Horb

Neujahrsempfänge sind dazu da, ins alte Jahr zurückzublicken und vorauszuschauen, was das neue so br

22.01.2019

Von Dagmar Stepper

OB Peter Rosenberger wünscht sich, dass „wir gemeinsam mit etwas mehr Bürgerstolz auf unser Horb schauen“. Bilder: Karl-Heinz Kuball

OB Peter Rosenberger wünscht sich, dass „wir gemeinsam mit etwas mehr Bürgerstolz auf unser Horb schauen“. Bilder: Karl-Heinz Kuball

Neujahrsempfänge sind dazu da, ins alte Jahr zurückzublicken und vorauszuschauen, was das neue so bringen mag. Wenn das neue Jahr auch nicht mehr ganz so jung ist und der Frohes-neues-Jahr-Gruß nicht mehr ganz so selbstverständlich über die Lippen kam, gehört es sich als Horber, sich beim städtischen Empfang blicken zu lassen. Am Sonntagnachmittag füllten sich die Stuhlreihen auch recht schnell, am Ende waren es über 400 Gäste, auf die ein prall gefülltes Programm mit Reden, Musik und anderen Unterhaltungspunkten wartete.

Imagefilm für Horb

Um 16 Uhr ermahnte der Gong, sich nach dem Come-Together brav zu setzen. Jazzsängerin Katharina Krebitz und DJ Peter Röhm stimmten poppig auf das kommende Programm ein. Der Neujahrsempfang stand dieses Jahr unter dem Motto „Digitalisierung“ – ein Wort, das in aller Munde ist, da es die Gesellschaft bekanntlich vom Kopf auf die Füße stellt (siehe dazu extra Artikel). Digital ging es rasant weiter mit dem neuen Imagefilm der Stadt Horb, den das Videostudio RaBe gedreht hatte. Darin werden Horbs Schönheiten gepriesen, um „unsere Stadt künftig nach außen noch stärker in den Fokus zu rücken“, wie Oberbürgermeister Peter Rosenberger betonte.

Nach dieser Bilderflut war das Publikum geneigt, seinem Stadtoberhaupt zu lauschen, das sich erst der Digitalisierung widmete, dann Horb und der großen Welt. Im Schnellschritt ging er durch die zurückliegenden Monate des alten Jahres, erinnerte daran, dass im Februar 2018, ganze 135 Tage nach der Bundestagswahl, der Koalitionsvertrag festgezurrt wurde – in Horb dagegen Ministerpräsident Winfried Kretschmann zu Gast war. An den Juli mit dem schnellen WM-Aus der deutschen Nationalmannschaft will sich fast niemand erinnern, an die 1250-Jahr-Feier von Bildechingen dagegen schon.

Da Neujahrsempfänge auch immer gut sind, Überraschungen zu präsentieren, kündigte OB Rosenberger Gespräche mit dem Wissenschaftsministerium an, um nach dem Abriss des alten Feuerwehrhauses den Campus Horb zu erweitern. Außerdem soll die Stadionhalle für 2,3 Millionen Euro generalsaniert werden.

Stolz wies Rosenberger auf den ausgeglichenen Haushalt hin, der auch in diesem Jahr erreicht wird: „Den Schuldenstand im Hoheitsbereich lassen wir quasi im Endspurt weiter schmelzen. Ende nächsten Jahres werden wir planmäßig keine Schulden mehr ausweisen.“

Rosenberger betonte, dass Horb neue Gewerbeflächen benötigt und die medizinische Versorgung verbessert werden muss. Mit dem Bau der Hochbrücke komme jetzt Belastung, aber danach wird Horb rund 50 Prozent weniger Autos und 80 Prozent weniger Schwerlastverkehr ertragen müssen. Eine kleine Spitze gegen Mayk Herzog verkniff sich Rosenberger nicht: „Lieber Herr Herzog, es ist doch auch Ihre Stadt, helfen Sie endlich mit und werden Sie an dieser prominenten Stelle zum Erfolgsfaktor. Ihre künftigen Entscheidungen am Lotzer-Haus können immens viel Positives bewirken.“

Brücke und Wahlen

Die Kommunalwahlen im Mai wurden ebenfalls kurz gestreift. Er appellierte, zur Wahl zu gehen oder gar zu kandidieren, und kritisierte die wachsende anonyme Kritik an Kommunalpolitikern in den sozialen Medien. Außerdem wünscht sich Rosenberger „dass wir gemeinsam mit etwas mehr Bürgerstolz auf unser Horb schauen“.

Zwischen den einzelnen Redebeiträgen unterhielten Katharina Krebitz und DJ Peter Röhm immer wieder die Besucher. Verstärkung bekamen sie bei einem Stück von der 15-jährigen Tabea Stäbler, wofür es besonders viel Applaus gab.

