Start-up

Mit Macron den Abstand zur Weltspitze verringern

Frankreich und Deutschland wollen im Bereich „Künstliche Intelligenz“ enger kooperieren. Welche Rolle könnte Baden-Württemberg spielen?

31.08.2018

Von AXEL HABERMEHL

„Station F“: Arbeiten in dem hochmodernen umgebauten alten Bahnhof in Paris. An den Wänden sind gläserne Container über- und nebeneinander angebracht. Foto: BERTRAND GUAY/afp

„Station F“: Arbeiten in dem hochmodernen umgebauten alten Bahnhof in Paris. An den Wänden sind gläserne Container über- und nebeneinander angebracht. Foto: BERTRAND GUAY/afp

Paris. In der „Station F“ ist am Vormittag nicht viel los. Kaum Betrieb herrscht in der Halle des wohl weltgrößten „Start-up-Campus“ in Paris. Vereinzelt schaut jemand vom Laptop auf, als die deutsche Delegation durch den supermodern umgebauten alten Bahnhof geführt wird, andere diskutieren in gläsernen Containern, die an Wänden aufeinander gestapelt wurden.

Hier, in diesem von einem Milliardär gebauten Zukunftslabor digitalen Unternehmertums, soll die Transformation der französischen Wirtschaft keimen. 1000 Start-ups sollen Ideen entwickeln, umsetzen, ausprobieren, sich inspirieren und dabei so umsorgt werden, dass sie wenig Energie für andere Dinge verwenden als Produkte und Geschäftsideen. Behörden sind da, Steuerberater, und die Konzerne. Microsoft etwa „begleitet“ 16 Start-ups im Bereich „Künstliche Intelligenz“.

„KI“ – lernende Maschinen, Algorithmen-getriebene Innovation, Automatisierung auf Basis von Datenmassen – könnte in den nächsten Jahren die Welt verändern. Der Fortschrittssprung betrifft unzählige Bereiche. Medizin, Energie, Umwelt, Militär, Verkehr, Landwirtschaft, Sicherheit. Die Einsatzmöglichkeiten von zu immer größerer Selbstständigkeit trainierten Maschinen scheinen grenzenlos.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat das erkannt und eine „nationale KI-Strategie“ ausgerufen. 1,5 Mrd. EUR will er investieren, Industrie ins Boot holen – und Deutschland einbeziehen, um den schon jetzt erheblichen Rückstand Europas gegenüber den USA und Asien nicht uneinholbar werden zu lassen.

Nachdem Macron seine Ideen verkündet hatte, lief in Deutschland die Debatte an. Im Berliner Koalitionsvertrag stehen ein paar luftige Sätze, einige Presseartikel wurden lanciert, Forschungsministerin Anja Karluiczek (CDU) war im März in der Sache in Paris. Nun besuchte eine Delegation aus Baden-Württemberg die Stadt, um Kooperationsbereitschaft zu signalisieren und eigene Potenziale vorzuzeigen.

Bundes- und Landespolitik aus dem Südwesten, Wissenschaftler und ein Wirtschaftsvertreter besuchten, angeführt von Landes-Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne), französische Gesprächspartner und Forschungsinstitute. „Wir verstehen uns als Land der Innovation“, sagt Bauer. „Baden-Württemberg ist der stärkste Forschungsschwerpunkt in Deutschland, und wir wollen KI ins Zentrum unserer Innovationsbemühungen stellen.“ Ein Netzwerk solle es werden, kein Zentrum, das ist die Botschaft der Reise. Und dass eine deutsch-französische KI-Offensive ohne Baden-Württemberg nicht zu machen sei. Hören sollen das die Entscheider in Berlin, wo man früh in Richtung des bestehenden KI-Forschungszentrums in Saarbrücken blinzelte, aber vor allem die Franzosen.

Cédric Villani ist Macrons Mann für „KI“. Der Weltklasse-Mathematiker hat die Strategie geschrieben. Beim Abendessen mit der Delegation nennt er drei große Herausforderungen: Talente in Europa halten, eigene Hardware-Kraft entwickeln sowie rechtliche und ethische Fragen im Zusammenhang mit der Datenmasse beantworten. Kooperation sei unerlässlich: „Frankreich hat nicht genug Geld und nicht genug industrielle Kraft. Wir brauchen Deutschland.“

Die wirtschaftliche Wucht Baden-Württembergs könnte den Ausschlag geben. Schlüsselbranchen der Industrie – Autos, Anlagen, Maschinen – stehen durch „KI“ großen Chancen wie Risiken gegenüber. IHK-Landesvize Harald Unkelbach (Würth) sagt zuversichtlich: „Wir haben ein Konzept für eine Zusammenarbeit und ein Netzwerk mit Frankreich.“ Man müsse aber noch Schwerpunkte definieren. Ihm schweben drei bis fünf Forschungseinrichtungen mit Anbindung an Unternehmen vor.

Andreas Geiger, Professor im Tübinger „Cyber Valley“, sieht Nachholbedarf der Wirtschaft: „Wir haben extrem gute Leuchttürme in der Forschung: Robotik in Freiburg, oder Maschinenlernen in Tübingen, und es gibt weitere Beispiele“, sagt er. „Aber die großen Unternehmen und vor allem der Mittelstand bei uns müssen im Bereich KI noch aufholen.“ Er schlägt vor: „Die Politik sollte Anreize schaffen.“ Er schlägt Programme zur Forschungsförderung vor, die gezielt interdisziplinäre deutsch-französische Projekte und Veranstaltungen in KI fördern. Bedingung könne werden: Es muss ein deutsch-französisches Forschungsteam sein.

Noch ist vieles unklar, den nächsten Schritt muss Berlin setzen. Doch die Spur ist gelegt. Während am Mittwoch die Südwest-Delegation wieder im TGV nach Osten fährt, läuft in Paris Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) durch die „Station F“. An seiner Seite: Cédric Villani.

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Erstellt:
31.08.2018, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 54sec
zuletzt aktualisiert: 31.08.2018, 06:00 Uhr

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