1250-Jahr-Feier

„Klassentreffen“ mit 980 Schulkameraden

Das Jahrgängertreffen am Samstag brachte alte Eutinger wieder zusammen. Angeregt wurden Geschichten erzählt, Anekdoten ausgetauscht und gemeinsam mit der Fußball-Nationalmannschaft mitgefiebert.

25.06.2018

Von Maik Wilke

Es waren spannende Momente, die die Eutinger im Festzelt im Brühl erlebten. Viele zitterten, manche knabberten an den Fingernägeln und wieder andere konnten kaum stillsitzen. Der Gegner wurde als schwer eingestuft und auch die Erfahrungen der vergangenen Wochen stimmten wenig hoffnungsvoll. Doch die Sorgen der Frauen und Männer, die am Samstag gemeinsam 1250 Jahre Eutingen feierten, war unbegründet: Mit gekonntem Schwung und kräftigen Schlägen hatte Bürgermeister Armin Jöchle das Fest-Fass angestochen – das Bier floss und spritzte nicht wie vor gut vier Wochen, als der Vorsitzende der Musikkapelle Gerold Akermann beim Kultbierfest die Menschen in der ersten Reihe ordentlich nass machte. Ach ja, und die deutsche Fußball-Nationalmannschaft hat ihr Spiel bei der Weltmeisterschaft in Russland gegen Schweden natürlich auch gewonnen.

Es passte vieles am vorgestrigen Samstag im Eutinger Brühl. Schon vor dem Eingang zum Festzelt umarmten sich viele ältere Frauen und Männer zur Begrüßung, sie sahen sich nach vielen Jahren wieder und fanden sich für das Jahrgangstreffen ein. Weil nach so einer langen Zeit – manche hatten sich seit mehr als 30 Jahren nicht mehr getroffen – Erinnerungen doch verblassen, Gesichter sich verändern können, hatten sich manche ein Erkennungszeichen ausgedacht. Die Jahrgänger 1939 befestigten Steckblumen an ihren Oberteilen, ein dekoratives Element als optischer Hingucker. Dabei hätten sich die etwa 20 Frauen und Männer wohl auch so erkannt – schließlich hat man sich nie aus den Augen verloren: „Einmal im Monat, immer am letzten Mittwoch, gehen wir gemeinsam wandern“, erzählte Adelgerd Beuter. Das halte die 1939er-Jahrgänger, die fast alle in Eutingen geblieben sind, zusammen. Und wohin geht’s bei den Wanderungen? „Natürlich dahin wo’s gutes Vesper gibt.“

Gäste aus Spanien, Frankreich, Schweden

Während zunehmend Trikots der deutschen Fußballnationalmannschaft im Festzelt im Brühl auftauchten, betonte Bürgermeister Armin Jöchle, wie viel Engagement und Vorbereitung in die 1250-Jahr-Feier einflossen – sowohl seitens der Gemeindeverwaltung als auch der Vereine: „Mehr als 100 Menschen sind seit April mit diesem Event beschäftigt und allein an diesen drei Tagen sind 400 Helfer im Einsatz. Das verdient höchste Anerkennung.“

980 Jahrgänger saßen am Samstag an den Tischen, tauschten Geschichten von früher aus, stießen an, lachten miteinander. Der Großteil wohnt zwar noch in Eutingen, doch auch aus Paris, Stockholm und Valencia waren Besucher angereist. Diesen Weitgereisten überreichten die dynamischen Moderatoren des Abends, Chrissi Heitmann und Raimund Sattler, jeweils ein Präsent.

Trotz Arbeitsplatz in Berlin und damit ebenfalls längerer Anreise fühlt sich der Parlamentarische Staatssekretär und Bundestagsabgeordnete Hans-Joachim Fuchtel stets in Eutingen heimisch: „Hier bin ich aufgewachsen und habe meine Grundschulzeit verbracht. Deshalb kenne ich natürlich noch viele und versuche immer, den Kontakt zu ihnen zu halten“, sagte der CDU-Politiker im Gespräch mit unserer Zeitung. Auf ein offizielles Grußwort verzichteten sowohl Fuchtel also auch die SPD-Bundestagsabgeordnete Saskia Esken und der Landtagsabgeordnete Timm Kern (FDP). Der Austausch solle schließlich an den Tischen unter den Jahrgängern stattfinden.

