Freudenstadt · Ausstellung

1895 ging Freudenstadt ein Licht auf

Vor 125 Jahren begann die Stromversorgung der Schwarzwaldstadt. Das Stadtmuseum erzählt die Geschichte von der ersten Bogenlampe bis heute.

11.07.2020

Von Dunja Bernhard

Die Litfaßsäule zeigt Werbeplakate für Glühlampen, Lichtanlagen, Bügeleisen, Christbaumbeleuchtung sowie Hotel-, Telefon- und Hausklingeln – alles elektrisch.

Die Litfaßsäule zeigt Werbeplakate für Glühlampen, Lichtanlagen, Bügeleisen, Christbaumbeleuchtung sowie Hotel-, Telefon- und Hausklingeln – alles elektrisch.

Elektrizität ist für uns heute selbstverständlich“, sagte Freudenstadts Oberbürgermeister Julian Osswald bei der Eröffnung der Ausstellung „Licht an!“ am Donnerstag im Stadtmuseum. „Wir bemerken sie nur, wenn die nicht da ist.“ So wie am Montag, als ein Brand in einer Muffe zu einem Stromausfall in Loßburg führte. Die Ausstellung berichte von einer Zeitenwende in Freudenstadt, so der OB. Jeder trage mittlerweile einen Akku durch die Gegend. Strom werde gespeichert von der elektrischen Zahnbürste bis zum Handy. „Wir sind uns des Stellenwerts dieser Ressource gar nicht mehr bewusst.“

Als am 13. September 1895, einem Freitag, die ersten beiden Bogenlampen auf dem Oberen Marktplatz für Licht in der Dunkelheit sorgten, war das etwas ganz Besonderes für die Freudenstädter. Die ersten Glühbirnen erleuchteten wenig später Hotels, eine Apotheke und das Elektrizitätswerk. Die Maschinenfabrik Esslinger baute das erste E-Werk in Freudenstadt. 1903 übernahm die Stadt das Werk für 312367 Mark. „Aber erst, nachdem die Stadtoberen geprüft hatten, ob es rentabel ist“, sagte Osswald. Heute sei das andersherum, da übernehme die Stadt jene Versorgungsbetriebe, die nicht rentabel seien.

1904 waren schon 400 Stromzähler bei Kunden installiert. Die Nachfrage stieg, nicht nur wegen der zahlreichen Hotels in der Stadt. Die Verwaltung beschloss, die Stromproduktion zu erhöhen und gleichzeitig Energie von anderen Stromanbietern zu beziehen. Mehr noch als der Preis war für die Stadtoberen die „Sicherheit des Strombezugs besonders mit Rücksicht auf die Fremdenindustrie“ entscheidend. Den Zuschlag erhielt 1913 die Überlandzentrale Glatten.

Die Stadt konzentrierte sich fortan neben der Produktion auf die Verteilung der Energie, sagte Osswald. Es blieb nicht bei der Versorgung der Bevölkerung mit Strom. Hinzu kamen Wasser und Gas.

Die Idee, Strom mit einem Wasserkraftwerk am Forbach zu produzieren, verwarf die Stadt Anfang der 1920er Jahre als zu teuer. Stattdessen schloss sie einen Vertrag mit dem Bezirksverband Heimbachkraftwerke.

Vom Wirtschaftswunder profitiert

Die NS-Ideologie machte auch vor dem Freudenstädter E-Werk nicht halt. Ab 1935 verfügte die Stadtverwaltung, dass Aufträge nur noch an Mitglieder der Deutschen Arbeitsfront vergeben und keine Beziehungen mehr zu Juden unterhalten werden.

1938 ordnete Bürgermeister Blaicher den Zusammenschluss der einzelnen Versorgungsbetriebe zum Eigenbetrieb Stadtwerke an. Nach dem Zweiten Weltkrieg profitierten die Stadtwerke vom Wirtschaftswunder. Zwischen 1963 und 1968 wurden neun Umspannstationen in Freudenstadt und Zwieselberg in Betrieb genommen. 1999 wurde der Eigenbetrieb Stadtwerke privatisiert und zu dem Stadtwerken Freudenstadt GmbH & Co KG umgewandelt. Sie übernahmen die Stromnetze in den Teilorten und 2016 das Stromnetz Loßburg. Als Oberbürgermeister ist Osswald Aufsichtsratsvorsitzender der Stadtwerke.

Die Ausstellung erinnere daran, wie wichtig es ist, eine sichere Versorgung zu haben, sagte er. Während der Corona-Pandemie sei das Krisenmanagement alles andere als einfach gewesen mit Homeoffice und Kinderbeschulung. „Strom, Wasser und Gas haben immer zu Verfügung gestanden“, sagte Julian Osswald.

