Steuerrecht

Neuer Steuerkurs für Ehepaare?

Das Ehegattensplitting gilt schon lange als ungerecht: Es benachteiligt viele Frauen. Änderungen sind schwer. Jetzt haben die Grünen eine neue Debatte losgetreten.

16.04.2021

Von DIETER KELLER

Mit der Hochzeit ändert sich auch steuerlich für Paare einiges; das Ehegattensplitting ist seit Jahrzehnten in der Kritik. Nun könnte Bewegung in das Thema kommen. Foto: ©Stakhov Yuriy/Shutterstock.com

Mit der Hochzeit ändert sich auch steuerlich für Paare einiges; das Ehegattensplitting ist seit Jahrzehnten in der Kritik. Nun könnte Bewegung in das Thema kommen. Foto: ©Stakhov Yuriy/Shutterstock.com

Berlin. Es ist ein steuerpolitischer Evergreen: Das Ehegattensplitting gilt längst nicht nur als frauen- sondern auch als wachstumsfeindlich. Denn gerade für Frauen ist es häufig finanziell unattraktiv, berufstätig zu sein. Das dürfte ein wesentlicher Grund dafür sein, dass zwar immer mehr Frauen berufstätig sind, aber nur in Teilzeit, während die Zahl ihrer Vollzeitstellen in den letzten 20 Jahren sinkt. Das kann Deutschland sich angesichts der schrumpfenden Bevölkerung nicht mehr leisten, sagen Wirtschaft und Forscher.

Jetzt haben die Grünen die Diskussion mit ihrem Programm zur Bundestagswahl neu eröffnet, und auch die anderen Parteien positionieren sich. Derzeit haben Ehepaare durch das Splitting einen Steuervorteil von über 25 Milliarden Euro – viel Geld für andere familienpolitische Maßnahmen oder für Steuersenkungen.

Das Problem Das Ehegattensplitting gibt es seit 1958. Die Idee: Dem Staat kann es egal sein, wer in der Ehe wie viel verdient. Das Einkommen beider Partner wird addiert. Jeder versteuert die Hälfte. Dadurch profitiert das Paar zweimal von Grund- und anderen Freibeträgen sowie vom progressiven Steuertarif. Das hat zur Folge, dass Alleinverdiener-Paare im Vorteil sind – je höher das Einkommen, desto mehr. Die maximale Ersparnis von etwa 11?300 Euro erreichen Paare, die zusammen 116?000 Euro im Jahr versteuern, hat das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung errechnet. Durch die „Reichensteuer“ können es bei noch höheren Einkommen bis zu 17?300 Euro sein.

Wird auch der Partner berufstätig, etwa Frauen nach der Babypause, sind die Abzüge sehr hoch, weil alle Vorteile verbraucht sind. Es bleibt also netto wenig übrig. Zudem fällt auch noch die Mitversicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung weg, was umso höhere Abzüge bedeutet. Häufig ist ein Minijob besonders attraktiv, weil dabei netto viel übrig bleibt, auch wenn der auf 450 Euro im Monat begrenzt ist. Konsequenterweise wollen die Grünen auch diese beiden Bremsen reformieren.

Lösung 1: Steuerklassen III/V abschaffen Das fordert etwa die Vorsitzende der Frauen-Union, Annette Widmann-Mauz (CDU): Dann bleibe den Frauen mehr Netto vom Brutto. Letztlich wäre das aber nur ein psychologischer Effekt beim monatlichen Abzug der Lohnsteuer. Aufs Jahr gesehen fällt mit der Steuererklärung nicht weniger Steuer an. Derzeit läuft es so: Beim Partner in Steuerklasse III sind alle Steuervorteile des Paars berücksichtigt vom Grundfreibetrag für beide bis zur Steuerprogression. Umso höher sind die Abzüge beim zweiten Partner in Steuerklasse V. Letztlich gleicht sich das bei der jährlichen Steuererklärung aus: Dann zahlt das Paar zusammen nicht mehr Steuer, als wenn beide Steuerklasse IV hätten, in der die Vorteile auf beide verteilt sind. Zwar gibt es seit 2010 als Alternative das „Faktorverfahren“: Beide Partner wählen Klasse IV, und der Splittingvorteil wird auf beide aufgeteilt, etwa im Verhältnis 60 zu 40. Aber dies wird nur selten genutzt.

Lösung 2: Splitting ganz abschaffen Auch bei Paaren soll jeder Partner für sich Steuern zahlen – dieses Prinzip der Invidivualbesteuerung gibt es in vielen Ländern. Doch so radikal geht das wohl in Deutschland nicht. Wer kein eigenes Einkommen hat, hätte nichts vom Grundfreibetrag, der das Existenzminimum steuerfrei stellt. Das aber macht das Verfassungsgericht zur Mindestbedingung. Daher gibt es den Vorschlag, dass der Freibetrag auf den Partner übertragen werden kann. Das wollen auch die Grünen, allerdings nur für neu geschlossene Ehen. Da haben sie gelernt: 2013 wollten sie das auch für bestehende Ehen innerhalb von zehn Jahren umsetzen, was damals als ein Grund für ihre bittere Wahlniederlage galt.

Lösung 3: Realsplitting. Dieses Modell folgt den Regeln für Unterhaltszahlungen zwischen getrennt lebenden oder geschiedenen Ehepartnern: Der Partner mit dem höheren Einkommen kann für die Steuer einen Betrag an den anderen übertragen – etwa 13?800 Euro – und bei sich als Sonderausgabe abziehen. Der andere muss nur diesen Betrag versteuern. Variieren lässt sich dies durch die Höhe des Abzugsbetrags. Dadurch würden insbesondere gutverdienende Paare mehr Steuern zahlen.

Lösung 4: Familiensplitting. Gelegentlich wird gefordert, die Kinder stärker bei der Einkommensteuer zu berücksichtigen. Zum einen könnte der Grundfreibetrag für Kinder auf das gleiche Niveau angehoben werden wie für Erwachsene. Zum anderen könnte das gesamte Familieneinkommen auf alle Familienmitglieder verteilt werden. Allerdings würden auch davon Gutverdiener besonders stark profitieren, Geringverdiener dagegen nicht.

Was wollen andere Parteien? Bei ihnen taucht das Stichwort Ehegattensplitting sehr vage auf. Die SPD nimmt sich nur vor, es für neu geschlossene Ehen zu ändern – wie, bleibt völlig offen. Die Linke spricht von „familienfreundlichen Steuermodellen“ und dem Übertragen des nicht ausgenutzten steuerlichen Existenzminimums. Die AfD setzt sich für ein Familiensplitting ein. Die FDP will am bestehenden Ehegattensplitting nicht rütteln. In der Union gibt es Befürworter eines Familiensplittings. Doch ist offen, was in ihr Wahlprogramm kommt.

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Erstellt:
16.04.2021, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 25sec
zuletzt aktualisiert: 16.04.2021, 06:00 Uhr

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