Freudenstadt · Tanz

Weiter Raum für die Tänzerinnen

Leandra Hagendorn bezieht ihr neues Ballettinstitut in der Freudenstädter Bahnhofstraße im Januar und erfüllt sich einen beruflichen Lebenstraum.

01.12.2020

Von Monika Schwarz

Noch etwas verloren wirkt Leandra Hagendorn im großen Saal ihres neuen Ballettinstituts. Noch fehlen Spiegel und Übungsstangen. Bilder: Monika Schwarz

Noch etwas verloren wirkt Leandra Hagendorn im großen Saal ihres neuen Ballettinstituts. Noch fehlen Spiegel und Übungsstangen. Bilder: Monika Schwarz

Die Bauarbeiten laufen derzeit auch Hochtouren. Langweilig wird es Ballettlehrerin Leandra Hagendorn in den kommenden Wochen des Lockdowns sicher nicht. Im Januar ist der Umzug der Ballettschule vom bisherigen Standort in der Gottlieb-Daimler Straße 5 in die Bahnhofstraße 43/1 geplant. Dort hat sich Hagendorn einen Lebenstraum erfüllt und eine Ballettschule – neben dem elterlichen Wohnhaus, in dem sie wohnt – gebaut. 374 Quadratmeter, verteilt auf zwei Geschosse, stehen ihr für die Arbeit mit ihren Ballettschülerinnen künftig zur Verfügung.

Das Herzstück des Ballettinstituts ist der knapp 136 Quadratmeter große Saal, in dem geprobt und unterrichtet wird. Bei einer Raumhöhe von bis zu 6,50 Metern bietet er optimale Trainingsvoraussetzungen, erklärt Hagendorn. Der Wunsch, den fortgeschrittenen Schülerinnen im Institut optimale Trainingsvoraussetzungen zu bieten, war ein wesentlicher Antrieb für den Bau.

In den bisher angemieteten Räumen schränkten Säulen die Bewegungsfreiheit ein. Auch die normale Deckenhöhe bot zu wenig Entfaltungsmöglichkeit. „Das klassische Ballett ist eine Kunstform, die nach oben strebt“, sagt Hagendorn. Bei fortgeschrittenen Schülerinnen spiele die Höhe der Sprünge eine große Rolle.

Aus eigener jahrelanger Erfahrung als Profitänzerin weiß Hagendorn zu gut, dass eine zu geringe Raumhöhe – auch dann, wenn sie eigentlich ausreicht – mental drückt. „Jetzt gibt es nach oben keine Grenzen mehr.“

Der Tanzschwingboden wird die Gelenke schonen. Von der Beschaffenheit ähnle der Boden dem im Kurhaus, auf dem regelmäßig die Ballettgalas getanzt werden und der den Schülerinnen vertraut sei. Der PVC-Belag darauf sei derselbe, wie der in der Pariser Oper. In der neuen Ballettschule dämpft eine Akustikdecke den ansonsten zu großen Hall aufgrund der Raumgröße.

Beheizt wird das Gebäude mit einer Fußbodenheizung. Im Erdgeschoss befinden sich Teeküche mit Wartebereich, Büro und Besprechungsraum sowie ein behindertengerechtes WC. Ein weiterer Grund für den Umzug war der stark gestiegene Platzbedarf für Kostüme und Requisiten. Zwei Fundusräume im Untergeschoss und ein kleiner angegliederter Materialraum für den täglichen Probebedarf bieten künftig Platz genug, um die inzwischen 1500 Kostüme für die Galas, die Hagendorn im Laufe der Jahre gekauft hat, unterzubringen.

Derzeit hat sie diese teilweise in ihren Privaträumen verstaut. Ein Theorieraum, in dem nicht nur theoretische Grundlagen des Balletts vermittelt und besprochen werden, sondern in dem die Schülerinnen bei normalem Betrieb auch mal die Hausaufgaben erledigen können, sowie ein Umkleideraum samt Dusche und WC sind im Untergeschoss untergebracht.

Im großen Übungsraum werden im Dezember rings herum noch Ballettstangen aus Esche- Vollholz sowie eine elf Meter lange, vom Schreiner gefertigte Spiegelwand angebracht. Auf Bilder und Accessoires verzichtet Hagendorn in diesem Raum. „Wir füllen diesen Saal durch unsere Bewegungen und erwecken ihn durch unsere Kunst zum Leben.“ Der Raum werde bewusst schlicht gehalten, auch um nicht abzulenken.

Als großen Vorteil der „Schule für künstlerischen Tanz“ – so die offizielle Bezeichnung – bewertet Hagendorn die zentrale Lage mit direktem Anschluss zu Bus und Bahn. Sehr viele der 200 Schülerinnen kommen nicht direkt aus Freudenstadt.

Das in Koopertion mit W:Architekten geplante Projekt hatte Hagendorn in der Corona-Pandemie vor sehr große Herausforderungen gestellt. Auf die Baugenehmigung im Dezember 2019 und den Baustart im März folgte erst einmal der Lockdown – und damit die Unsicherheit, wie es überhaupt weitergeht. Die anfängliche Verzweiflung verwandelte sich aber schnell in ein „jetzt erst recht“, sagt bei Hagendorn.

Mit dem Wissen um erforderliche Hygienekonzepte hat sie Teile der bereits fertigen Planungen noch einmal umgeworfen und den Gegebenheiten angepasst. Die geplante Abtrennung eines Teilbereichs des großen Saals verwarf sie, um Raumgröße wegen des Abstandsgebots zu gewinnen. Die jeweils 1,50 Meter breiten Bahnen auf dem Fußboden und die 1,50 Meter breiten Spiegelelemente geben eine Orientierungshilfe, wie groß die erforderlichen Abstände sein sollten.

Auf gute Belüftungsmöglichkeiten in allen Räumen wurde ebenfalls geachtet. Mit großen Bildschirm und begleitender Technik sind die Voraussetzungen für den optimalen Online- oder Hybridunterricht geschaffen. Hagendorn hat den Sommer dafür genutzt, sich an der Ungarischen Ballettakademie zum zertifizierten E-Ballett-Master fortbilden zu lassen. Die sechs Module umfassende Prüfung, die für Online-Unterricht zertifiziert, hat Hagendorn mit maximaler Punktzahl bestanden. Beim ersten Lockdown hatte sie darauf verzichtet, den Aprilbeitrag von den Eltern ihrer Schülerinnen einzuziehen. „Ich konnte das mit meinem Gewissen nicht vereinbaren.“ Die seinerzeit von ihr beantragte Überbrückungshilfe des Staats hat sie bereits im Sommer in voller Höhe zurückgezahlt. Im Mai lief der Unterricht online weiter. „Auch da hätte ich sonst ein schlechtes Gewissen gehabt, irgendjemand muss diese Überbrückungshilfen am Ende ja doch bezahlen“, sagt sie.

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Erstellt:
01.12.2020, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 19sec
zuletzt aktualisiert: 01.12.2020, 01:00 Uhr

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