Peter Günther, Stadtwerke Geschäftsführer und Maschinenbauer, übernahm den technischen Teil der Einführung. 1895 war es eine Dampfmaschine in der Kleinrheinstraße die 400 Kilowattstunden erzeugte. Das würde heute für 110 bis 120 Haushalte reichen, sagte Günther. Ab 1907 verband eine Stromleitung Freudenstadt mit der Ziegelhütte in Glatten. Der Durchmesser betrug 16 Millimeter, heute haben die Leitungen eine Dicke von 180 Millimetern. Mit dem Einsatz einer Rundsteueranlage konnten Tag- und Nachttarife eingeführt werden. Das war der Beginn der intelligenten Netze, sagte Günther. Stromversorgung wurde zu einem Wirtschaftsfaktor. Seit den 1990er Jahren kaufen Versorger Strom an der Börse. Die Stadtwerke Freudenstadt setzen zu 63 Prozent auf regenerative Quellen. Die Stadt liegt damit weit über dem baden-württembergischen Durchschnitt von 27 Prozent.

Elektrizität von jeher bekannt

Die Stadt setzt auf Blockheizkraftwerke wie im Panoramabad und am Hochschul-Campus. Beim Krankenhaus wird Strom aus Gas gewonnen. Auf der Falkenrealschule fängt eine PV-Anlage Sonnenenergie ein. Das Versorgungsgebiet der Stadtwerke geht längst über Freudenstadt hinaus bis Loßburg, Dornhan und Alpirsbach.

Dr. Renate-Karoline Adler, Leiterin des Stadtarchivs, sagte: „Elektrizität ist dem Menschen von jeher bekannt.“ Als Angst vor Blitzen. Erst im 19. Jahrhundert gelang es, Elektrizität zu bändigen und nutzbar zu machen. Es sei ein langer Weg gewesen, bis Strom vom Produktionsort zu Verbrauchern transportiert werden konnte. 1881 mit der ersten Internationalen Elektrizitätsausstellung in Paris gelang der Durchbruch. „Elektrizität betrifft alle Lebensbereiche, nicht nur die Wirtschaftsgeschichte, sondern auch die Sozial- und Kulturgeschichte“, sagte Adler. Mit der Erfindung des elektrischen Lichts konnten Menschen abends zusammensitzen und auch noch arbeiten. Sie wurden unabhängig vom Tag-Nacht-Rhythmus. Bei der Bogenlampe bildete sich ein Lichtbogen zwischen zwei glühenden Kohlestiften. Sie wurde vor allem draußen eingesetzt. Mit Rasierern, Lockenstäben und Toastern wurden Bedarfe geweckt, sagte Adler. Bis allerdings die elektrische Waschmaschine erfunden wurde, habe es ein halbes Jahrhundert gedauert.

Die Ausstellung ist eine Gemeinschaftsarbeit der Stadtwerke mit Stadt- und Kreisarchiv sowie mit dem Baubetriebsamt, das die Podeste und Präsentationsflächen baute.

Mit diesem Quecksilberelektrolytzähler wurde vor 1910 der Stromverbrauch gemessen.

Mit diesem Quecksilberelektrolytzähler wurde vor 1910 der Stromverbrauch gemessen.

Diese gusseisernen Verbindungsmuffen für Erdkabel bewähren sich seit 100 Jahren. Bitumen und Teer isoliert die Stromkabel.

Diese gusseisernen Verbindungsmuffen für Erdkabel bewähren sich seit 100 Jahren. Bitumen und Teer isoliert die Stromkabel.

Die Initiatoren, Finanziers und Macher der Ausstellung „Licht an - 125 Jahre Stromversorgung im Raum Freudenstadt“ waren coronabedingt die einzigen Gäste bei der Eröffnung. Bilder: Dunja Bernhard

Die Initiatoren, Finanziers und Macher der Ausstellung „Licht an - 125 Jahre Stromversorgung im Raum Freudenstadt“ waren coronabedingt die einzigen Gäste bei der Eröffnung. Bilder: Dunja Bernhard

Zum Artikel

Erstellt:
11.07.2020, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 28sec
zuletzt aktualisiert: 11.07.2020, 01:00 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen

Newsletter los geht's
Nachtleben, Studium und Ausbildung, Mental Health: Was für dich dabei? Willst du über News und Interessantes für junge Menschen aus der Region auf dem Laufenden bleiben? Dann bestelle unseren Newsletter los geht's!