Horb · Kulturgeschichte

Drei Könige und zwei Elefanten

Die Dreikönigsgruppe in der Rottweiler Krippe verrät einiges über die künstlerischen Fähigkeiten ihres Schöpfers, des Horbers Wilhelm Klink.

04.01.2020

Von Norbert Geßler

Dem Kind in der Krippe, dem neugeborenen König der Juden, gilt der Besuch der Weisen aus dem Morgenland. Bilder: Karl-Heinz Kuball

Dem Kind in der Krippe, dem neugeborenen König der Juden, gilt der Besuch der Weisen aus dem Morgenland. Bilder: Karl-Heinz Kuball

Als im Rottweiler Münster die von Wilhelm Klink geschaffene Krippe in der Weihnachtszeit 1950/51 zum ersten Mal zu sehen war (siehe SÜDWEST PRESSE vom 24. Dezember 2019), fehlten noch die Heiligen Drei Könige mit ihrem Gefolge. Diese kamen erst ein Jahr später dazu, da die Schaffenskraft des inzwischen 76-jährigen Meisters merklich nachgelassen hatte. Die Verzögerung kam dem Rottweiler Stadtpfarrer Karl Ochs sicher gelegen, konnte er in der Zeit doch weitere Spenden sammeln. So kam es, dass die drei Könige erst am Dreikönigsfest 1952 das weihnachtliche Geschehen in der Krippe vervollständigten.

Um die drei Könige ranken



sich viele Legenden

Aus dem Markusevangelium, dem wahrscheinlich ältesten der Evangelien, erfährt man nichts über die Geburt Jesu. Ausgehend vom Evangelisten Matthäus, der die drei Könige als „die Weisen aus dem Morgenland“ bezeichnet – dabei aber weder Anzahl noch Namen nennt – entstanden dann seit dem 3. Jahrhundert zahlreiche Legenden und Kommentare. So wurden im Lauf der Zeit die Weisen oder „Sterndeuter“ aus dem Morgenland (im griechischen Ausgangstext Magoi, also „Magier“) zu den drei Königen. Sie bekamen auch Namen – Caspar, Melchior und Balthasar, wobei allerdings die Zuordnung der Namen nicht klar ist.

Von drei Gaben, die die Könige dem Jesusknaben bringen – und später dann von drei Königen – ist vermutlich die Rede, weil die Zahl Drei schon immer eine hochsymbolische, gleichsam heilige Zahl war. Die Zahl Drei wird, neben dem Hinweis auf die drei Söhne Noahs, auch mit den drei Lebensaltern des Menschen und den drei damals bekannten Erdteilen Asien, Europa und Afrika in Verbindung gebracht.

Zur Legendenbildung haben auch die Reliquien der drei Könige beigetragen. Ihre (mutmaßlichen) Gebeine soll die Heilige Helena – Mutter Kaiser Konstantins – im Jahr 326 in Jerusalem gefunden und sie in die Kaiserstadt Konstantinopel gebracht haben. Von dort kamen sie bereits um 350 als Geschenk nach Mailand, wo sie blieben, bis – nun betritt man gesicherten historischen Boden – Kaiser Friedrich Barbarossa 1162 die widerspenstige Stadt Mailand eroberte und die Reliquien als „königliche“ Trophäe seinem Kanzler, dem Kölner Erzbischof Rainald von Dassel, einem der mächtigsten Männer im Reich, übergab. Dieser brachte sie nach Köln in den Dom, wo sie bis heute im „Dreikönigsschrein“ verehrt werden.

Ein letztes Kunstwerk entsteht

Bei der künstlerischen Gestaltung der drei Könige hat sich Wilhelm Klink an das Matthäusevangelium, die überlieferten Legenden und die Ikonographie gehalten. So ist auch bei ihm der bartlose Mohrenkönig als Vertreter Afrikas mit seinem jugendlichen Aussehen der jüngste der drei. Der König in der Mitte steht im Mannesalter und verkörpert wegen seiner Barttracht und seiner Kopfbedeckung Asien, während der König links bereits das Greisenalter erreicht hat und für Europa steht.

Ihre drei kostbaren Geschenke – Gold, Weihrauch und Myrrhe – haben symbolische Bedeutungen. Der König links, der demütig nieder gekniet ist, hat seine goldene Krone, das Zeichen seiner Macht, abgenommen, und hält sie dem neugeborenen König der Juden als Zeichen für das Königtum Jesu entgegen. Der mittlere König hat den rechten Fuß leicht zurückgesetzt und ist gerade dabei, ebenfalls niederzuknien. In seinem Gefäß ist Myrrhe, eine Heilpflanze, die dem heiligen Salböl beigemischt wird (Ex 30,22-33). Die Myrrhe kann aber auch auf den Tod Jesu hinweisen, denn mit Myrrhe und Aloe wurde der Leichnam Jesu einbalsamiert (Joh 19,39). Der König rechts schwingt ein Rauchfass. Der Weihrauch steht sinnbildlich für das Gebet und das Opfer.

