Horb · Asyl

Horb wird kein „Sicherer Hafen“

Nach einer emotionalen Debatte hat der Gemeinderat den Antrag von SPD, BiM und OGL abgelehnt, über die Quote hinaus mehr Flüchtlinge aufzunehmen.

30.04.2020

Von Dagmar Stepper

Der Gemeinderat Horb tagte am Dienstagabend unter besonderen Umständen.  Bild: Karl-Heinz Kuball

Der Gemeinderat Horb tagte am Dienstagabend unter besonderen Umständen. Bild: Karl-Heinz Kuball

Bilder aus griechischen Flüchtlingslagern und von ertrinkenden Menschen im Mittelmeer waren das bestimmende Thema am Dienstagabend in der ersten Sitzung des Horber Gemeinderats in Corona-Zeiten. Eine Allianz aus SPD, BiM, und OGL hatte beantragt, dass Horb der Aktion „Sichere Häfen“ beitritt und damit mehr Geflohene aufnimmt (siehe Infokasten). Der Antrag wurde bereits im Januar gestellt, doch wegen der Pandemie wurde er erst jetzt behandelt – und die Krise bestimmte die emotional geführte Diskussion.

Die Verwaltung hatte dem Gemeinderat – der aufgrund des Coronavirus lediglich aus acht Mitgliedern bestand – drei Beschlussvorschläge vorgelegt. Variante 1: Horb kann die Initiative „Seebrücke“ gerade nicht unterstützen; Variante 2: Horb unterstützt die „Seebrücke“ nur ideell, tritt dem Bündnis aber bei und erklärt sich zum „Sicheren Hafen“ – ohne aber über die Quote hinaus Geflohene aufzunehmen; Variante 3: Horb wird zum „Sicheren Hafen“ und erklärt sich auch bereit, zusätzlich zur Quote Personen aufzunehmen.

Dass die Verwaltung keinen eindeutigen Beschlussvorschlag vorlegte, war ein Novum. Oberbürgermeister Peter Rosenberger erklärte es mit den unsicheren Corona-Zeiten. Die Stadt müsse zusätzlich Wohnraum zur Verfügung stellen, zudem würden Horb in den kommenden Wochen weitere 50 Geflohene vom Landkreis zugeteilt. „Unter den jetzigen Voraussetzungen schaffen wir es nicht“, sagte er. Rosenberger macht klar, dass für ihn die Alternative 2 – nur ideell dem Bündnis beizutreten – nicht in Frage komme: „Entweder wir machen es – oder nicht.“

SPD-Fraktionsvorsitzende Thomas Mattes plädierte dafür, gerade in Notzeiten wie Corona ein Zeichen für Geflüchtete zu setzen und erinnerte an die vielen ertrunkenen Menschen: „Da können wir nicht einfach die Hände in den Schoß legen und zusehen.“ Er betonte, dass die Kirchen die „Seebrücke“ unterstützen und die Stadt Rottenburg mit ihrem CDU-Oberbürgermeister Stephan Neher der Initiative beigetreten ist. „Es geht auch nicht darum, hunderte Personen aufzunehmen, sondern nur einen kleinen Anteil.“

CDU-Fraktionsvorsitzender Michael Keßler betonte, dass seine Fraktion „zu den Werten einer humanistischen Gesellschaft steht“ und Horb seit 2015 eine Vorreiterrolle bei der Aufnahme von Flüchtlingen gespielt habe. Aber ein „Mehr an Initiative“ lehne die CDU ab. „Dafür sind wir als Stadt nicht zuständig, sondern die EU und der Bund.“

FD/FW-Fraktionsvorsitzende Margarete Rebholz unterstützte Keßler in diesem Ansinnen. „Wir sehen die menschlichen Tragödien und können den Antrag verstehen, aber die Aufnahme von Flüchtlingen ist EU- und Bundespolitik.“ Sie sprach sich für eine geregelte Zuwanderungspolitik und Bekämpfung von Fluchtursachen aus. Den Zustand wie 2015, als die große Flüchtlingsbewegung Deutschland erreichte, sollte es nicht nochmals geben. „Durch Corona gibt es hier jetzt viele Existenznöte. Ich weiß nicht, was mit dem sozialen Frieden passiert, wenn noch mehr Flüchtlinge kommen.“

ULH-Fraktionsvorsitzender Hermann Walz lehnte den Vorschlag rundweg an. Seenotrettung bezeichnete er als „Shuttle-Service“, die „Problematik der Flüchtlinge ist Bundesarbeit und nicht das Thema der Kommunen“.

OGL-Fraktionsvorsitzender Luis Schneiderhan hielt hingegen ein flammendes Plädoyer für die „Seebrücke“. Er sprach von den schrecklichen Zuständen in den Zeltlagern auf Lesbos, von überfüllten Zelten, unsauberen Toiletten, von Gewalt und sexuellen Übergriffen. „Das sind die wirklich Leidtragenden. Geflüchteten Menschen ein Heim zu geben ist gelebte Solidarität.“

BiM-Fraktionsvorsitzende Christina Nuss erinnerte daran, wie lange die EU und der Bund schon untätig der Situation in den Flüchtlingslagern und den ertrunkenen Menschen im Mittelmeer zuschauen würden. „Humanitäre Aspekte müssen über den wirtschaftlichen Aspekten stehen. Wir sind ein christliches Abendland“, betonte sie. Mit dem Beitritt könne Horb ein klares Signal für Humanität setzen.

Der fraktionsübergreifende Antrag von SPD, BiM und OGL wurde am Ende der lang geführten Grundsatzdebatte von den anderen Fraktionen und der Stimme des OB abgelehnt. Luis Schneiderhan (OGL) konnte seine Enttäuschung nicht verbergen. „Sich nicht mal mit dem Vorschlag 2 zufriedenzugeben, finde ich schon krass.“

Seebrücke

„Schafft sichere Häfen“ ist eine dezentral organisierte, internationale, zivilgesellschaftliche Bewegung, die sich 2018 formierte und gegen die europäische Abschottungspolitik sowie insbesondere gegen die Kriminalisierung von Seenotrettung im Mittelmeer richtet. Die Akteure solidarisieren sich mit allen Flüchtenden und fordern die Politik auf, sichere Fluchtwege zu schaffen. Mit den menschenunwürdigen Bedingungen in den Flüchtlingslagern gewinnt die Aktion noch mehr Anhänger. 138 Städte in Deutschland (Stand 1. März 2020) sind inzwischen „Sichere Häfen“.

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Erstellt:
30.04.2020, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 09sec
zuletzt aktualisiert: 30.04.2020, 01:00 Uhr

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