Die SPD-Bundestagsabgeordnete Saskia Esken streifte in ihrem Grußwort die Horber Hochbrücke – „Anfangs war es vielleicht eine verrückte Idee, aber jetzt geht es endlich los“ — und das bevorstehende Wahljahr: „Mein Appell an die Frauen: Überlassen Sie die Parlamente nicht den Männern.“

Michael Theurer, FDP-Bundestagsabgeordnete und früherer Horber OB, strahlte am Rednerpult übers ganze Gesicht. „Es ist ein erhebendes Gefühl, mal wieder beim Horber Neujahrsempfang sprechen zu dürfen.“

Er freute sich über die vielen Glückwünsche zum Vaterwerden und flachste: „Ich habe ja lange geglaubt, das Dreikönigstreffen sei das aufregendste Ereignis am Jahresanfang. Aber es geht noch aufregender, das können Sie mir glauben.“ Danach wurde Theurer ganz der liberale Bundespolitiker, der sich gegen zu viel Staatseinmischung, für den Verbrennungsmotor und die Senkung von Steuern aussprach.

Der Abschluss des Neujahrsempfangs war dann nicht digital, sondern ganz analog – mit den Horber Nachtwächtern. In altem Gewand, mit Laterne und Hellebarde huschten sie nicht durch die Horber Historie und schütteten ihren Hohn und Spott nicht über Freudenstadt sondern über Horb aus, da sie dieses Jahr beim Thomastag leer ausgegangen waren.

Saskia Esken

Saskia Esken

Michael Theurer

Michael Theurer

Die Chancen und Risiken der Digitalisierung

Die Welt in Nullen und Einsen aufzuteilen ist derzeit en vogue in Deutschland, und das war beim Neujahrsempfang der Stadt Horb am Sonntag in der Rundhalle nicht anders. „Digitalisierung“ war das Wort des Tages. Was aber beabsichtigt war: „Die Digitalisierung, die wir gerade durchmachen, dürfte vergleichbar sein mit der Industrialisierung im 19. Jahrhundert“, sagte Oberbürgermeister Peter Rosenberger. Er startete den Reigen der Redner, die um das Thema kreisten, das die Gesellschaft massiv verändert. Das allerdings auch nicht so greifbar ist wie feuerspuckende Maschinen und rauchende Schlote, denn Digitalisierung spielt sich in virtuellen Welten ab, die von Computer-Mäuschen bewegt werden.

Doch wie der OB treffend formulierte „betrifft diese Entwicklung bereits heute schon all unsere Lebensbereiche“. Nicht nur die Arbeitsprozesse haben sich verändert, sondern auch das Privatleben. Wer kann heute noch ohne WhatsApp? Und welches Unternehmen kann ohne Internet überleben? Um nicht abgehängt zu werden, muss die Infrastruktur ausgebaut werden – vor allem im ländlichen Raum. Dafür nimmt die Stadt auch selbst Geld in die Hand, „obwohl die Kommunen dafür überhaupt nicht zuständig sind“, wie Rosenberger gegen Bund und Land stichelte. Bei den Stadtwerken gibt es längst eine eigene Sparte „Breitband“; jährlich investiert die Stadt 1 Million Euro für das schnelle Internet in den Teilorten. Dieses Jahr sollen sämtliche Ortslagen Horbs, mit Ausnahmen von Aussiedlerhöfen und Weilern, an mindestens 50 Mbit/s
angeschlossen werden.
Damit werden die 2019 die bisherigen weißen Flecken im Breitbandatlas des Bundes im Horber Stadtgebiet verschwinden“, versprach
Rosenberger.

Das Digital Hub Horb soll sein Übriges tun, die Digitalisierung voranzutreiben. Start-ups und andere Unternehmen können sich beraten lassen und Netzwerke knüpfen. Die Kinder sollen ebenfalls auf das digitale Zeitalter vorbereitet werden. Gerade läuft dazu ein Pilotprojekt am Martin-Gerbert-Gymnasium. „Wir wollen den Prozess des Wandels in unserer Stadt selbst in die Hand nehmen und ihn aktiv mitgestalten“, betonte der OB. Er erwähnte allerdings auch die Risiken, die mit der Digitalisierung verknüpft sind: Hackerangriffe, Informationsflut, fehlender persönlicher Kontakt. „Wir brauchen einen achtsamen Umgang und viel Eigenverantwortung beim Einzelnen.“

Der Festredner beim Neujahrsempfang, Dr. Jürgen Jähnert, Geschäftsführer von bwcon, widersprach Rosenberger in einem Punkt: „Digitalisierung ist keine Revolution.“ Er verglich sie mit einem Paradigmenwechsel. Dass die Digitalisierung allerdings das Leben und die Arbeitswelt komplett umkrempelte, dem widersprach Jähnert nicht (siehe das Außerdem).

Die SPD-Bundestagsabgeordnete Saskia Esken war bei dem Thema ganz in ihrem Metier, sitzt sie doch im
Ausschuss Digitale Agenda. Für sie ist es eine Revolution, über deren Risiken man sich bewusst sein muss. Esken
erwähnte Datenschutzskandale und die Datensammelwut von Facebook & Co.
Diese diene auch der gezielten Manipulation von
Meinungsbildung.

Michael Theurer sprach gar vom „digitalen Tsunami“, bei dem vor allem kleinere und mittlere Unternehmen in Gefahr geraten, hinweggefegt zu werden.

Digital ins neue Jahr Neujahrsempfang Über 400 Gäste stimmten sich am Sonntag in der Horber Rundhalle auf das neue Jahr ein.

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Erstellt:
22.01.2019, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 4min 42sec
zuletzt aktualisiert: 22.01.2019, 01:00 Uhr

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