Horb/Landkreis · Landwirtschaft

Was Hitze anrichtet, und welche Vorteile Misthaufen haben

Teils verkümmerter Weizen, aber eine „sehr gute“ Wintergerstenernte: Der Chef des Kreisbauernverbands, Gerhard Fassnacht, und Gerd Mezger von der Baywa sprechen über Erträge, den Zustand der Böden und das Insektensterben.

22.08.2019

Von Philipp Koebnik

Stoppelige Felder, auf denen Ballen von Stroh und Getreide liegen: Die Ernte ist derzeit noch in vollem Gange. Bild: Karl-Heinz Kuball

Stoppelige Felder, auf denen Ballen von Stroh und Getreide liegen: Die Ernte ist derzeit noch in vollem Gange. Bild: Karl-Heinz Kuball

Wer dieser Tage durch die Landschaft fährt oder spaziert, sieht viele stoppelige Felder. Sie künden von der Getreideernte, die mancherorts im Kreis schon abgeschlossen ist, an anderer Stelle jedoch noch andauert. So sei man im Gäu seit rund zwei Wochen fertig, während im Schwarzwald vor allem der Weizen noch stehe, wie Gerhard Fassnacht, Vorsitzender des Kreisbauernverbands, der SÜDWEST PRESSE erläuterte. Ein abschließendes Urteil über die Ernte mag er deshalb nicht abgeben.

Dennoch zeigt sich Fassnacht vorsichtig optimistisch. Er rechne mit einer Ernte, „wie wir sie in früheren Jahren hatten“. Das deckt sich mit der Einschätzung des Deutschen Bauernverbands (DBV), der bereits Anfang Juli in seiner Prognose von einer Getreideernte knapp unter dem Durchschnitt ausging.

Konkret rechnet der DBV mit einer Menge von rund 47 Millionen Tonnen. Zum Vergleich: Von 2000 bis 2017 schwankte die Getreideernte in Deutschland zwischen 39,4 Millionen Tonnen (2003) und 51,8 Millionen Tonnen (2014). Einen Einbruch gab es dann im Rekordhitze-Jahr 2018 mit nur 38 Millionen Tonnen. Im Durchschnitt der Jahre 2000 bis 2018 betrug der Wert 45,74 Millionen Tonnen Getreide.

Gerd Mezger, Baywa-Spartengeschäftsführer Agrar Württemberg, spricht für die Region Freudenstadt von einer „mindestens durchschnittlichen bis guten Getreideernte“. Die Mengen lägen ungefähr auf Vorjahresniveau, die Qualitäten seien etwas schwächer als 2018. Zwar schwankten die Erträge regional, doch insgesamt sei es „ein ordentliches, zufriedenstellendes Erntejahr“.

Das Wetter in den vergangenen Monaten bezeichnet Fassnacht als „durchwachsen“ – was positiv gemeint ist. „Mal regnet’s hier, mal regnet’s dort.“ Man habe es mit „ziemlich ausgeglichenen Niederschlägen überall“ zu tun gehabt. Die Trockenheit sei jedenfalls „nicht so dramatisch“ gewesen, wie es manche befürchtet hatten. Die Böden seien weder zu trocken noch zu feucht.

Mezger ist in dieser Hinsicht weniger entspannt: „Die Böden haben sich noch nicht erholt und sind nach wie vor sehr trocken.“ Jedoch seien die Niederschläge seit dem Frühjahr nach Menge und Zeitpunkt insofern günstig gefallen, als sich die Pflanzenstände relativ gut entwickeln konnten. „Was die Böden nun dringend benötigen, sind kontinuierliche und überdurchschnittliche Niederschläge über die Winterperiode.“

„Kümmerkörner“ beim Weizen

In diesem Sommer habe es zwei besonders heiße Wochen gegeben, so Fassnacht. Negativ ausgewirkt habe sich vor allem die Hitzephase im Juni. Viele Kulturen vertrockneten in dieser Zeit. In dem Fall seien nicht ausgetrocknete Böden das Problem, sondern die massive Sonneneinstrahlung von oben: „Dann verbrennt das Getreide regelrecht.“ Dem Weizen habe die Juni-Hitze „weh getan“: Durch die Trockenheit bilden sich lediglich „Kümmerkörner“, also verkümmerte Körner, die gerade einmal halb so groß sind wie sonst. Dem Mais wiederum mache die Hitze nichts aus.

