Horb · Stadtfest

Graziles Ballett und wilde Tänze

Viel Bekanntes und einiges an Überraschungen hielten die Organisatoren des 8. Fests der Kulturen im Alten Freibad bereit.

10.09.2019

Von Hans-Michael Greiß

Nein, niemand hat die IKEA-Anleitung verschusselt – das ist Kunst!

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Gleich beim Betreten bemerkte man die erste Neuerung: Das bisher in Bühnennähe platzierte bildstörende Technikzelt hatten die Brüder Marcel und Mario Nitzsche an den Geländerand verlegt und gewährleisteten von dort eine optimale Beschallung. Das Spülmobil war gar in die Einfahrt des Martin-Gerbert-Gymnasiums verbannt worden.

Zum Auftakt bat Moderatorin Viviana Weschenmoser Bürgermeister Ralph Zimmermann auf die Bühne, der das Fest der Kulturen für das Zusammenwachsen von Horbern aus 80 Nationen als Kitt der Gesellschaft bezeichnete. Agnes Maier stellte die sechs „Kunstwerkstätten“ des „TANDEMS Kunstlabors“ vor, die zum künstlerischen Mitmachen einluden. Mit Unterstützung des Landes Baden-Württemberg werde damit ein gesellschaftlicher Zusammenhalt angestrebt. „Wir machen was“ gab sie als Parole aus und wollte sich selbst überraschen lassen, was sich bis zum Tagesende entwickeln könne.

Den undankbaren Part des Eisbrechers übernahm in bewährter Weise die längst vertraute Liza Cortes mit Zumbavorführungen, die sogleich Herzen und Muskeln erwärmte und alle Reserviertheit überwand. Da zuckten die Körper im ganzen Rund der Badwiese. Liza hatte ihre Familie eingespannt, ihr Heimatland Venezuela an einem Imbissstand mit Pabellon Criollo, Kochbanane und schwarzen Bohnen, Empanados oder Papelon con limon zu vertreten.

Schwester Lennis zog in ihrem in den Landesfarben gelb-blau-rot mit weißen Sternen gezierten Kleid alle Blicke auf sich. In ihrer spontanen Tanzeinlage ließ sie die stürmische Wildheit ihres südamerikanischen Temperamentes erkennen. In nationaler weißer Liki-Liki Folklorekleidung gesellten sich noch weiter Familienmitglieder dazu, da lagen ihnen die Fotografen vor Begeisterung zu Füßen.

Trotz noch nicht beendeter Schulferien bot Peter Straub seine drei Bildechinger Chöre auf, die, in jeder ihrer Altersklassen mit ausdrucks- und leistungsstarken Chorsätzen aufwarteten. Weschenmoser würdigte Straubs Engagement, der seinen Schützlingen so viel Zeit widme wie kaum einer. Straub selbst zeigte sich enttäuscht, dass sich so wenig Jungs für seinen Chor interessierten, biete er doch die beste Gelegenheit, sich den hübschen Mädels unverfänglich anzunähern. Musikalisch setzten die Gäste aus der französischen Partnerstadt Salins-les-Bains das Programm mit Line-Danse und Chansons fort.

Die beiden jungen Bujukai-Kampfsportlerinnen Heidi Ratke und Jana Hofmann zeigten nach ihrem Auftritt im Vorjahr eine deutliche Weiterentwicklung ihrer Kunst der Selbstverteidigung und legten mit gekonntem Schwung die Gegnerin auf die Matte. Geheimnisvoll orientalisch-erotisch entführten „Aischa“ Baumann und ihre Bauchtänzerinnen mit farbenfrohen Kostümen in die Fantasiereiche aus 1001 Nacht.

