Horb · Demonstration

Mehr als 1500 Menschen gehen für Demokratie auf die Straße

Mehr als 1500 Menschen sind am Sonntagnachmittag in Horb gegen Rechtsextremismus auf die Straße gegangen.

25.02.2024

Von Jochen Stöhr

Bild: Karl-Heinz Kuball

Bild: Karl-Heinz Kuball

Mit so viel Zuspruch hatten die Initiatoren Helmut Loschko und Frercks Hartwig nicht gerechnet. Mehr als 1500 Menschen nahmen laut Schätzung der Polizei an der Kundgebung am Sonntagnachmittag teil. Ein Großteil davon, etwa 1300, beteiligte sich auch am Demonstrationszug durch die Innenstadt. Dieser führte vom Festplatz neben der Dualen Hochschule über die Neckarstraße, Schillerstraße und den Flößersteg bis zur Turnierwiese. Dort warteten etwa 200 weitere Personen auf den Start der Kundgebung. Die Polizei kümmerte sich um die Sicherheit und stoppte zeitweise den Verkehr, als der lange Demonstrationszug vom Mühlgässle her kommend die Straße überquerte. Außerdem waren viele Ordner mit gelben Westen im Einsatz.

Plakate mit Botschaften

Mit dabei hatten die Teilnehmer viele selbst gestaltete Plakate, Schilder und Sticker. Die Botschaften darauf waren klar: „Wir sind bunt“, „Brandmauer“, „Für ein friedvolles Miteinander in Vielfalt“, „Gegen Fremdenhass und Ausgrenzung“, „Für Toleranz, gegen Hass“ und „Der Schwarzwald bleibt bunt“ waren einige der Botschaften. Auch der derzeit oft gebrauchte Slogan „Nie wieder ist jetzt“ und Artikel 1 des Grundgesetzes „Die Würde des Menschen ist unantastbar“ waren zu lesen.

Eine kleine Bühne mit professioneller Beschallungsanlage war auf der Turnierwiese aufgebaut. Dort warteten bereits die beiden Hauptorganisatoren, Hartwig und Loschko, die von der scheinbar nicht enden wollenden Schlange, die sich über den Flößersteg zog, überwältigt waren. „Klasse, Wahnsinn“ und „Horb, ihr seid klasse“, sagten die beiden beim Blick auf die Ankommenden, während aus den Boxen John Lennons „Imagine“ tönte.

Sieben Redebeiträge, die jeweils unter einem bestimmten Motto standen, waren angekündigt. Zuvor erklärte Frercks Hartwig noch einmal den Hintergrund für die Zusammenkunft: „In Horb ist kein Platz für Nazis.“ Die „neue Rechte“ trage heute keine Springerstiefel mehr, sondern Krawatte. Sie beherrsche die sogenannten „alternativen Medien“ und schmiede im Privaten Pläne für die Vertreibung von Menschen, die nicht in ihr Konzept passen. Auch in Horb gebe es diese (Reichs-)Bürger.

Musikalisch umrahmt wurde die Kundgebung von den Chören Chorwerk Bildechingen und inTakt Mühringen unter Leitung von Peter Straub, die zu Beginn die Europahymne „Freude schöner Götterfunken“ anstimmten. Der erkrankte Landrat Dr. Klaus-Michael Rückert schickte seine Solidarität und wünschte viel Erfolg.

Die Redebeiträge

Der erste Redebeitrag kam von Oberbürgermeister Peter Rosenberger, der auch die Schirmherrschaft übernommen hatte. Er sei „stolz“ angesichts der Tatsache, dass die Bürger bereit sind, Verantwortung zu übernehmen und für die Demokratie auf die Straße zu gehen. Wie er aus vielen Gesprächen erfahren habe, waren viele Teilnehmer zum ersten Mal bei einer Demonstration dabei. In Horb lebten über 80 Nationen zusammen, erinnerte der OB. Auch alle Fraktionen des Gemeinderats (bis auf eine) seien gekommen.

Für den Jugendgemeinderat sprachen Lukas Reimann und Iva Rigotti. Ihr Motto lautete „Aufwachen, Demokratie verteidigen“. Extremisten und deren Absolutheitsansprüchen erteilten die beiden Jungpolitiker eine klare Absage. Auch riefen sie dazu auf, vom Wahlrecht Gebrauch zu machen und für eine bessere Welt zu sorgen, in der Hass und Populismus keine Chance haben.

„Nie wieder ist jetzt“ stand über dem Redebeitrag von Iris Müller-Nowack, die nicht nur die Katholische Erwachsenenbildung vertrat, sondern im Namen der Horber Christinnen und Christen sprach. „Welche Welt wollen wir unseren Kindern überlassen?“, fragte sie und lobte das Bekenntnis der Bischofskonferenz zur Kommunalwahl und die Abgrenzung zur AFD.

Cem Atas vertrat den Einheitlich Demokratischen Verein (EDV). „Ihr seid der Hammer, rief der 21-Jährige in die Menge. Er spreche für alle Deutschen mit Migrationshintergrund. „Ich liebe diese Stadt und dieses Land und bin stolz darauf, Deutscher zu sein“, sagte Atas. Dennoch erlebe er aufgrund seines Aussehens fast täglich Fälle von Alltagsrassismus. Rassismus sei tief in unserer Gesellschaft verankert. „Ob die Leute wollen oder nicht, ich bin hier geboren“. Dafür gab es viel Applaus.

Ähnliche Erfahrungen hat Julia Blank, Schülerin des Martin-Gerbert-Gymnasiums gemacht. Außerhalb ihres Freundeskreises erlebe auch sie immer wieder Hass im Alltag. Es gelte, jeden Tag für die Demokratie einzustehen. Das erfordere Mut, aber es lohnt sich, ist die Schülerin überzeugt.

„Wer in der Demokratie schläft, wacht in der Diktatur auf“ stand über dem Redebeitrag von Georg Faigle, der im Namen der Gewerkschaften (IG Metall) sprach. Der Kampf gegen Rechtsextremismus sei ein Marathon und erfordere einen langen Atem, sagte er. Man dürfe nicht zulassen, dass „aus dem Schneeball eine Lawine“ wird. „Lasst uns jetzt den Schneeball gemeinsam zertreten“, rief Faigle angesichts der Bedrohung durch Rechtsextremisten. Wie groß diese Bedrohung ist, veranschaulichte der Redebeitrag von Heinz Högerle, Vorsitzender des Synagogenvereins Horb-Rexingen, unter dem Motto „Wer die Demokratie abschaffen will, hat uns als Gegner“. In vielen Zitaten legte er die Gedankenwelt von Menschen wie Martin Sellner und Björn Höcke offen und forderte: „Wir dürfen nicht wegschauen.“

Die Redebeiträge wurden in Gebärdensprache übersetzt. Mit dem gemeinsaen Lied „We shall overcome“ ging die Kundgebung langsam ihrem Ende entgegen, allerdings nicht ohne den Hinweis auf kommende Mahnwachen und die Bitte, sich auch im Alltag weiterhin für die Demokratie stark zu machen.

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Erstellt:
25.02.2024, 16:35 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 34sec
zuletzt aktualisiert: 25.02.2024, 16:35 Uhr

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