Spendenaktion

Nach der Flut: Schnelle Hilfe für Bisingen

Schock, Schlamm, Millionenschäden: Am Freitag nach dem Unwetter stehen etliche Bisingerinnen und Bisinger vor dem Nichts. Die SÜDWEST PRESSE sammelt Spenden für schnelle Hilfe.

03.05.2024

Von Anna Maria Jaumann

Unter dem Maibaum auf dem Bisinger Marktplatz kämpfen insgesamt 205 Einsatzkräfte mit den Unwetterschäden. Bilder: Anna Maria Jaumann

Unter dem Maibaum auf dem Bisinger Marktplatz kämpfen insgesamt 205 Einsatzkräfte mit den Unwetterschäden. Bilder: Anna Maria Jaumann

Es riecht nach Schlamm und Abwasser. Der Boden ist über und über mit Schlick bedeckt. Die Einsatzkräfte transportieren die braune Brühe schubkarrenweise ab. Unter dem frisch gestellten Maibaum am Bisinger Marktplatz arbeiten am Freitag nach dem Unwetter etliche Einsatzkräfte und Anwohner schweigend daran, die Schäden in den Griff zu bekommen. Bis in die Morgenstunden hatten sie in der Nacht zuvor gegen die Wassermassen gekämpft, ehe sie sich für einige schlaflose Stunden in die oberen Stockwerke zurückzogen.

„Wir mussten am Morgen sofort wieder raus und weitermachen – es geht um unsere Existenz, es geht um unser Zuhause“, sagt Ingrid Galati. Sie und ihr Mann wohnen seit über 35 Jahren am Bisinger Marktplatz. „Wir hatten das Wasser noch nie im Hof stehen“, sagt Robert Galati. Doch am Donnerstag sei die „braune, dreckige Brühe“ flutartig aus Richtung des Klingenbachs angerollt gekommen. „Hier ist alles geschwommen“, so Robert Galati.

Sein Blick schweift durch das Erdgeschoss seines Heims. „Da könntesch heulen“, sagt er als er die mit Schlamm gefüllten Schubladen im Hausflur öffnet: Die Schuhe der Familie schwimmen darin. „Was kann ich tun?“, fragt seine Frau: „Ich bin so überfordert. Ich weiß nicht, wo anfangen.“ Sie sei noch bei der Arbeit in Albstadt gewesen, als gegen 17.35 Uhr der Notruf ihres Mannes einging. Er habe im Büro im ersten Stock gesessen und nur dabei zusehen können, wie das Wasser „in Fontänen“ über den Klingenbach trat.

Das Schlafzimmer der Familie Riekert ist komplett zerstört. Bild: Anna Maria Jaumann

Das Schlafzimmer der Familie Riekert ist komplett zerstört. Bild: Anna Maria Jaumann

Als Ingrid Galati wenig später in Bisingen ankam, sei bereits die ganze Stadt von den Einsatzkräften abgesperrt gewesen. Sie habe sich trotzdem durchgeschlagen: „Der Polizist war etwas aufgebracht, aber ich musste da durch – mein Zuhause stand unter Wasser!“ Der Einsatz der Helferinnen und Helfer sei bahnbrechend gewesen. „Einer hat bei uns von sechs bis halb eins Schlamm geschippt – in Badeschlappen“, erzählt Robert Galati, sichtbar gerührt: „Ich kannte den Mann nicht mal. Wir sind so dankbar.“

Zu Tränen gerührt ist auch Marina Dal Pont, die gemeinsam mit ihrem Mann das Eiscafé Rialto am Marktplatz betreibt. Zwei Feuerwehrmänner mussten sie am Unwetterabend aus ihrem Laden befreien. „Ich war drinnen – alleine“, erzählt sie: „Ich hatte so Panik. Ich hatte so Angst. Ich konnte mich nicht bewegen. Ich habe nur geweint.“ Sie habe auf der Theke gesessen, während die braunen Wassermassen die Eisdiele fluteten – bis in die Eiscreme-Behälter. „Es kam so schnell“, sagt sie und schüttelt ungläubig den Kopf.

Ihr Mann sei gerade beim benachbarten Gasthof Rose gewesen, um zu helfen, als die Feuerwehr seine Frau retten musste. Sie stehe noch immer unter Schock: „Mir ist total schlecht“, sagt Marina Dal Pont. Verletzt sei sie nicht, einfach unendlich traurig. Doch kurz huscht ihr ein Lächeln übers Gesicht, als sie sich an die vergangene Nacht erinnert: „Die Leute aus Bisingen haben sich um mich gekümmert wie eine Familie.“ Viele hätten angerufen und dem Paar einen Schlafplatz und Klamotten angeboten. „Das hat so gutgetan“, sagt Dal Pont.

