Horb · Wirtschaft

Unwissen und Unverständnis

Mehr Müll, höhere Kosten: Die seit Mittwoch geltende Kassenbon-Pflicht sorgt auch bei vielen Horbern für Unmut und Kopfschütteln.

03.01.2020

Von Philipp Koebnik

Verkäuferin Dilara Turan von der Bäckerei Saur muss nun wegen jeder einzelnen Brezel einen Kassenbon ausdrucken. Bild: Karl-Heinz Kuball

Verkäuferin Dilara Turan von der Bäckerei Saur muss nun wegen jeder einzelnen Brezel einen Kassenbon ausdrucken. Bild: Karl-Heinz Kuball

Seit dem 1. Januar sind die Geschäfte in Deutschland verpflichtet, bei jedem Kaufvorgang einen Bon auszudrucken, sofern sie eine elektronische Kasse besitzen. Dadurch will der Gesetzgeber Steuerbetrug eindämmen. Der Bundesrechnungshof schätzt, dass dem Fiskus jährlich bis zu 10 Milliarden Euro entgehen, weil Umsätze an Ladenkassen nicht richtig verbucht werden. Wirtschaftsverbände kritisieren die Kosten und den bürokratischen Mehraufwand, Umweltschützer den erhöhten Verbrauch an Kassenbons – diese werden meist auf Thermopapier gedruckt, das nicht im Altpapier entsorgt werden darf.

In Horb hat sich die neue Rechtslage noch nicht zu jedem herumgesprochen. Cemil Cam von „Stern Kebap“ erfährt erst durch die Anfrage der SÜDWEST PRESSE davon. Doch selbstverständlich gebe er jedem Kunden, der das wünsche, einen Kassenbon. In der Filiale der Bäckerei Saur in der Neckarstraße weiß man zwar von der neuen Kassenbon-Pflicht. Doch was dies genau bedeute, darüber seien sie nicht informiert worden, sagen die Mitarbeiterinnen unserer Zeitung. Die neue Regel ist ihnen jedenfalls noch nicht in Fleisch und Blut übergegangen. So kaufen zwei Leute etwas – und bekommen keinen Bon. „Es fragt aber auch niemand danach“, heißt es hier.

Von ihrem Chef informiert wurde Natalie Tobey, Verkäuferin in der Bäckerei Krachenfels in den Activ-Arkaden. Ihr leuchtet die neue Regel nicht ein. Auch die Kunden verstehen sie nicht – nur jeder Zweite nehme den Bon mit.

Bestens Bescheid weiß Sigi Rasch, Inhaberin des Friseursalons „Kamm in“ in der Neckarstraße. Sie ist nicht gut auf die neue Bon-Pflicht zu sprechen. Die Bon-Papierrollen „kosten richtig viel Geld“, beklagt sie, auch wenn sie die Mehrkosten zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht beziffern könne. Jedoch: In den vergangenen zehn Jahren habe sie zwei Rollen verbraucht. Künftig, so schätzt sie, wird sie wohl ungefähr alle zwei Monate eine neue Rolle brauchen. Denn schließlich habe bislang so gut wie nie jemand nach einem Bon gefragt. Wozu auch, gebe es doch im Unterschied zu anderen Geschäften keinen Garantieschein und keine Reklamationen, so Rasch. Ein paar Extra-Rollen habe sie jedenfalls schon besorgt. Und um die Ausgabe der Bons nicht zu vergessen, hat sie einen großen Zettel mit der Aufschrift „Bon!“ direkt über der Kasse angebracht.

Neue Kasse für 6000 Euro

Auch ihre Kunden würden die neue Regel nicht verstehen: „Es sind sich alle einig, dass es bescheuert ist“, sagt Rasch. Sie greift den Mülleimer neben der Kasse und zählt nach – von den acht Kundinnen, die sich am gestrigen Donnerstag bis zum Besuch der SÜDWEST PRESSE die Harre schneiden ließen, haben sieben ihre Kassenzettel noch vor Ort entsorgt.

Rasch geht nun in den Widerstand: Auf Facebook habe sich eine gruppe von Friseuren aus gaanz Deutschland gegründet, die gemeinsam etwas gegen die Bon-Pflicht unternehmen wollen, etwa symbolträchtig große Säcke voller Bons vor den Finanzämtern abladen. Darüber denke man nun nach.

Noch mehr Kopfzerbrechen bereitet Rasch jedoch eine weitere Neuerung, die seit 1. Januar gilt. Jede Kasse muss von jetzt an eine sogenannte technische Sicherheitseinrichtung (TSE) haben, die sicherstellt, dass im Nachhinein keine Manipulation der Kassendaten möglich ist. Weil das Programm nicht mit ihrer alten Kasse kompatibel sei, müsse sie eine neue kaufen – für 6000 Euro.

Kassenzettel wegwerfen, digitale Bons verschicken

Für die Konsumenten ändert sich im Grunde nichts. Denn der Kassenzettel muss dem Kunden nur gezeigt werden. Ob er ihn mitnimmt oder liegen lässt, bleibt ihm überlassen. Das Finanzministerium erlaubt zudem, die Bons elektronisch zu übermitteln – per E-Mail oder über eine entsprechende App direkt aufs Handy des Kunden.

Zum Artikel

Erstellt:
03.01.2020, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 49sec
zuletzt aktualisiert: 03.01.2020, 01:00 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen

Newsletter los geht's
Nachtleben, Studium und Ausbildung, Mental Health: Was für dich dabei? Willst du über News und Interessantes für junge Menschen aus der Region auf dem Laufenden bleiben? Dann bestelle unseren Newsletter los geht's!