Mitjubeln mit der DFB-Auswahl

So wie bei Günter Fries und seinen Klassenkameraden aus dem Jahr 1943. Weil er nach Bondorf umgezogen ist, habe Fries einige der Freunde schon seit mehr als 30, teils seit mehr als 40 Jahren nicht mehr gesehen. „Früher haben wir noch gemeinsame Ausflüge unternommen, aber das lässt eben, manchmal auch krankheitsbedingt, nach.“ Umso schöner sei es für Fries gewesen, diesen Abend mit den ehemaligen Klassenkameraden zu verbringen.

Um die Erinnerungen aufzufrischen, gingen zur musikalischen Begleitung durch die Eutinger Musikkapelle alte Bilder der Jahrgänger durch die Tischreihen. Finger zeigten auf die abgebildeten Gesichter, es wurde durchaus gerätselt, wer denn nun welchen Klassenkamerad war. Nicht ganz so einfach nach teils mehr als 70 Jahren. „Man versucht zwar den Kontakt zu halten, aber das gelingt nicht immer“, sagte Brunhilde Hertkorn, die in Nordstetten wohnt. Hin und wieder begegne man den alten Schulkameraden zwar, „doch leider viel zu oft an Beerdigungen“.

Von diesem leidigen, aber doch unvermeidbaren Lauf der Zeit sind die Eutinger in den hintersten Reihen des Festzelts noch entfernt. Jahrgänger von 1928 bis 2000 hatte die Gemeindeverwaltung eingeladen, bei den jüngeren brauchte es natürlich weniger alte Geschichten zur Unterhaltung, sondern viel mehr war das nahende Fußball-Weltmeisterschaftsspiel gegen Schweden Gesprächsthema. Özil raus, Gomez rein? Oder doch Gündogan statt Khedira? Bundestrainer Joachim Löw hatte anders entschieden, Euphorie wollte trotz Umstellungen nicht eintreten. Zwar zierten Blumenketten, Sombreros und Schals in Schwarz-Rot-Gold die Festhalle, aus den Minen sprach jedoch Skepsis. Und diese sollte erst weichen, als Toni Kroos in der 95. Minuten das erlösende 2:1 erzielte. Zwar wäre das Festzelt wohl auch bei einem Unentschieden nicht im Nu leer gewesen, der Begeisterungstaumel sorgte dann aber doch nochmal für zusätzlichen Betrieb an Weizenbar und Weinmobil.

Lob und Dank vom Bürgermeister

Andere wiederum brauchten den fußballerischen Erfolg überhaupt nicht. Der Jahrgang 1968/69 organisierte für den besonderen Anlass T-Shirts in diversen Farben. „Peace, Love and Music“, war darauf zu lesen. Summer of ’69 eben. An den beiden Tischen herrschte dem Zeitgefühl der Jahrgänger entsprechend aufgedrehte, lebhafte Stimmung. Aber trotz allem Freiheitsgefühl war eine Regel klar definiert: „Jeder, der seinen 50. Geburtstag feiert, muss die anderen einladen“, sagte Maria Akermann, die an diesem Tag selbst ihren 50. feierte.

Nicht nur für sie, sondern für alle Besucher hatte die polnische Folkloregruppe aus dem Partnerschaftslandkreis Tomaszów Lubelski schon vor dem Fassanstich einen mitreißenden Tanz präsentiert. In prächtig dekorierten Trachten gaben sie einen Eindruck in die Gepflogenheiten und Bräuche des Nachbarlandes. „Mit ihren farbenfrohen Kostümen und dem leidenschaftlichen Tanz haben sie ein tolles Ausrufezeichen in unsere Veranstaltung gebracht“, lobte Bürgermeister Jöchle.

Dank galt auch Stefanie Bok, die die Idee des Jahrgängertreffens einbrachte und mit der Gemeindeverwaltung umsetzte. Damit hatte sie an diesem Abend für viele freudige Wiedersehen unter den Eutingern (und Ex-Eutingern) gesorgt. Diese nutzen den Anlass, um bis in die Nacht zu plaudern, zu tanzen und einfach die gemeinsamen Stunden zu genießen. Weil das am besten mit musikalischer Unterhaltung geht, konzertierten die „Lausbuba“ nach Abpfiff des Deutschland-Spiels und hielten die Stimmung hoch.

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Erstellt:
25.06.2018, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 4min 08sec
zuletzt aktualisiert: 25.06.2018, 01:00 Uhr

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