Die Feuerwehr rettete Marina Dal Pont aus ihrer Eisdiele. Bild: Anna Maria Jaumann

Die Feuerwehr rettete Marina Dal Pont aus ihrer Eisdiele. Bild: Anna Maria Jaumann

Die Seniorin Maria Rager war alleine zuhause, als das Wasser kam. Sie wohnt seit 55 Jahren am Bisinger Marktplatz, hinter der Sparkasse. In der linken Hand hat sie einen Eimer. Ihre Arme sind bis zum Ellenbogen mit Schlamm beschmiert. „Sowas habe ich hier noch nicht erlebt“, sagt die Bisinger Naturschutz-Wartin. Vor über hundert Jahren sei mal bei einem Unwetter eine Kuh im benachbarten Stall ertrunken. Das wisse sie von der Nachbarin. „Aber das gestern war beängstigend“, sagt Maria Rager. Die Einsatzkräfte von THW und Feuerwehr seien phänomenal gewesen.

Ja, den Bisinger Marktplatz hat das Unwetter schwer getroffen – doch leider nicht ausschließlich den: Auch im Teilort Thanheim stehen Anwohner nach der Flut vor dem Nichts. „Das geht an die Existenz“, sagt Tamara Riekert. Sie wohnt mit ihrer Familie in einer Talsenke – direkt am Klingenbach. Bis zu vier Metern hoch sei das Schlammwasser bei ihnen gestanden. In trockenen Sommern ist der Klingenbach laut Familie Riekert nur ein Rinnsal. Nicht so an diesem Donnerstagabend: In Minutenschnelle sei das Wasser gestiegen, es habe das Schloss der Haustür aufgedrückt und dann das komplette Erdgeschoss geflutet – somit auch das Schlafzimmer der Riekerts. „Wir haben keine Schuhe mehr, keine Klamotten, alles kaputt“, sagt Tamara Riekert. Auch am Freitag steht das Wasser im Schlafzimmer noch bis zu den Knien. Die Wände sind bis unter die Decke mit Schlamm bespritzt. Sämtliches Mobiliar ist ruiniert.

„Es ist zum Heulen“, sagt Robert Galati. Er wohnt am Marktplatz. Bild: Anna Maria Jaumann

„Es ist zum Heulen“, sagt Robert Galati. Er wohnt am Marktplatz. Bild: Anna Maria Jaumann

Seit zehn Jahren wohnt die Familie dort. „Wir haben alles selbst gerichtet“, erzählt Tamara Riekert: „Gerade waren wir fertig.“ Über Pfingsten wollten sie in den Urlaub fahren. „Und jetzt – aus der Traum.“ Tamara Riekerts Blick schweift über den Vorgarten: Ganze Baumstämme samt Wurzel liegen dort zwischen zerschlagenen Blumentöpfen und Gartenmöbeln. Dann sagt die Mutter einer elfjährigen Tochter: „Sie war ganz allein daheim, als es losging.“

Spenden Sie für die Opfer des Hochwassers

Schnelle Hilfe ist gefragt. Die SÜDWEST-PRESSE-Partner wollen ihren Teil dazu beitragen. Wie schon bei der verheerenden Flut 2008 im Killertal und in Hechingen bauen wir auf finanzielle Unterstützung, die sofort und direkt bei den Opfern ankommt. Jeder noch so kleine Betrag ist willkommen. Die Verteilung der eingehenden Spenden wird mit professionellen Partnern geregelt, und da steht die Gemeindeverwaltung ganz oben. Das „Spendenkonto Hohenzollerische Zeitung“ (Stichwort: Hochwasserhilfe), bei der Sparkasse Zollernalb hat die Iban DE20 6535 1260 0077 0400 00. Ein Spendentelefon ist eingerichtet: Unter der Nummer 07471 / 931539 können Sie ab Montag ankündigen, dass Sie spenden wollen. Wenn Sie Hilfe brauchen, melden Sie sich ebenfalls dort. kle

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Erstellt:
03.05.2024, 22:03 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 54sec
zuletzt aktualisiert: 03.05.2024, 22:03 Uhr

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