Vierschanzentournee

Momentum auf seine Seite gebracht

Karl Geiger nimmt seinen Konkurrenten beim Neujahrsspringen trotz schwieriger Windverhältnisse einige Meter ab.

02.01.2020

Von MANUELA HARANT

Karl Geiger in Aktion. Foto: Daniel Karmann/dpa

Karl Geiger in Aktion. Foto: Daniel Karmann/dpa

Garmisch-Partenkirchen. So, wie sich Karl Geiger über seinen ersten Sprung ärgerte, hätte man meinen können, der Oberstdorfer ist beim Neujahrsspringen von Garmisch-Partenkirchen unter ferner liefen gelandet. Dass es dann trotzdem noch zum zweiten Platz hinter Überraschungssieger Marius Lindvik aus Norwegen (289,8 Punkte) gereicht hat, zeigt, wie stark Deutschlands heißestes Eisen im Feuer der Vierschanzentournee sein kann, wenn mal alles nach Plan läuft. Und dadurch, dass Geiger (285,0) seinen größten Konkurrenten Dawid Kubacki, am Mittwoch Dritter (284,0), und Ryoyu Kobayashi, Vierter (282,1), sogar ein paar Meter abnehmen konnte, hat der 26-Jährige das Momentum jetzt erst einmal auf seiner Seite.

Insofern war die Reaktion auf seinen ersten Sprung über 132 Meter eine klassische Fehlinterpretation. „Im ersten Moment habe ich gedacht, das war ein technischer Fehler, weil in der Luft nichts hergegangen ist“, erklärte der Allgäuer, warum er sich nach der Landung an den Kopf gefasst hatte. In Wirklichkeit war es jedoch eine Weltklasseleistung bei den schlechtesten Wetterverhältnissen im gesamten Wettbewerb. Das erkannte dann auch Geiger recht schnell: „Bei solchen Windbedingungen streut die Schanze ziemlich. Da konnte ich im Nachhinein echt zufrieden sein, was mir da gelungen ist.“ Nach der drittbesten Leistung im ersten, sprang er dann mit dem besten Ergebnis des Starterfeldes im zweiten Durchgang auf Rang zwei.

Gegen den jungen Norweger Marius Lindvik, der mit 143,5 Metern im ersten Durchgang den Rekord auf der Großen Olympiaschanze einstellte, war jedoch kein Kraut gewachsen. „Der ist einfach massiv guad ghupft“, zollte Markus Eisenbichler dem 21 Jahre alten Premierensieger Respekt. „Eisei“ selbst durfte sich als Zehnter (266,1) über sein erstes Top-Ten-Ergebnis der Saison freuen, ebenso wie Constantin Schmid, der Siebter wurde. „Es läuft echt gut im Team. Wir pushen uns gegenseitig hoch“, sagte Eisenbichler, Tournee-Zweiter der vergangenen Saison.

Dreikampf bahnt sich an

In der Gesamtwertung ist der Vorsprung von Vorjahressieger Ryoyu Kobayashi (587,2 Punkte) gegenüber Geiger (580,9) von 9,2 auf 6,3 Zähler geschmolzen. Dahinter ist der Pole Dawid Kubacki (578,7) noch dicht dran. Neujahrssieger Lindvik dagegen dürfte als Vierter mit 18,9 Zählern Rückstand auf den Führenden schon nichts mehr mit der Entscheidung im Kampf um den Goldenen Adler zu tun haben. Angesprochen auf den sich anbahnenden Dreikampf vor dem Bergiselspringen in Innsbruck (Sa. 14 Uhr/ZDF und Eurosport), wiegelt Karl Geiger allerdings gleich ab. „Ich versuche da gar nicht darauf zu schauen“, betont der 26-Jährige in einer stoischen Ruhe, die in diesen Tagen ihresgleichen sucht. „Ich habe es sowieso nicht in der Hand, was die Konkurrenz macht. Ich kann nur schauen, dass meine Sprünge passen.“

Die Situation, dass ein Deutscher zur Tournee-Halbzeit dem Führenden im Nacken liegt, ist dabei alles andere als neu. Erst war es Severin Freund, dem dies nach langer Durststrecke im Deutschen Skiverband gelungen war, dann Richard Freitag, schließlich Markus Eisenbichler und nun: Karl Geiger. Der Oberstdorfer reiht sich beim Neujahrsspringen 2020 als vierter deutscher Skispringer in den vergangenen fünf Jahren ein, der dem Goldenen Adler greifbar nahe kommt. „Aber noch heißt es: Nur anschauen, nicht anfassen“, betont Karl Geiger, wohl wissend, dass fast immer in Innsbruck die große Ernüchterung aus schwarz-rot-goldener Sicht kam.

Ein Sprung wie der andere

Angesichts der unglaublichen Konstanz, die Geiger auch im neuen Jahr an den Tag legt, scheint dies jedoch fast unvorstellbar. Das muss sich selbst Stefan Horngacher eingestehen: „Karl macht einen Sprung wie den anderen. Da ist nicht viel dazwischen“, meinte der Bundestrainer am Neujahrsabend zufrieden.

Dass es für Karl Geiger noch nicht zum ersten Weltcupsieg der Saison gereicht hat, sieht Zimmerkumpel Eisenbichler dabei nicht als Manko – im Gegenteil: „Wenn er jedes Mal Zweiter wird und so die Tournee gewinnt, ist es doch auch wurscht.“ Für die Kampfansagen im Team ist eben ein anderer zuständig. Und Karl Geiger hat den Rücken frei, weiter für Furore zu sorgen. Egal, woher der Wind weht.

Typisches Lächeln: Karl Geiger grinst verschmitzt, nachdem er der versammelten Tournee-Konkurrenz wichtige Meter abgenommen hat. Foto: Daniel Karmann/dpa

Typisches Lächeln: Karl Geiger grinst verschmitzt, nachdem er der versammelten Tournee-Konkurrenz wichtige Meter abgenommen hat. Foto: Daniel Karmann/dpa

Karl Geiger, Skispringer aus Deutschland, jubelt über seinen zweiten Platz mit Pokal nach der Siegerehrung. Foto: Angelika Warmuth/dpa

Karl Geiger, Skispringer aus Deutschland, jubelt über seinen zweiten Platz mit Pokal nach der Siegerehrung. Foto: Angelika Warmuth/dpa

Marius Lindvik sprang 143,5 Meter  Schanzenrekord. Foto: Eibner-Pressefoto

Marius Lindvik sprang 143,5 Meter Schanzenrekord. Foto: Eibner-Pressefoto

Zum Artikel

Erstellt:
02.01.2020, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 02sec
zuletzt aktualisiert: 02.01.2020, 06:00 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen

Newsletter Recht und Unrecht
Sie interessieren sich für Berichte aus den Gerichten, für die Arbeit der Ermittler und dafür, was erlaubt und was verboten ist? Dann abonnieren Sie gratis unseren Newsletter Recht und Unrecht!