Verkehr

Abellio jetzt in Landeshand

Die SWEG kann ab 1. Januar das finanziell angeschlagene Bahnunternehmen übernehmen. Der Vertrag gilt zunächst für zwei Jahre.

26.11.2021

Von Theo Westermann

Ein Regionalzug, der von der Firma Abellio betrieben wird, steht im Hauptbahnhof in Stuttgart.  Foto: Bernd Weißbrod/dpa

Ein Regionalzug, der von der Firma Abellio betrieben wird, steht im Hauptbahnhof in Stuttgart. Foto: Bernd Weißbrod/dpa

Stuttgart. Die Verträge sind unterzeichnet, alles ist in trockenen Tüchern, nur noch die formelle Zustimmung des Gläubigerausschusses steht aus, doch an der ist nicht zu zweifeln. Die landeseigene SWEG ist dabei, die Voraussetzungen zu schaffen, um ab 1. Januar 2022 mit der Mannschaft von Abellio den Fahrbetrieb auf den Linien des Unternehmens zu übernehmen.

Die Bahnkunden sollen möglichst wenig von dem Übergang bemerken, machten Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) und SWEG-Chef Tobias Harms am Donnerstag vor der Presse deutlich. „Jetzt sind wir an einem Punkt, wo wir sagen können: geschafft! Es hätte aber auch einen Gau geben können“, so der Verkehrsminister im Rückblick auf die Genese der Geschichte und die langwierigen Verhandlungen.

Die landeseigene Südwestdeutsche Landesverkehrs-GmbH (SWEG), die bisher vorwiegend im Busverkehr und im Bahnverkehr in Südbaden sowie in Württemberg mit der bisherigen Hohenzollerischen Landesbahn präsent ist, übernimmt die 350 Mitarbeiter der insolventen Abellio in Baden-Württemberg mitsamt dem Betriebshof in Pforzheim. „Es war selbstverständlich für uns als Landesgesellschaft, dass wir in dieser Krise Verantwortung übernehmen“, sagte Harms. Man wolle nicht nur als Investor auftreten, sondern sich langfristig engagieren. „Wir wollen uns in zwei Jahren dem Wettbewerb stellen.“

Vor vier Wochen hatte das Landeskabinett grünes Licht für den Rettungsplan gegeben, der über viele Wochen vom Verkehrsministerium mit den Abellio-Gläubigern verhandelt wurde.

Im Sommer 2021 hatte die Abellio Deutschland, Tochter des niederländischen Staatskonzerns Nederlandse Spoorwegen, mit sämtlichen regionalen Gesellschaften Insolvenz erklärt. Relativ schnell in dem Verfahren war klar geworden, dass Land und Abellio nicht mehr zusammenkommen, dies vor allem wegen den finanziellen Nachforderungen des Mutterkonzerns sowie eines zerrütteten Vertrauensverhältnisses.

Die SWEG wird Abellio Baden-Württemberg samt Mitarbeiter für zwei Jahre übernehmen und bekommt für den Betrieb des Netzes die zusätzlichen Kosten erstattet. Dies sehen die Regeln einer Notvergabe für einen befristeten Zeitraum vor. Der Name Abellio wird aus markenrechtlichen Gründen in den Monaten nach der Übernahme verschwinden, das Land und die SWEG suchen noch nach einem neuen Namen. In einem eigenen Vertrag wurde auch die befristete Übernahme der IT-Systeme von Abellio geregelt, Voraussetzung dafür, dass ab 1. Januar alles reibungslos läuft.

Der Kaufpreis für Abellio beträgt laut SWEG-Chef Tobias Harms nicht ganz sechs Millionen Euro. „Es wird eine 5 vor dem Komma stehen.“ Der Kaufpreis werde durch einen zunächst nicht zu bedienenden Kredit finanziert, den ein künftiger Betreiber in zwei Jahren – wenn er denn nicht SWEG heißen sollte – übernehmen muss.

Aktuell wird im Ministerium bereits eine Ausschreibung für 2024 vorbereitet. Neu dabei ist, das machte Hermann deutlich, dass es nicht nur um das bisherige Netz geht. Vielmehr müssen die Bieter auch Betrieb und Personal übernehmen. „Wir wollen damit erreichen, dass die Arbeitnehmer nicht weggehen“, machte der Minister mit Blick auf den leergefegten Arbeitsmarkt für Bahnpersonal deutlich.

2016 hatte Abellio die Ausschreibung für das sogenannte Stuttgarter Netz gewonnen, also Linien von Stuttgart nach Tübingen, Pforzheim, Bruchsal, Heidelberg und Mannheim sowie in die Region Heilbronn-Franken.

FDP warnt vor „Schienenverkehr-Chaos“

Michael Joukov-Schwelling (Ulm), bahnpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion, nannte die Übernahme von Abellio Baden-Württemberg durch die SWEG eine „gute Nachricht“.

Kritisch wird der Deal hingegen von der FDP beäugt. „Ich warne vor einem drohenden Schienenverkehrs-Chaos. Die SWEG steht mit der Übernahme der Abellio Rail vor ganz erheblichen Herausforderungen. Die pünktliche und zuverlässige Erbringung von Verkehrsleistungen in Metropolregionen ist etwas ganz anderes“, so der FDP-Abgeordnete Christian Jung (Bretten). „Logistisch und operativ ist das neue Gebiet etwas ganz anderes. Das ist hochkomplex.“ Auch mit der Übernahme des Aufsichtsratsvorsitzes bei der SWEG durch den Verkehrsminister hat die FDP Schwierigkeiten. Winfried Hermann sagte, dies sei ein gängiges Verfahren sowohl im Bund wie in den Ländern bei eigenen Unternehmen. tw

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Erstellt:
26.11.2021, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 55sec
zuletzt aktualisiert: 26.11.2021, 06:00 Uhr

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