Energie

Mehr Strom aus dem Neckar

Das Wasserkraftwerk Neckarmühle soll auf die neunfache Leistung ausgebaut werden. Betreiber Paul Hetzel informierte die Mühlener Bürger.

19.01.2018

Von Manuel Fuchs

Die Neckarmühle in Mühlen ist seit 2011 im Besitz von Paul Hetzel, der dort ein Wasserkraftwerk betreibt. Bild: Kuball

Die Neckarmühle in Mühlen ist seit 2011 im Besitz von Paul Hetzel, der dort ein Wasserkraftwerk betreibt. Bild: Kuball

Paul Hetzel, 1971 in Oberndorf geboren, ist ein welterfahrener Mann: Der Ingenieur zeichnet für die Prozesse aller Gießereien der Schweizer Ronal Group weltweit verantwortlich. Als er jedoch am Mittwochabend im Mühlener Gemeindehaus etwa 20 interessierten Bürgern seine Pläne für den Ausbau des Wasserkraftwerks in der Neckarmühle vorstellt, kann man bei ihm ein gewisses Lampenfieber entdecken.

Doch das verfliegt schnell: Hetzel spielt von Anfang an mit offenen Karten und nennt Zahlen, Daten, Fakten. 2011 hat er die Neckarmühle gekauft. Das dort installierte Wasserkraftwerk liefert derzeit im Jahr ungefähr 170000 Kilowattstunden (kWh) elektrische Energie. Das entspricht etwa dem Stromverbrauch von 50 Haushalten. Den Strom speist Hetzel für 12,67 Cent/kWh ins EnBW-Netz ein. Den Preis rechtfertigt auch eine von ihm gebaute Fischtreppe. Ohne diese „ökologische Verbesserung“ stünden ihm nur 7,6 Cent/kWh zu.

Nun eröffnet eine stillgelegte Abwasserleitung im Mühlener Streichwehr die Möglichkeit, mehr Neckarwasser zur Stromgewinnung zu nutzen und das Kraftwerk auf 1,5 Millionen kWh/Jahr auszubauen. Damit könnte es ungefähr den Strombedarf der Gemeinde Mühlen decken.

Das Ingenieurbüro Alwin Eppler aus Dornstetten begleitet die Planungen. Dessen Geschäftsführer, Diplomingenieur Wolfgang Strasser, ist ebenfalls im Mühlener Gemeindehaus dabei und unterstützt Hetzel bei Fragen zu technischen Details. „Die im Erneuerbare-Energien-Gesetz festgeschriebenen Garantievergütungen haben für eine Renaissance kleiner Wasserkraftwerke gesorgt. ‚Klein‘ heißt: bis 1000 kW Leistung.“ Dazu würde die Neckarmühle auch nach dem Umbau noch zählen.

„Ich will die Neckarmühle in ihrer Art unbedingt erhalten“, bekräftigt Hetzel. Ihm liege der behutsame Umbau, der Erhalt und die Sicherung der historischen Bausubstanz am Herzen.

Auch das neue Gebäude auf der Mündungsspitze zwischen dem jetzigen Mühlkanal und dem Neckar soll sich mit einem Zackendach gut einfügen. „Ich hab ein Faible für alte Fabrikgebäude, auch deshalb hab ich in Duisburg studiert. Der Industriedenkmalschutz war hier, um sich die bestehenden Gebäude und meine Pläne anzusehen. Ich hatte echt Angst vor denen, aber die waren begeistert“, erzählt Hetzel leutselig.

Was also ist geplant? Unter anderem sollen das Streichwehr verbreitert, ein neuer Kanal mit 12,25 bis 14,45 Metern Oberbreite zwischen Neckar und Mühlkanal gegraben und ein Teich angelegt werden. Dies verringere im Nebeneffekt das Hochwasserrisiko für Mühlen, führt Retzel aus.

