Nordstetten/Rottweil · Justiz

Verteidigung äußert Zweifel am Hauptbelastungszeugen

Weil ein Zeuge widersprüchliche Angaben machte und sich selbst Gedächtnisprobleme attestierte, beantragten die Anwälte ein Gutachten.

06.08.2019

Von Manuel Fuchs

Verteidigung äußert Zweifel am Hauptbelastungszeugen

Der 44-Jährige, der gestern erneut in den Zeugenstand des Rottweiler Landgerichts trat, soll die beiden Männer, gegen die wegen der Tötung Michael Riechers verhandelt wird, miteinander bekannt gemacht haben. Das Amtsgericht Horb hatten ihn im Mai wegen Nichtanzeigens einer geplanten Straftat zu 180 Tagessätzen verurteilt. Er beteuert, aus den Plänen, Riecher zu bestehlen beziehungsweise zu berauben, frühzeitig ausgestiegen zu sein und mit dessen Tötung nichts zu tun zu haben.

Allerdings will er den zweiten Angeklagten am Morgen des 1. November 2018 zwischen 10.30 und 11 Uhr am Horber Bahnhof abgeholt haben. Man sei in die Wohnung des ersten Angeklagten gefahren, von dort nach einer kurzen Weile zu einem Horber Döner-Imbiss. Dort habe man 30 Minuten auf das Essen gewartet, sei wiederum weiter in ein Bistro gegangen, habe dort eine bis eineinhalb Stunden verbracht – allerdings will der Zeuge, der als Friseur arbeitet, am selben Tag bereits um 12 Uhr bei einem Kunden gewesen sein, um ihm die Haare zu schneiden.

Auch sind seine Angaben in den polizeilichen Vernehmungen sowie in einer zurückliegenden Hauptverhandlung nicht immer vollständig miteinander zur Deckung zu bringen – beispielsweise habe der erste Angeklagte vom Mobiltelefon des Zeugen am 1. November 2018 gegen Viertel vor 10 Uhr morgens einen Anruf getätigt. Dabei sei der zweite Angeklagte zugegen gewesen. Dieser Anruf ist laut Gerichtsakten in der Anrufliste verbürgt; allerdings gab der Zeuge auch an, den zweiten Angeklagten erst ungefähr eine Stunde danach abgeholt zu haben.

Der Zeuge selbst sagte im Laufe der Verhandlung wörtlich: „Ich habe Probleme mit dem Gedächtnis. Manche Dinge brennen sich ein, andere sind aus meinem Gedächtnis gelöscht. Ich lasse mich gern einer Untersuchung unterziehen, aber das Meiste, was ich erzählt habe, sollte so stimmen.“

Ein Anwalt der Nebenklage bezeichnete die Art der Zeugenbefragung in einer Verhandlungspause als „abkochen“; auch wies der Vorsitzende Richter Karlheinz Münzer darauf hin, dass dem Zeugen „im Stakkato“ Uhrzeiten um die Ohren geworfen worden seien. Die Anwälte der Verteidigung beirrte diese jedoch nicht; sie stellten zwei Anträge: Zum einen sei die Aussage des Zeugen über seine Gedächtsnisprobleme wörtlich ins Protokoll aufzunehmen, was Münzer positiv beschied.

Darüber hinaus beantragte Rechtsanwalt Kristian Frank „zum Beweis der Tatsache, dass [der Zeuge] an einem neurologischen Defekt leidet, der seine Vernehmungsfähigkeit beeinträchtigt“, ein neuropsychologisches Gutachten einzuholen. Aus den Gedächtnislücken des Zeugen seien unwahre Tatsachenbehauptungen erwachsen, was die Glaubhaftigkeit der Aussagen und die Glaubwürdigkeit eines Hauptbelastungszeugen insgesamt in Frage stelle. Dessen Befragung sei, der ständigen Rechtssprechung des Bundesgerichtshofs folgend, umgehend zu unterbrechen.

Münzer fragte den Zeugen noch, ob ihm ein Arzt bereits eine neurologische Erkrankung diagnostiziert habe. Nachdem der Zeuge dies verneint hatte, wurde die Vernehmung unterbrochen und die Verhandlung geschlossen.

Das Landgericht Rottweil tagt in diesem Verfahren wieder am Freitag, 9. August, um 9 Uhr.

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Erstellt:
06.08.2019, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 28sec
zuletzt aktualisiert: 06.08.2019, 01:00 Uhr

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