Tübingen

Silcher-Koloss

Das derzeit am Tübinger ITZ probende Zürcher Ensemble Neue Dringlichkeit widmet das Silcherdenkmal in der Platanenallee am morgigen Sonntag um 16 Uhr zum Mahnmal um, das vor der Vereinnahmung der Künste durch menschenfeindliche Ideologien warnt.

04.01.2020

Von Timo Krstin, Tübingen

Seit Wochen diskutiert Tübingen das zukünftige Denkmal für eine Badenixe. Den meisten der zahlreichen öffentlichen Bekundungen ist eines gemein: die Kritik am undemokratischen Verfahren.

Das Argumente leuchtet ein. Trotzdem bleibt ein schaler Nachgeschmack ob der plötzlichen Sorge um demokratische Verfahren. Denn während das Gedenken an die Nixe an jeder Brisanz vorbeidiskutiert wird, erregt die eigentliche Monstrosität, ein paar Spazierschritte weiter den Neckar hinauf, nicht mal mehr die engagierteste württembergische Wutbürgerin. Gemeint ist natürlich das Silcherdenkmal. Bei seiner Errichtung wurde die Demokratie nicht nur umgangen, sie wurde von den Damen und Herren Nationalsozialisten gleich abgeschafft. Das mag ein altbekannter Hut sein, was die Gleichgültigkeit, mit der wir uns nicht darum kümmern, nur umso schlimmer macht.

Wer sich in Tübingen also weiterhin mit Kunst und Demokratieverlust auseinandersetzen will, der oder die sollte doch bitte nicht vergessen, an welcher Art Denkmal wir gefühlt schon immer vorbeispazieren, ohne die Möglichkeit einer demokratischen Neubesetzung auch nur in Betracht zu ziehen. Die Nixe, in allen Ehren, gemahnt an gar nichts, aber wir könnten sie als Mahnung verstehen, die Gedenkkultur unserer Stadt der Gleichgültigkeit zu entreißen, um sie der Demokratie zurückzugeben. Wie wäre es denn, den Silcher-Koloss in einem demokratischen Verfahren umzuwidmen, möglicherweise zum Mahnmal gegen die Vereinnahmung der Künste durch Antidemokraten?

Zum Artikel

Erstellt:
04.01.2020, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 1min 40sec
zuletzt aktualisiert: 04.01.2020, 01:00 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen

Aus diesem Ressort