Bildechingen · Stadtplanung

Streuobst geht vor Hausbau

Das neue Landesnaturschutzgesetz bremst das geplante Baugebiet „Brühl-Süd“ in Bildechingen aus. Droht das Problem auch anderswo?

25.09.2020

Von Manuel Fuchs

Streuobstbestände dürfen nach dem am 22. Juli verabschiedeten Landesnaturschutzgesetz nur mit Genehmigung in eine andere Nutzungsart umgewandelt werden. Dies beeinflusst den Zeitplan für Bildechingens Baugebiet „Brühl-West“ massiv. Bild: Manuel Fuchs

Streuobstbestände dürfen nach dem am 22. Juli verabschiedeten Landesnaturschutzgesetz nur mit Genehmigung in eine andere Nutzungsart umgewandelt werden. Dies beeinflusst den Zeitplan für Bildechingens Baugebiet „Brühl-West“ massiv. Bild: Manuel Fuchs

Im vergangenen Jahr wurde in einigen Horber Teilorten Aufstellungsbeschlüsse für Baugebiete gefasst, um in den Genuss des Paragrafen 13b des Baugesetzbuchs zu kommen: Wenn bis 31. Dezember 2019 ein Verfahren zur Aufstellung einen Bebauungsplans für Wohngebiete mit weniger als 10000 Quadratmetern eingeleitet wurden, darf der Bebauungsplan im beschleunigten Verfahren ohne Durchführung einer Umweltprüfung aufgestellt werden. Der Satzungsbeschluss zum Baugebiet muss bis zum 31. Dezember 2021 gefasst sein. Ein solches Gebiet – „Brühl-Süd“ – liegt in Bildechingen, vom Hohenberg kommend aus gesehen vor dem Ortseingang links der Bundesstraße.

Umwandlung mit Genehmigung

Das neue Naturschutzgesetz, das der baden-württembergische Landtag am 22. Juli beschlossen hat, macht jedoch der erhofften Beschleunigung teilweise einen Strich durch die Rechnung. Der neue Paragraf 33a, „Erhaltung von Streuobstbeständen“, stellt solche Bestände unter besonderen Schutz, wenn sie mindestens 1500 Quadratmeter umfassen. Sie dürfen nur mit Genehmigung in eine andere Nutzungsart – in erster Linie sind hierunter Baugebiete zu verstehen – umgewandelt werden, und eine solche Umwandlung ist „vorrangig durch eine Neupflanzung innerhalb einer angemessenen Frist“ auszugleichen. Was genau „angemessen“ ist, darauf möchte sich das baden-württembergische Umweltministerium auf Anfrage der SÜDWEST PRESSE nicht festlegen; es komme auf die konkreten Umstände des Einzelfalls an. Jedoch: „Bei Neupflanzungen nach Ablauf von mehr als einem Jahr wird man aber kaum noch von einer ‚angemessenen Frist‘ sprechen können“, so das Ministerium.

Der Begriff „vorrangig“ lässt vermuten, dass nicht nur Neupflanzungen als Ausgleichsmaßnahmen denkbar sind. Jedoch betont das Ministerium: „Wenn kein Ausgleich ‚in natura‘ möglich sein sollte, ist ein finanzieller Ausgleich das letzte Mittel.“ Solange eine Neupflanzung möglich sei, sei sie auch erforderlich. Die Vorgaben für Neupflanzungen macht das Bundesnaturschutzgesetz: „Ausgeglichen ist eine Beeinträchtigung, wenn und sobald die beeinträchtigten Funktionen des Naturhaushalts in gleichartiger Weise wiederhergestellt sind und das Landschaftsbild landschaftsgerecht wiederhergestellt oder neu gestaltet ist.“ An entfernter Stelle auf der bekanntermaßen flächengroßen Horber Gemarkung Obstbäume zu pflanzen, erfüllt diese Vorgabe nicht.

Eine Umwandlung soll nicht genehmigt werden, „wenn die Erhaltung des Streuobstbestandes im überwiegenden öffentlichen Interesse liegt, insbesondere wenn der Streuobstbestand für die Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts oder für den Erhalt der Artenvielfalt von wesentlicher Bedeutung ist.“ Die prüft die Untere Naturschutzbehörde im Landratsamt Freudenstadt auf Antrag. Auf die Frage, wieviel Zeit ein solches Verfahren beanspruche, antwortet das Ministerium: „Bisher liegen noch keine Erfahrungswerte zur Dauer einer solchen Prüfung vor, da es sich um eine neue Vorschrift handelt.“

Bildechingens Ortsvorsteher Ulrich Beuter gibt sich im Telefongespräch mit der SÜDWEST PRESSE zerknirscht. Die Horber Stadtverwaltung prüfe den Sachverhalt zwar noch, aber „wir haben da knapp 100 Bäume“, sagt er. Um deren Umwandlung auszugleichen, reichten die verfügbaren Flächen schlicht nicht aus – ganz gleich innerhalb welcher Frist. Damit die Umwandlung überhaupt genehmigt werden könne, müsste der Antragssteller laut Beuter jedoch genügend Ausgleichsflächen vorweisen. Nach Auskunft des Landesumweltministeriums ist es „rechtlich nicht zwingend, die Ausgleichsflächen im Antrag direkt zu benennen“ – aber „sicherlich sinnvoll, um das Verfahren zu verkürzen“.

Das neue Gesetz verzögert die Ausweisung des Bildechinger Baugebiets jetzt wohl erheblich. Beuter rechnet mit eineinhalb Jahren. In einem sehr pessimistischen Szenario könne sogar die Frist zum Satzungsbeschluss am 31. Dezember 2021 verstreichen: „Es könnte sein, dass wir dann aus dem 13b rausfallen“ – also dass eben doch wieder eine Umweltprüfung für das Gebiet nötig wird. Außerdem, so Beuter, laufen am gleichen Tag die Vorverträge mit den Einwerfern aus; man stünde also wieder ganz am Anfang der Planungen.

Situation in anderen Teilorten

Nach Auskunft der Stadtverwaltung ist Bildechingen derzeit der einzige Horber Teilort, dessen aufgestellte oder geplante Baugebiete Streuobstbestände in relevanter Größe, das heißt über 1500 Quadratmeter aufweisen: Die vier Gebiete „Allmend-Mitte“ in Bittelbronn, „Heideweg“ in Isenburg, „Am Killberg“ in Grünmettstetten und „Schulstraße-Süd“ in Nordstetten sind bereits rechtsverbindlich. Aufgrund von Aufstellungsbeschlüssen vor dem 31. Dezember 2019 untersucht und beplant werden aktuell die neun Gebiete „Seitenäcker“ in Altheim, „Brühl-Süd“ in Bildechingen, „Spitzwiesen“ in Dießen, „Großäcker II“ in Dettensee, „Schulstraße-Nord“ in Nordstetten, „Seeblick-Ost“ in Grünmettstetten, „Heideweg-Nord“ in Isenburg, „Am Hungerberg“ in Rexingen und „Barbel-West-Erweiterung“ in Talheim.

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Erstellt:
25.09.2020, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 07sec
zuletzt aktualisiert: 25.09.2020, 01:00 Uhr

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