Horb · Justiz

Freispruch trotz Blitzer-Foto

Bestimmte Modelle von Geschwindigkeitsmessanlagen, wie sie unter anderem in Horb verwendet werden, haben möglicherweise auch technische Mängel.

13.07.2019

Von Manuel Fuchs

Die Kritik an Traffistar S 350-Geschwindigkeitsmessanlagen – hier in der Stuttgarter Straße in Horb –reißt nicht ab.Bild/Verfremdung: Manuel Fuchs

Die Kritik an Traffistar S 350-Geschwindigkeitsmessanlagen – hier in der Stuttgarter Straße in Horb – reißt nicht ab.Bild/Verfremdung: Manuel Fuchs

Wie gestern berichtet, hat das Saarländische Verfassungsgericht Geschwindigkeitsmessungen mit Geräten vom Typ Traffistar S 350 des Herstellers Jenoptik für nicht gerichtsverwertbar erklärt. Weil das Gerät die Messdaten nicht vollständig speichert, ist es nach Ansicht der Richter nicht möglich, Messungen durch einen Sachverständigen überprüfen zu lassen. Dies beschädige das Recht des Angeklagten, sich angemessen zu verteidigen. Der Hersteller hat angekündigt, diese Lücke durch eine Neuprogrammierung der Geräte zu schließen. Die Stadt Horb sieht keinen akuten Handlungsbedarf, hat aber – in den Worten ihres Sprechers Christian Volk – „das Urteil zur Kenntnis genommen“.

Auf die Berichterstattung der SÜDWEST PRESSE hin nahm der Sulzer Rechtsanwalt Gunther Marko Kontakt mit der Redaktion auf. „Es kommt noch ein Problem hinzu“, sagte er und verwies auf ein über zwei Jahre zurückliegendes Gerichtsurteil: Das Amtsgericht Stuttgart sprach im März 2017 einen Autofahrer frei, der von einem Traffistar S 350-Gerät mit 53 Kilometern pro Stunde (km/h) gemessen und fotografiert worden war. Erlaubt waren 30 km/h.

Das Gericht schloss sich dabei der Einschätzung der Verteidigung an: In den gespeicherten Messdaten fehlte die Information, wie lange das Auto für die gemessene Strecke gebraucht habe. Seine Geschwindigkeit ergibt sich aus der Division von Weg durch Zeit; ohne Zeitangabe ist keine nachträgliche Berechnung der Geschwindigkeit, also keine Prüfung der Messung möglich.

Untaugliche Hilfskriterien

Auch die vom Gerät zur Verfügung gestellten Hilfskriterien, die auf dem sogenannten Auswerterahmen basieren, wurden im Stuttgarter Verfahren angefochten. Der Auswerterahmen ist eine etwa fahrzeugbreite, Rechteck-ähnliche Figur, die das Messgerät auf sein Foto projiziert.

Die Oberkante dieser Figur beschreibt einen Kreisbogen nach oben; die linke und rechte Kante des Rechtecks enden ungefähr auf Höhe der Scheinwerfer. Der Rahmen ist am höchsten Punkt des Kreisbogens doppelt so hoch wie an den Rändern. Im Auswerterahmen darf nur ein einziges Fahrzeug sichtbar sein.

Weil die Darstellung auf Basis der S-350-Aufzeichnungen den Vorgaben für den Auswerterahmen offenkundig nicht entsprach, sah sich das Stuttgarter Gericht „nicht in der Lage, die für eine Verurteilung nötige Überzeugung zu gewinnen“ und sprach den Betroffenen vom Vorwurf der Geschwindigkeitsübertretung frei.

Rechtsanwalt Marko betont die Tragweite dieses Urteils: Wenn das Traffistar S 350 den Auswerterahmen nicht zuverlässig positioniere, seien seine Messungen grundsätzlich zu hinterfragen. Er habe jedoch andere Erfahrungen gemacht: Obwohl er in Verhandlungen um Geschwindigkeitsübertretungen schon mehrfach auf das Urteil des Stuttgarter Amtsgerichts hingewiesen habe, sei in keinem dieser Fälle ein Sachverständiger hinzugezogen worden, um die von einem Traffistar S 350 durchgeführte Messung zu bewerten. Vielmehr seien Urteile nach Aktenlage ergangen – zu Ungunsten der Angeklagten.

Die von Jenoptik angekündigte Neuprogrammierung der Geräte hält Marko für Augenwischerei; sie löse das Problem der unzuverlässig positionierten Auswerterahmen nicht und zeuge lediglich von Aktionismus seitens des Herstellers.

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Erstellt:
13.07.2019, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 25sec
zuletzt aktualisiert: 13.07.2019, 01:00 Uhr

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