Stammtisch-Serie: Auf ein Bier (4)…

17930 Schritte bis zum Vesper

Einkehr im Ahldorfer „Kneiple“: Wurst- und Käseteller, dazu ein Flaschenbier – die Gäste lieben die urige Wirtschaft und die alte Wirtin mit dem großen Wissen.

07.09.2018

Von Kathrin Kammerer

Ein Prost auf die Wirtin (von links): Rudi Hertkorn, Albert Haibt, Heinrich Köberle, Norbert Fischer, Rolf Schmid, „Kneiple“-Wirtin Anna Jung, Manfred Kiefer, Ludwig Fischer und Burkhard Kipp. Bild: Kuball

Ein Prost auf die Wirtin (von links): Rudi Hertkorn, Albert Haibt, Heinrich Köberle, Norbert Fischer, Rolf Schmid, „Kneiple“-Wirtin Anna Jung, Manfred Kiefer, Ludwig Fischer und Burkhard Kipp. Bild: Kuball

Die Schrittzähler-App von Manfred Kiefer zeigt 17930 Schritte an. „Ja, das sind wir alles heut’ gelaufen“, sagt er. Wir, das sind seine Wander-, Tennis- und Fußball-Freunde aus Ahldorf. Acht von ihnen sitzen an diesem Dienstag im „Kneiple“. Der neunte, „Stammtisch-Chef“ Dieter Hank, ist ausgerechnet heute in Zürich am Flughafen, seinen Schwager abholen.

Wenn der wüsste, dass er den SÜDWEST PRESSE-Besuch verpasst. „Achtung, ich mach’ kurz ein Bild für ihn“, ruft Kiefer, der das Handy schon in der Hand hat. Eine Whatsapp-Gruppe haben sie seit neustem auch, die Ahldorfer Wanderer. Wenn das Wetter mal nicht mitmacht, muss schließlich schnell abgesprochen werden, ob man trotzdem läuft oder sich lieber fahren lässt.

Seit acht Jahren unterwegs

Seit acht Jahren wandern die neun Männer zusammen, jeden Dienstag. Früher waren sie noch mehr, erinnert sich Rudi Hertkorn. Manchmal wandern sie nach Wiesenstetten in die „Krone“, manchmal nach Horb, manchmal nach Mühlen. Und immer am ersten Dienstag im Monat statten sie „Kneiple“-Wirtin Anna Jung (89) einen Besuch ab. Früher gab es mal vier Wirtshäuser in Ahldorf. Von ihnen ist nur noch das „Kneiple“ übrig geblieben.

„Um 13 Uhr ist immer Treffpunkt bei mir“, sagt Hertkorn. Fünf Minuten wartet die Truppe, ob Nachzügler kommen, dann geht’s los. Zehn Kilometer laufen sie meistens im Schnitt, schätzen sie. Wenn die Einkehr in Ahldorf ist, dann lassen sie die Wanderung selbstverständlich nicht ausfallen. Nein, dann geht’s einmal nach Nordstetten und wieder zurück. Das seien dann meist auch fast zehn Kilometer. Oder halt 17930 Schritte.

„Naja, immer laufet ihr au net“, ruft Albert Haibts Tochter Miriam vom Nebentisch. Sie ist mit Ahldorfer Freundinnen ebenfalls zu Besuch im „Kneiple“ und hat das Gespräch verfolgt. „Doch, fast immer“, entgegnet der Vater empört. „Auch bei minus 18 Grad.“ Im Winter, wenn’s früh dunkel wird, treten sie den Heimweg dann eben mit einer Taschenlampe an, sagt er.

Nur einmal sei die Wanderung dieses Jahr ausgefallen, sagt Heinrich Köberle. Er ist der einzige Nicht-Horber am Tisch, spötteln seine Freunde. Ein Österreicher sogar. Die Stammtisch-Männer sind alle im Ruhestand. Jungspund ist sozusagen Vorruheständler Manfred Kiefer (61). Wenn sie meistens gegen 17 Uhr bei Anna Jung auftauchen, dann serviert ihnen deren Tochter Gudrun Birkenberger erstmal große Käse- und Wurstplatten mit Brot. Wer viel wandert, der muss schließlich auch ordentlich vespern.

Viele Erinnerungen

Beim Gespräch über die vielen alten Wirtschaften, die es früher in Horb und den Teilorten gab, werden die acht Männer fast ein bisschen wehmütig. Dann erinnern sie sich an den Ahldorfer „Löwen“: „Da war’s wie auf der Reeperbahn.“ Und ans „Kreuz“ in Betra: „Da hat uns die Wirtin immer Ripple aufgehoben, wenn wir uns angemeldet haben.“ Oder ans „Süße Löchle“ in Mühlen und Wirtin Käthe, die sich nichts sagen ließ. „Grüner Baum heißt das“, ruft Rolf Schmid. Er ist Wirtin Käthes Schwiegersohn und protestiert vom anderen Tischende aus gegen den anrüchigen, aber im Horber Raum durchaus gängigen Spitznamen für die alte Mühlener Wirtschaft.

Was die Ehefrauen zur Stammtisch-Tradition sagen? „Höchstens: Komm au it so spät hoim“, sagt Burkhard Kipp. Die Runde lacht. Heute ist der Abend besonders gesellig. Albert Haibt gibt also noch eine Schnaps-Runde aus. Blutwurz, Schlehe, Mirabelle oder Himbeere? Da gewinnt eindeutig der Blutwurz! Die Wirtin selbst stößt nicht mit an: „Ich trink seit 1962 keinen Schnaps mehr“, sagt Anna Jung. Damals, an einem besonders fröhlichen Fasnetsabend, hätte man nach jedem Tanz einen Schnaps trinken müssen. „Was i dô trunken hab’, des reicht mir bis heut’.“

Anna Jung, geborene Fischer, führt das „Kneiple“ in dritter Familiengeneration seit 50 Jahren. Auf ihrer Bühne lagern hunderte Bücher und Schriften zur Heimatgeschichte. Auch die Wander-Männer schätzen Anna Jungs großes Wissen. Für Burkhard Kipp, der eigentlich ein Stadt-Horber ist, hat sie heute das „Horber Lied“ von Hans Kieferle von der Bühne geholt.

Zweite Strophe: „Bei St. Jakob don se bada, do kama sea dia Horber Wada, grad so dick ond grad so vohl, wia dia Muschder aus Tirol.“ Die Horber mit den strammen Waden, die Kieferle beschreibt – waren’s gar auch passionierte Wanderer aus Ahldorf?

Zum Dossier: Auf ein Bier...

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Erstellt:
07.09.2018, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 09sec
zuletzt aktualisiert: 07.09.2018, 01:00 Uhr

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