Während der ganzen Festzeit werkelten die Künstlerinnen und Künstler an spontanen Ideen für ihr TANDEMS-Projekt, womit sie jedoch nur Kinder begeistern konnten. Stephanie Müller und Justyna Koeke verwandelten alte Klamotten zu neuen Kostümen, selbst Co-Moderator Jakob Pagel versuchte sich an der Nähmaschine. Djibril Mbow schnitzen aus Karotten kunstfertig Flöten, deren Lautstärke verwunderte. Mit Ballons überspannte Teelichte gerieten in Klaus Dietls Händen zu kleinen Zupftrommeln. Helena Hartmann und Monika Golla sammelten mehr oder weniger zusammenhängende Silben zu Lauten für Liedtexte wie Tatzli Batzli. Mimosa Pale und Frank Fierke banden die von der Empfinger Firma Reich gestifteten Holzlatten zu Gebilden, die zur Performance als Iglu oder Tigerkäfig dienten. Dorothee Jakubowski erarbeitete aus dem Ideensammelsurium mit Pina Bucci und Monika Bugala ein Konzept. Mit viel Lärm von Trommeln, Rasseln, Klingeln ergoss sich das Gemisch aus fünf Teenis und Kunstschaffenden auf die Bühne und in einem Kreis durch das Freibadgelände. Was aufgeschlossene Kenner als „Progressive Performance Art“ bezeichneten, lies viele unaufgeklärte Betrachter ratlos zurück.

Einen gefälligen Abschluss des Samstages setzte Felix Vees als „Papi Jani and the Walnuts“.

Mit jeder dunkleren Grauschattierung der Wolken verdüsterten sich am Sonntagmittag die Mienen der Kulturfestverantwortlichen, doch mit Entschlossenheit verlegte man das Fest ins Trockene der benachbarten Schulmensa. Vor lauter Freude, dass nun das Fest „Down by the Riverside“ weitergehe, eröffnete der Chor Gospetrain das Programm mit eben diesem Spiritual. Fernöstliche Tänze aus Bollywood mit Dilara Güden oder den Philippinen mit Estelle Kreidler brachten Exotik in die Bude, vielsprachig hatten die Sonnenkinder und Flamingos bei Alexander und Lilja Jakovlev ihre Lieder perfekt einstudiert und bewährten sich damit wieder einmal als Besuchermagnet.

Mit klassischem Ballett unter der Leitung von Ginger Streibig wurde die Latte der Kunstdarbietungen nochmals deutlich höher gelegt. Mit fragiler Grazie wehten die Tänzerinnen zu Beethovens Fünfter Sinfonie, dem Mozart- und Aladin-Musical über die improvisierte Bühne der Mensa, dass nicht nur die Moderatorin Gänsehaut vor Rührung bekam.

Die meisten hatten sich bereits auf das Ende des Festes eingestellt, als das African Royal Ballet „Djiby Kouyate Mali“ als absoluter Knaller das Fest der Kulturen toppte. Die Mali-Kinderhilfe Stuttgart hatte sicch um die Teilnahme beim Horber Fest beworben. Sie unterstützt eine Schule mit Internat in Mali, wo die Jungen nicht nur Lesen, Schreiben und ein Handwerk sondern auch heimische Tänze lernen. Wirbelnde Tanzschritte gingen blitzschnell in atemberaubende Parterreakrobatik über, dazu sangen Djiby und Basy Kouyate mitreißend ihre heimatlichen Lieder.

Zur abschließenden Performance des TANDEMS-Workshops hielt sich die Anzahl der Aktiven mit der der Besucher die Waage.

Weschenmosers Aufforderung zur Eröffnung, sich nicht nur satt zu sehen, sondern auch zu essen, kamen die Besucher willig nach, den die Angebote aus Syrien mit Falfel und Manzaf, Curry und Massman aus Thailand oder die Cocktails am Konfetti-Stand waren zu verlockend. Massage und Henna-Tatoos rundeten die Angebote zum erinnerungswürdigen Erlebnis ab.

Das Fest der Kulturen zeigte einmal mehr Horbs schillernde Facetten in ihrer ganzen Farbenfreude und Originalität. Bilder: Karl-Heinz Kuball

Das Fest der Kulturen zeigte einmal mehr Horbs schillernde Facetten in ihrer ganzen Farbenfreude und Originalität. Bilder: Karl-Heinz Kuball

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Erstellt:
10.09.2019, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 41sec
zuletzt aktualisiert: 10.09.2019, 01:00 Uhr

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