Ortsvorsteher Jochen Renk stellt die Position des Ortschaftsrats dar: „Wir haben das Vorhaben bereits nichtöffentlich besprochen und möchten es weiterhin wohlwollend begleiten. Die Auswirkungen aufs Ortsbild halten wir für sehr, sehr überschaubar. Ich persönlich bin glücklich darüber, dass in Mühlen CO2-frei Strom erzeugt wird.“

Auch die anwesenden Bürger haben an diesem Abend gegen Paul Hetzels Vorhaben wenig einzuwenden. Es wäre schön, ist aus der Runde zu hören, wenn man in Mühlen den Strom aus der Neckarmühle direkt und zum Sonderpreis kaufen könnte. Hetzel ist einem Direktvertrieb nicht grundsätzlich abgeneigt, sieht aber noch technische Hürden. Bis die ausgeräumt sind, gehe er den Weg über die EnBW oder einen anderen Großabnehmer, der ihm einen guten Preis zahle.

Eine steigende Lärmbelastung in der unmittelbaren Umgebung durch neue, größere Generatoren, sei nicht zu befürchten, erklärt Strasser. „Es wird eher noch leiser, weil für Neubauten schärfere Geräuschgrenzwerte gelten.“

Die Stadt Horb möchte sich 2050 als klimaneutrale Kommune präsentieren. Ob das Wasserkraftwerk in Mühlen in diese Bilanzeinzurechnen ist? Die Experten in Mühlen sind unsicher. Horb könne seriöserweise nur mit dem werben, was die Stadt selbst produziert, konstatiert Wolfgang Strasser. Und Strom, der an die EnBW verkauft werde, könne nicht für Horb bilanziert werden. Die Stadtverwaltung Horb hingegen versteht „selbstverständlich jede Maßnahme von Privatpersonen und Unternehmen, die [...] erneuerbare Energie erzeugt [...] als weiteren Schritt in Richtung klimaneutraler Kommune“.

Wie geht es weiter in Mühlen? „Die Genehmigungsverfahren sind am Laufen“, erklärt Hetzel zuversichtlich. Er hoffe, dass in zwei Jahren alles umgesetzt sei.

Das letzte Wort hat ein Bürger aus der Runde: „Man muss ja froh sein, wenn’s einer macht!“

Offenes Visier und Karten auf den Tisch: Paul Hetzel stellte den Anwesenden seine Pläne für die Neckarmühle und deren vermutliche Auswirkungen transparent und verständlich dar.Bild: Fuchs

Offenes Visier und Karten auf den Tisch: Paul Hetzel stellte den Anwesenden seine Pläne für die Neckarmühle und deren vermutliche Auswirkungen transparent und verständlich dar.Bild: Fuchs

Jochen Renk, Ortsvorsteher von Mühlen, möchte den Umbau weiterhin wohlwollend begleiten. Bild: Fuchs

Jochen Renk, Ortsvorsteher von Mühlen, möchte den Umbau weiterhin wohlwollend begleiten. Bild: Fuchs

Anhand der Baupläne konnten sich die Anwesenden über Peter Hetzels Vorhaben informieren.Bild: Fuchs

Anhand der Baupläne konnten sich die Anwesenden über Peter Hetzels Vorhaben informieren.Bild: Fuchs

Wasserkraft in Deutschland

654Milliarden kWh (=654 TWh) wurden 2017 in Deutschland insgesamt erzeugt. Den größten Anteil, 22,6%, lieferten Braunkohlekraftwerke, es folgen Wind- (16,1%); Steinkohle- (14,4%) Erdgas- (13,1 %) und Atomkraftwerke (11,1%). Insgesamt lag der Anteil konventioneller Energien bei zwei Dritteln; ein Drittel steuerten erneuerbare Energien bei. (Zahlen nach AG Energiebilanzen e. V.)

Der Wasserkraft kommt mit 19,7 TWh nur ein kleiner Anteil zu. Anders als beispielsweise Solarmodule sind Wasserkraftwerke kaum effizient in Privathaushalten zu betreiben. Sie benötigen mehr Platz und größere Vorinvestitionen. Außerdem stehen beispielsweise Angler ihrem Bau mitunter kritisch gegenüber. Dabei können gerade Kleinwasserkraftwerke über eine Betriebsdauer von mehr als 60 Jahren nahezu rund um die Uhr einen beständigen Grundlaststrom liefern. Ihr gesamtökonomischer Nutzen übersteigt den von Solarmodulen (hohe Leistung über Mittag, keine Leistung nachts) deutlich.

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19.01.2018, 01:00 Uhr
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zuletzt aktualisiert: 19.01.2018, 01:00 Uhr

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