Die unterschiedlichen Charaktere der Könige hat Wilhelm Klink durch deren individuellen Gesichtsausdruck gekonnt herausgearbeiteten. Auch die prächtigen Gewänder, vor allem die beiden Hermelinmäntel, zeigen seine Freude am detaillierten Ausgestalten.

Mit Gespür für die Nuancen

Seinen virtuosen Umgang mit dem Schnitzmesser zeigen die gut sichtbaren Spuren der Schnitzwerkzeuge, die gestalterische Funktion haben. Das reich mit Ornamenten verzierte Humerale – das Schultertuch des linken Königs – weist den Meister außerdem als exzellenten Maler aus, wie überhaupt die Fassung (Bemalung) der Figuren und ihrer Gewänder sein ausgeprägtes Gespür für die Nuancen der Farbtöne und deren Kombination dokumentiert.

Das Gefolge der Könige mit Kamelführer, Kamel und Elefanten hat Wilhelm Klink als ein eigenständiges, in sich geschlossenes Ensemble geschaffen. Hier zeigen vor allem die Satteldecken der beiden Tiere und das Zaumzeug des Kamels, wie liebevoll und detailgetreu Wilhelm Klink gearbeitet hat. Alleine der Kopf des Elefanten beeindruckt durch die anatomisch exakt herausgearbeiteten Muskel- und Schädelpartien. Man wartet förmlich darauf, dass der Elefant den Rüssel hebt und sich mit einem schmetternden Trompetenstoß Gehör verschafft.

Warum gleich zwei Elefanten

In Rottweil wurde die neue Krippe von allen bewundert, nur dem Stadtpfarrer war (merkwürdigerweise) der Elefant zu groß. Er wollte einen kleineren, den ihm der Horber Meister auch bereitwillig schnitzte. Dafür bekam Wilhelm Klink den anderen zurück, der dann als Erbstück in den Familien Reinhard und Steimle im Haus am Aischbach blieb – bis Anton Seeberger als Stadtpfarrer nach Rottweil kam. Seeberger, der anfangs der Achtzigerjahre in Horb Vikar gewesen war, hat vom Rottweiler Rechtsanwalt und Pfarrgemeinderat Rasmus Reinhardt – einem Urenkel Wilhelm Klinks – die Geschichte vom Tausch der Elefanten erfahren. Zusammen mit den Familien Reinhardt und Steimle wurde dieser Tausch dann rückgängig gemacht, sodass der von Klink zuerst geschnitzte Elefant wieder nach Rottweil kam und damit der ursprüngliche Zustand der Krippe wieder hergestellt war.

Dafür ist dann der andere Elefant wieder nach Horb gekommen, wo er jedes Jahr zur Weihnachtszeit im „Schmuck am Aischbach“ bei Lucia Steimle – einer Urenkelin Wilhelm Klinks – zu sehen ist. Er ist also in das Haus zurückgekehrt, in dem er vor fast 70 Jahren entstanden ist.

Erst vor wenigen Tagen ist die Rottweiler Dreikönigsgruppe im Sigmaringer Atelier von Erich und Melanie Buff kunstgerecht aufgefrischt und restauriert worden, sodass sie zum Dreikönigsfest wieder im alten Glanz erstrahlt. Sie ist Wilhelm Klinks letzte Arbeit, die sein reiches künstlerisches Lebenswerk würdig beschließt. Wilhelm Klink ist am 2. April 1952 als hochgeachteter Bürger in seiner Heimatstadt Horb gestorben.

Das Foto entstand vermutlich zu der Zeit, als Wilhelm Klink an der Rottweiler Krippe arbeitete.

Das Foto entstand vermutlich zu der Zeit, als Wilhelm Klink an der Rottweiler Krippe arbeitete.

„Weise“ statt drei Könige

Das Weihnachtsevangelium von Matthäus beginnt mit den Worten: „Da Jesus geboren war zu Bethlehem / Im jüdischen Lande zur Zeit des Königs Herodes / siehe / da kamen die Weisen vom Morgenland gen Jerusalem / und sprachen / Wo ist der neugeborene König der Juden? Wir haben seinen Stern gesehen im Morgenland / und sind gekommen ihn anzubeten.“

(Matth. 2,1-2)

Weiter heißt es: „Da sie (über dem Stall) den Stern sahen / wurden sie hocherfreut / und gingen in das Haus / und fanden das Kindlein mit Maria seiner Mutter / und fielen nieder / und beteten es an / und taten ihre Schätze auf / und schenkten ihm Gold / Weihrauch und Myrrhen.“ (Matth. 2,10-11).

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Erstellt:
04.01.2020, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 4min 29sec
zuletzt aktualisiert: 04.01.2020, 01:00 Uhr

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