Schule

Warum Albert Schindler aus Versehen Wildsäue malt

Noch vier Wochen bis zum Jahresende – dann geht die Ära Albert Schindler zu Ende. Zeit, dem scheidenden Bürgermeister die wirklich wichtigen Fragen zu stellen. Die Dritt- und Viertklässler der Zeitungs-AG der Empfinger Grundschule haben das übernommen.

01.12.2017

Von NC

Sieht so eine Habachtstellung aus? Bürgermeister Albert Schindler stellt sich den kritischen Fragen der Investigativjournalisten der Empfinger Grundschule. In der Mitte dokumentiert Lehrerin Stefanie Groeger das Quellenmaterial. Bilder: Seidel

Sieht so eine Habachtstellung aus? Bürgermeister Albert Schindler stellt sich den kritischen Fragen der Investigativjournalisten der Empfinger Grundschule. In der Mitte dokumentiert Lehrerin Stefanie Groeger das Quellenmaterial. Bilder: Seidel

Emily: Herr Schindler, wie viele Jahre waren Sie Bürgermeister?

AlbertSchindler: Das war jetzt eine leichte Frage. 31 Jahre. Gewählt worden bin ich am 9. November 1986. Begonnen habe ich am 1. Dezember 1986. Da wart ihr noch lange nicht auf der Welt.

Melda: Wie wurden Sie Bürgermeister?

Durch eine Wahl. Am 15. Oktober gab es ja wieder eine Bürgermeisterwahl, da ich aufhören darf, weil ich die Altersgrenze erreiche. Und die Empfinger, die 1986 mindestens 18 Jahre alt waren, haben damals gesagt, „den wollen wir“, und haben mich gewählt.

Leander: Wer war Ihr engster Mitarbeiter?

Das sind der Gemeindepfleger (der Kämmerer, Anm. d. Red) Reinhard Dettling und der Hauptamtsleiter Theo Walz.

Simon: Was wären Ihre Pläne gewesen, wenn Sie Bürgermeister geblieben wären?

Eure Schule erhalten, vor allen Dingen die Außenstelle der Werkrealschule. Und die Kindergärten, denn es wollen heute immer mehr Kinder ab einem Jahr in den Kindergarten. Die Plätze sind sehr begehrt. Sprich: Wir haben zu wenige. Also muss man da etwas tun, wahrscheinlich eine weitere Gruppe bauen. Und dann gilt es noch, Bauplätze zu erhalten und Arbeitsplätze zu schaffen. Da ist ein großes Gewerbegebiet mit 35 Hektar gerade am Anlaufen. Das sind die größten Dinge, die der Nachfolger auf dem Trapez hat.

Mael: Wie waren Ihre letzten Jahre als
Bürgermeister?

Genauso anstrengend wie die ersten fünf. Das hört nie auf. Wenn etwas fertig ist, beginnt wieder etwas Neues. Es ist sehr spannend und interessant, sehr abwechslungsreich, aber auch anstrengend. Aber vielleicht spürt man auch, dass man etwas älter geworden ist. Dank der Routine, denke ich, kann ich das Arbeitspensum noch gut erfüllen.

Merle: Was war das Peinlichste,
das Ihnen als Schultes passiert ist?

Manchmal, wenn man etwas unbedacht oder unüberlegt sagt, da hat man mit Sicherheit mal rote Ohren bekommen. Das passiert auch einem Bürgermeister mal. Oder wenn man der Presse ein Interview gibt, muss man verdammt aufpassen. Dann schreibt der Redakteur einen Satz auf, den ich so ganz nebenbei gesagt habe und macht dann die Überschrift daraus.

Leni: Sind Sie mit dem zufrieden, was Sie in den vergangenen Jahren gemacht haben?

Ja, ich bin eigentlich zufrieden. Die Gemeinde steht gut da, wir konnten unsere Aufgaben erfüllen. Das habe ich aber nicht allein gemacht, sondern im Team. Der Bürgermeister braucht den Gemeinderat, um entscheiden zu können. Und wenn der Rat entschieden hat, braucht man Leute, die das ausführen. Bis zu 60 Mitarbeiter setzen einen Beschluss um. Der Bürgermeister ist nur einer von vielen. Aber wir konnten die Gemeinde voranbringen.

Michael: Was ist Ihr Lieblingsfilm?

Ich gucke gern Wildwest-Filme. Wenn der Fernseher an ist, schaue ich Nachrichten oder Tier- und Geofilme an. Mein Lieblingsfilm? Der Western „Spiel mir das Lied von Tod“.

Tina: War es anstrengend, Bürgermeister
zu sein?

