Der Profiler

Said Massou legt bei der Agentur für Arbeit den Grundstein für funktionierende Integration

Schon vor vierzehn Jahren wurde Deutschland zu seiner Heimat. Jetzt hilft Said Moussa Flüchtlingen auf dem schwierigen Weg in den deutschen Arbeitsmarkt. Der Arbeitsvermittler der Agentur für Arbeit zieht dabei mit seinem Laptop durch den Kreis Freudenstadt und erfasst Personendaten, Qualifikation und Herkunftsgeschichte von Flüchtlingen mit guter Bleibeperspektive. „Profiling“ nennt sich das – einer der Eckpfeiler für gelungene Integration.

10.03.2016

Von Benjamin Breitmaier

Der Weg in den Arbeitsmarkt: Said Moussa versucht ihn für Flüchtlinge im Kreis Freudenstadt einfacher zu gestalten.Bilder: bbm

Der Weg in den Arbeitsmarkt: Said Moussa versucht ihn für Flüchtlinge im Kreis Freudenstadt einfacher zu gestalten.Bilder: bbm

Horb. Es dreht sich alles um sie: die Sprache. Sie verbindet, macht Kommunikation möglich. Wer sie nicht beherrscht, bleibt oft isoliert. Jeder Antrag, jedes Schild wird zur Hürde. Doch die deutsche Sprache zu erlernen ist hart. Das stellen gerade tausende Flüchtlinge fest, die fast täglich mit dem deutschen Vokabular und einer komplexen Grammatik ringen. Trotz intensiver Sprachförderung dauert es mindestens zwei Jahre, bis eine Person deutsch sprechen und schreiben kann. Dennoch lohnt der Aufwand. Oft bedeutet die Sprachkenntnis für anerkannte Flüchtlinge den Zugang zu einem Arbeitsmarkt, der auf motivierte Bewerber wartet.

Den Weg in den Arbeitsmarkt zu ebnen, ist Aufgabe von Said Moussa. Der Arbeitsvermittler der Freudenstädter Geschäftsstelle der Agentur für Arbeit Nagold-Pforzheim hat nicht nur drei Hochschulabschlüsse, sondern auch eine Lizenz als Dolmetscher. Moussa kann die Sprachbarrieren einreißen. Moussa studierte in Tübingen Kulturwissenschaften und spricht aufgrund seiner Herkunft arabisch. Seine Aufgabe: das „Profiling“. Moussa ist zuständig für den Kreis Freudenstadt und besucht unter der Woche Sprachkurse. Hier redet er mit Flüchtlingen. Sein wichtigster Helfer: ein Laptop. Erfasst werden Personendaten, Qualifikation und Herkunftsgeschichte – eine halbe Stunde Zeit pro Gespräch. Anhand der Daten kann Moussa weitere Schritte zur Integration leisten. „Dabei spielt das Erlernen der Sprache eine zentrale Rolle“ – das weiß auch Stefan Gauss, Pressesprecher der Agentur für Arbeit Nagold-Pforzheim.

Ein Grund, warum die Agentur selbst in der Sprachförderung aktiv wurde: Oktober 2015 – das Bundesamt für Migration war überlastet, die Nachfrage nach Sprachkursen hoch, die Wartelisten für Flüchtlinge lang. Auch im Kreis Freudenstadt wurde das Angebot an Deutsch-Kursen knapp. Die Agentur für Arbeit fasste einen Entschluss: „Wir wollten den Druck aus dem Kessel nehmen“, sagt Stefan Gauss. Ein Programm wurde aufgelegt: 320 Unterrichtseinheiten à 45 Minuten pro Flüchtling in Gruppen bis zu 25 Personen. Das Programm startete im Dezember des vergangenen Jahres. Die Kurse finden bei verschiedenen Bildungseinrichtungen wie der Volkshochschule oder privaten Trägern statt. Einer dieser privaten Träger ist das Hermann-Hesse-Kolleg. Hier führt Moussa auch seine „Profiling“-Gespräche. Eine Frage spielt dabei eine große Rolle: „Was wollt ihr machen?“ Zwei Wünsche überwiegen: Arbeit oder Studium.

80 Prozent der Flüchtlinge sind Männer. Bei einem Durchschnittsalter von 24 Jahren lässt dieser Wunsch Unternehmen aus der Region aufhorchen. Diese kämpfen seit Jahren oft mit unbesetzten Ausbildungsplätzen. „Viele Flüchtlinge haben akademische Titel“, erklärt Moussa. Es gelte, dieses Potenzial so schnell wie möglich auszuschöpfen.

Hier setzt die Agentur für Arbeit an: Wegebau heißt das Programm. Es gibt Arbeitgebern die Chance, Personen einzustellen, deren spätere Ausbildung finanziell gefördert wird. Beispielsweise übernimmt die Agentur Ausfallzeiten, während die Kräfte in der Berufsschule sind. Das Programm gibt es bereits seit Jahren. Durch die aktuelle Anzahl an Flüchtlingen steigt jedoch die Relevanz. Laut Gauss lohnt sich der Aufwand: „Es war von Anfang an klar: Integration ist ein Marathon, kein Sprint.“ Dennoch sieht er optmistisch in die Zukunft: „Die Wirtschaft ist bereit, diesen Menschen eine Chance zu geben“ – auch wenn es etwa fünf Jahre dauert, ungelernte Flüchtlinge fit für den Arbeitsmarkt zu machen.

Aktuell läuft für sie eine weitere Integrationsmaßnahme an: Hinter dem Kürzel „Perjuf“ steckt das Programm „Perspektive für junge Flüchtlinge“ – eine Kombination aus Sprachförderung, Bewerbungshilfe und Jobinformation. Ein weiteres Instrument in Said Moussas Integrations-Koffer. Die Maßnahme geht über sechs Monate.

Mittwochmittag, Hermann-Hesse-Kolleg in der Horber Hirschgasse. Etwa 20 Personen sind im Raum. Die meisten sind Syrer. „Heute morgen haben wir zum ersten Mal eine Bewerbung geschrieben“, erklärt Lehrerin Kirsten Timme. Der Kurs ist Teil des Programms der Agentur für Arbeit. Bald läuft es aus, das Bundesamt für Migration übernimmt wieder. Das Ziel für die Flüchtlinge bleibt das gleiche: Sprachniveau C1. Wer das Level erreicht, kann an einer Universität studieren, oder den deutschen Arbeitsalltag bewältigen. Der Weg dorthin ist lang, doch der Unterrichtsbesuch zeigt, dass ihn jeder hier gehen will.

Sprachkurs im Hermann-Hesse-Kolleg mit Lehrerin Kirsten Timme

Sprachkurs im Hermann-Hesse-Kolleg mit Lehrerin Kirsten Timme

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Erstellt:
10.03.2016, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 01sec
zuletzt aktualisiert: 10.03.2016, 01:00 Uhr

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