Horb · Stadtentwicklung

Für die nächsten 20 Jahre rüsten

Windkraft, Wohnen, Verkehr und Gewerbe: Auf die Herausforderungen, vor denen Horb steht, soll die Regionalplanung Antwort geben.

18.02.2020

Von Philipp Koebnik

Wird Windkraft bald auch in Horb genutzt? Ein Windrad bei Oberiflingen in der Abenddämmerung. Archivbild: Uwe Ade

Wird Windkraft bald auch in Horb genutzt? Ein Windrad bei Oberiflingen in der Abenddämmerung. Archivbild: Uwe Ade

Die Nachricht sorgte für Kopfschütteln bei Klimaaktivisten und Ängsten in der Windkraft-Branche: Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) gab bekannt, für den Bau neuer Windräder einen Mindestabstand von 1000 Metern zu Siedlungen mit mindestens fünf Häusern festlegen zu wollen. Betroffen wären auch bestehende Anlagen, an denen alte Windräder durch neue ersetzt werden. Kritiker befürchten, dass dieses – ausgerechnet im „Klimapaket“ fixierte – Vorhaben die Energiewende massiv gefährde. Denn: Windkraft an Land ist derzeit die wichtigste der erneuerbaren Energien. Sie erzeugte mehr als 40 Prozent des 2019 produzierten Ökostroms.

Über diese Abstandsregel will die GroKo nun nochmal verhandeln, ein Ergebnis wird im Herbst erwartet. Aus diesem Grund wird der Bereich „regenerative Energien“ (Windkraft und Photovoltaik) aus der Regionalplanung für den Nordschwarzwald ausgegliedert, wie Horbs Oberbürgermeister Peter Rosenberger und Matthias Proske, Direktor des Regionalverbands Nordschwarzwald, beim gestrigen Pressegespräch im Bürgerkulturhaus bekanntgaben.

Windräder statt Stromimporte

Mit der Veröffentlichung eines neuen „Windatlasses“ im vergangenen Jahr wurden die Möglichkeiten für Windkraft erweitert, denn es gelten nun mehr Standorte als geeignet als noch im vorigen Windatlas von 2011.

Ob Windräder gebaut werden, entscheidet die Kommune, nicht der Regionalverband. Dieser gibt lediglich an, wo welche gebaut werden könnten. In Horb gilt seit einem Gemeinderatsbeschluss von vor wenigen Jahren: Es darf überall gebaut werden – außer auf städtischen Grundstücken. „Ich habe ein Faible für Windenergie“, sagt Rosenberger. Denn Wind- und Wasserkraft könnten rund um die Uhr Strom liefern. Er wisse aber, dass es in Teilen der Bevölkerung Vorbehalte gibt. Aktuell liegt ein Antrag der OGL-Fraktion vor und es gibt laut Rosenberger überfraktionelle Gespräche dazu.

Anfragen von Investoren gebe es „immer wieder mal“, verriet der OB. Geprüft wird nun, wie viel Strom in der Region gebraucht und wie viel bereitgestellt wird. Matthias Proske geht davon aus, dass man ein Netto-Stromimporteur „größeren Umfangs“ sei. Es stelle sich die Frage, ob und wie die „Deckungslücke“ verringert werden soll.

Während man also zunächst die Entscheidung des Bundes zur Abstandsregelung abwarten möchte, soll der übrige Regionalplan baldmöglichst fortgeschrieben werden. Denn Unternehmer, die erweitern wollen, können laut Proske nicht warten. Zügig soll deshalb das Thema Gewerbe angegangen werden.

Sowohl Rosenberger als auch Proske warben für Gewerbeansiedlungen in Horb. Man habe die „Gunst“, so der OB, am Knotenpunkt von B14, B28 und dem geplanten Autobahnzubringer zu liegen. Zudem sei man gut an die Gäubahn angebunden. Und: In den vergangenen zehn, fünfzehn Jahren sei Horb in Bezug auf Gewerbeflächen fast gar nicht gewachsen. Proske betonte: „Horb als Mittelzentrum ist der geeignete Standort für weiteres Gewerbe.“

Wo und wie künftig gewohnt wird

Einer Pendlerverflechtungskarte zufolge sei Baden-Württemberg das Land mit den kürzesten Pendlerstrecken, weil es im Südwesten nicht nur einige wenige, wirtschaftliche Ballungsräume gebe. Arbeitsplätze vor Ort zu haben, sei ein „unschätzbarer Vorteil“, findet Proske. Auch der geplante Güterverkehrsumschlagplatz im Heiligenfeld sei ein Argument. Denn wer wollte nicht mehr Verkehr von der Straße auf die Schiene bringen? Überdies würden Gewerbeflächen in und um Stuttgart knapp – schon heute suchten Automobilzulieferer wegen der Entwicklung der Elektromobilität als zweitem Standbein händeringend nach Erweiterungsflächen. Darin liege eine Chance auch für Horb, so Proske. Um nicht allzu viel Fläche zu versiegeln, sei für Horb denkbar, dass sich mehrere Firmen potenzielle Erweiterungsflächen teilen, sagte der OB.

Ein weiteres zentrales Thema ist Wohnraum: Wo kann gebaut werden und welcher Wohnraum wird bis zum Jahr 2040 benötigt? Dafür wurden der Bedarf analysiert und das Potenzial geprüft. Anders als das Statistische Landesamt geht eine Studie der Prognos AG davon aus, dass die Zahl der Einwohner Horbs tendenziell steigen wird. Eine künftig weiter steigende Zahl von Single- und Zwei-Personen-Haushalten führe zu einem höheren Bedarf an Wohnungen. Neue Arbeitsplätze erhöhen diesen Bedarf zusätzlich. Proske geht davon aus, dass die Nachfrage nach Geschosswohnungsbau künftig steigt.

Eine entscheidende Rolle spielen die Eigentümer. Rosenberger: „Eigentum ist bei uns immer noch das allerhöchste Gut.“ Da helfe nicht mal Geld, wenn der Grundstücksbesitzer zurzeit kein Geld braucht, das sich außerdem kaum irgendwo rentabel anlegen lässt. Eine schlechte Nachricht für Horb, denn derzeit gibt es laut Rosenberger knapp 600 Baulücken, überwiegend sogenannte „Enkel-Grundstücke“, also solche, die für Nachfahren vorgehalten werden.

Bürger können sich einbringen

Auffällig ist, dass Horb im Vergleich zu den übrigen sechs „Mittelbereichen“ im Regionalverband überproportional viele Außenreserven hat, also Baugebiete, die im Flächennutzungsplan bereits reserviert sind. Diese können bebaut werden, müssen es aber nicht.

Im nächsten Jahr soll der Regionalplan vorliegen und die Bevölkerung angehört werden. Bereits jetzt können sich die Bürger mit ihren Ideen und Vorschlägen einbringen – über die Webseite des Regionalverbands. Diese Ideen sollen dann in anonymisierter Form veröffentlicht werden. Proske jedenfalls zeigte sich schon mal neugierig: „Ich habe keine Vorstellung davon, was die Bürger umtreibt.“

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Erstellt:
18.02.2020, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 28sec
zuletzt aktualisiert: 18.02.2020, 01:00 Uhr

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