Ich atme jetzt gerade durch. Nicht jeder Tag ist leicht. Es gibt leichte, aber auch schwierige Zeiten. Ein Beispiel: Am 7. April 1989 kam die Entscheidung (der Landesregierung, Anm. d. Red.), dass die Kaserne Zentrale Aufnahmestelle für Aussiedler (ZAST) wird. Dort wollte man 2000 Menschen unterbringen und Empfingen hatte damals nur 2500 Einwohner. Das waren schwierige Tage, bis das wieder im Gleis und erreicht war, dass gleichzeitig nur 500 hier sein dürfen. In Wirklichkeit waren sogar bis zu 800 Aussiedler im Ort. Aber das hat nichts ausgemacht. Am Anfang waren wir in Empfingen völlig unvorbereitet und unheimlich erschrocken. Aber das Problem hat sich rasch gelöst.

Nathan: Hat es Spaß gemacht,
Bürgermeister zu sein?

Uneingeschränkt: Ja! Ich bin auch bis heute noch gerne Bürgermeister.

Elias: Was werden Sie machen, wenn Sie nicht mehr im Rathaus sitzen?

Rad fahren. Und ich habe vier Enkel. Mit denen werde ich das Radfahren üben oder spielen. Und verreisen möchte ich. Ich war dieses Jahr in Namibia im südlichen Afrika. Und letztes Jahr war ich in Argentinien und in Chile. Es ist schön zu sehen, was es sonst noch auf der Welt gibt. Und dass andere Menschen manchmal ganz andere Probleme haben als wir. Man merkt dann auch: Wir jammern oft auf einem sehr hohen Niveau.

Silas: Wie werden Sie sich fühlen, wenn Sie nicht mehr Bürgermeister sind?

Schwierige Frage. Also ich denke, dass es am 2. Januar schon ein bisschen komisch sein wird, wenn ich den Rathausschlüssel abgegeben habe – dann habe ich bei der Gemeinde nichts mehr zu sagen. Aber: Das ist auch eine Befreiung. Ich habe keine Verantwortung mehr. Wenn ein Kanaldeckel wackelt oder eine Straßenlaterne nicht mehr brennt, dann geht mich das nichts mehr an.

Ruth-Marie: Was werden Sie am meisten
vermissen, wenn Sie in Pension sind?

Sicher Verantwortung zu tragen für die Gemeinde. Aber wenn man für die Gemeinde etwas tun will, kann man das ja im Ehrenamt machen. Aber da muss ich mich ab dem 2. Januar erst eine Weile sortieren und dann sieht man weiter. Ich kann Euch ja mal vorlesen. Oder wir machen eine Radtour miteinander.

Fast alle: Au ja!

Mariella: Was ist ihre Lieblingsbeschäftigung? Machen Sie gern Sport?

Ja! Ich mache schon seit über 50 Jahren Sport. Mit 15, 16 habe ich angefangen zu laufen, dann habe ich 17 Jahre das Jedermann-Turnen (der Empfinger Sportgemeinschaft, SGE, Anm. d. Red.) geleitet. Und seit 25 Jahren fahre ich überwiegend Rad, im Jahr ungefähr 5000 Kilometer, neulich übers Wochenende erst 120. Sport ist für mich Lebenselixier. Ich habe auch mal zehn Jahre lang Fußball gespielt. Mit zwölf habe ich angefangen und nicht einmal krumme Beine gekriegt (kichert).

Moritz: Was machen Sie sonst noch in ihrer Freizeit?

Holz machen für den Kachelofen. Gestern habe ich Äpfel geerntet. Wir haben einen Garten und ein Haus, das man streichen muss. Und das Holz muss man im Wald umsägen, kleinteilen, heimfahren, spalten, sägen. Erst dann kann man es verbrennen. Holz macht also mindestens drei Mal warm.

Milo: Welchen Witz finden sie am witzigsten?

Ich lese das ,,Konradsblatt“, die kirchliche Zeitung der Erzdiözese Freiburg. Da kommen Witzle drin und die lese ich. Einen weiß ich noch: ,,Was macht sieben mal sieben?“

Feiner Sand?

Normalerweise hätte ich erwartet, dass du 49 sagst (lacht). Aber das war wohl ein zu einfacher Witz. Ich kann mir Witze einfach nicht gut merken.

Hannah: Was finden Sie in Empfingen am schönsten?

Wenn man hier zur Veranda hinausschaut und den See sieht. Ein toller Blick von Empfingen. Wir liegen doch wunderbar. Das ist doch schön.

Jakob: Wie wichtig ist für Sie die
Partnerschaft mit La Roche Blache?