Was die einzelnen Getreidearten angeht, zeichnet Fassnacht ein gemischtes Bild. Während die Wintergerstenernte „sehr gut“ und die Weizenernte – trotz der Hitze – „relativ gut“ ausgefallen seien, bezeichnet Fassnacht die Rapsernte lediglich als „okay“ und die Ernten bei der Sommergerste und beim Hafer gar als „nicht so gut“. Letzteres liege wohl darin begründet, dass es im Frühjahr zu kalt gewesen sei. Insgesamt, so Fassnachts Urteil, sei es in diesem Jahr aber „deutlich besser“ gelaufen als 2018. Beim Gras sei es ein „normales Jahr“ gewesen, ergänzt der Landwirt.

Detaillierter sind Mezgers Ausführungen. Demnach liegen die Mengen bei Weizen und Braugerste „etwa auf Vorjahresniveau mit ordentlichen Qualitäten“. Raps weise geringere Erträge bei guten Qualitäten auf. „Die Niederschläge haben zwar ausgereicht, um gute Pflanzenstände zu entwickeln. Wegen der Hitze im Juni hat sich die Getreideernte aber um zehn Tage verfrüht, was mögliche Spitzenerträge verhindert hat“, so Mezger. Die Landwirte haben demnach wegen der vorgezogenen Ernte pro Hektar etwa eine halbe bis 1 Tonne weniger geerntet. Mit Blick auf den Mais sei der Ertrag noch nicht absehbar. Die Zeit bis zur Ernte ab Mitte September bestimme die weitere Ertragsentwicklung „maßgeblich“.

Preisentwicklung nicht absehbar

Wenig Probleme gab es laut Fassnacht mit Pilzbefall. Mezger bestätigt: „Das Erntejahr 2019 verzeichnet gerade wegen der Trockenheit recht gesundes Getreide mit nur geringem Pilzbefall.“
Gerhard Fassnacht

Gerhard Fassnacht

Ein vieldiskutiertes Thema ist das Insektensterben. Mezger sagt, dass „die Landwirtschaft“ ein großes Interesse am Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen, also auch von Bestäuber-Insekten und anderen Nützlingen habe. Daher unterstütze man die Landwirte, „beispielsweise durch Anbauberatung, Blühmischungen und anderes mehr“. Fassnacht merkt nach eigenem Bekunden „überhaupt nichts“ vom Insektensterben. Draußen in der Natur gebe es genug Insekten, ist er überzeugt. Falls die Zahl der Insekten zurückgehe, sei indes „übertriebene Hygiene“ die Ursache dafür, nicht etwa der Einsatz von Insektiziden durch die Landwirte. Nötig seien mehr Misthaufen – denn an jedem Haufen Mist gebe es auch einen Haufen Insekten, so Fassnacht.

Die Entwicklung der Getreidepreise sei derzeit noch nicht abzusehen. „Ab Anfang Juli sorgten für die EU und Russland prognostizierte Ernteeinbußen aufgrund der Trockenheit für Preisanstiege an MATIF und CBOT“, so Mezger. „Auf- oder Abwärtstendenzen sind aktuell nicht eindeutig, der Markt könnte sich in beide Richtungen bewegen.“

Spüren die Landwirte den Klimawandel?

Die Folgen des Klimawandels sind zumindest im Landkreis Freudenstadt laut Kreisbauernchef Gerhard Fassnacht noch nicht zu spüren. Nach dem Rekordhitze-Jahr 2018 seien die Niederschläge in diesem Jahr wieder in Ordnung gewesen. Und: „Heiße Wochen gab’s auch früher schon“, zeigt sich Fassnacht gelassen. Langfristig werde es durch den Klimawandel wohl eher mehr Niederschläge in Deutschland geben, meint der Vorsitzende des Kreisbauernverbands.

Die tendenziell steigenden Temperaturen und längeren Hitzeperioden führten dazu, dass sich insbesondere Mais gut hierzulande anbauen lasse. Soja hingegen benötige nicht nur viel Sonne, sondern auch langanhaltende Wärme, die jedoch in Deutschland im Frühjahr nicht gesichert sei, so Fassnacht. Allzu schnell werden die in Mitteleuropa etablierten Getreidesorten also wohl nicht verschwinden.

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Erstellt:
22.08.2019, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 54sec
zuletzt aktualisiert: 22.08.2019, 01:00 Uhr

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