenntnisse vermitteln. Positiv beurteilen die IHK, dass die geforderte „3+2“-Regel nun gilt. Diese sieht vor, dass Flüchtlinge nach dreijähriger Ausbildung noch mindestens zwei Jahre in Deutschland bleiben dürfen. Das sei ein wichtiges Signal an die regionale Wirtschaft. „Firmen sind bereit, Flüchtlingen eine Chance zu geben. Allein an den IHK-Informationsveranstaltungen der letzten Monate haben über 400 Firmenvertreter teilgenommen“, sagt Erbe. Zunächst seien Praktika und Hospitanzen wichtig. „Unsere Experten informieren deshalb in Vorbereitungsklassen und Flüchtlingsheimen über die duale Berufsausbildung.“ Seit März hat die IHK Reutlingen eine eigene Integrationsberaterin.

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Erstellt:
15.10.2016, 01:00 Uhr
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zuletzt aktualisiert: 15.10.2016, 01:00 Uhr

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