Sehr wichtig. Deswegen bin ich auch immer dabei. Im Herbst haben wir eine Woche lang eine Wanderung mit 20 Personen im Beaujolais-Gebiet, einer Weingegend in Frankreich gemacht. Ich habe in der Schule kein Französisch gelernt. Als wir aber die Partnerschaft vor 26 Jahren begonnen haben, haben meine Frau und ich über die Volkshochschule Französisch gelernt, damit wir mit den französischen Freunden reden können. Die französische Partnerschaft ist ganz wichtig. Die kann man nur pflegen, wenn man die Leute dort kennenlernt. Wir sind übrigens auch mit Miske, einer Gemeinde in Ungarn, in Freundschaft verbunden.

Fiona: Wie viele Sprachen sprechen Sie?

Schwäbisch, Deutsch, Französisch besser und ein bisschen Englisch. Aber Grußformeln kann ich von mindestens zehn Ländern. In Frankreich war eine Gruppe Marokkaner bei der Weinlese am Vespern, da hab’ ich gesagt: ,,Salem aleikum.“ Das heißt ,,Guten Tag“ auf Arabisch. Da sind auch immer meine syrischen Freunden überrascht, wenn ich sie so grüße. Und als wir gegangen sind, da habe ich gesagt ,,Jalla, jalla“, das heißt ,,Los, auf geht’s“. Die haben sich halb totgelacht. Wenn man nur fünf Worte kann, ist der Kontakt zu anderen Leuten schneller hergestellt.

Leoni: Waren Sie in der Schule gut?
Was war Ihr Lieblingsfach?

Ja, ich war ein guter Schüler, aber damals war es nicht üblich, dass man nach der vierten Klasse, wenn man gute Noten hatte, ins Gymnasium ging. Ich bin acht Jahre hier in die Schule gegangen. Wir waren 1963 die älteste, die achte Klasse. Ich habe gerne gerechnet, das ist bis heute meine Stärke. In Deutsch war ich auch nicht schlecht. Bildhaftes Gestalten, wie Malen damals hieß, war nicht so meine Stärke. Da hab’ ich noch heute ein Problem. Wenn meine Enkel sagen: ,,Opa, mal’ einen Elefanten“, muss ich aufpassen, dass es keine Wildsau wird. Geschichte habe ich auch noch gern gemacht, da habe ich heute noch einen Hang dazu.

Jonas: Wer ist Ihr bester Freund?

Mein bester Freund ist meine Frau. Ich bin seit 45 Jahren verheiratet – mit der gleichen Frau wohlgemerkt. Und deshalb ist meine Ehefrau mein erster Ansprechpartner. Nun ist das eine weibliche Person, aber trotzdem – der beste Freund.

Jana: Was sind Ihr Lieblingsgericht und Ihr Lieblingstier?

Ich esse gerne Linsen mit Spätzle oder Wurstsalat, also typisch Schwäbisch. Mein Lieblingstier ist natürlich meine Katze Silvester. Die macht auch Streiche. Wenn die zum Beispiel gestreichelt werden will, während ich Zeitung lese, hüpft sie auf den Tisch und legt sich auf die Zeitung. Dann kann ich nicht mehr umblättern und bevor ich sie nicht gestreichelt habe, gibt sie keine Ruhe. Aber sonst ist Silvester lieb und bringt auch mal eine Maus bis auf die Veranda.

Noch ein guter Monat, dann muss Albert Schindler den wichtigsten Schlüsselbund Empfingens (mit dem Universalschlüssel dran) abgeben.

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Falls Ferdinand Truffner mal keine Lust mehr hat: Diese jungen Frauen kennen jetzt die Aufgaben einer Bürgermeisterin.

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Die Erstausgabe erscheint im Februar

Im Rahmen der Nachmittagsbetreuung gibt es an der Empfinger Grundschule eine Zeitungs-AG. 22 Dritt- und Viertklässler nehmen daran teil und sind Jungredakteure. Das Projekt heißt „WIR“, Lehrerin Stefanie Groeger und der frühere SÜDWEST PRESSE-Redakteur Reinhard Seidel organisieren es. Nun war Empfingens Bürgermeister Albert Schindler in der Schulaula zu Gast. Er meinte, er habe „noch nie eine Zeitung“ der WIR-Redaktion gesehen, worauf eine Schülerin sagte: „Die ist noch nicht fertig.“ Die Erstausgabe von WIR soll im Februar erscheinen. Groeger: „Unsere Redaktion ist noch nicht alt, aber wir haben große Pläne, wo wir die Zeitung verkaufen wollen. Wir freuen uns, dass wir das erste Interview mit ihnen führen dürfen.“

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01.12.2017, 01:00 Uhr
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zuletzt aktualisiert: 01.12.2017, 01:00 Uhr

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